79. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 27. November 2003
Beginn: 9.00 Uhr
* * * * * * * * V O
R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *
* * * * * DER NACH
§ 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *
* * * * * * * * VOR
DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *
Präsident Wolfgang Thierse:
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung
ist eröffnet.
Das am 22. August 2003 in Kraft
getretene Gesetz zur Neustrukturierung der Förderbanken des Bundes sieht vor,
den Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau um sieben Mitglieder zu
erweitern, die vom Deutschen Bundestag bestellt werden. Hierfür werden
vorgeschlagen von der Fraktion der SPD die Kollegin Waltraut
Lehn sowie die Kollegen Ludwig Stiegler und Klaus Brandner, von der Fraktion der CDU/CSU die Kollegen
Dietrich Austermann, Bartholomäus Kalb und Friedrich
Merz, von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen die Kollegin Christine Scheel. Sind Sie damit einverstanden? - Ich
höre keinen Widerspruch. Damit sind die genannten Kollegen als Mitglieder des
Verwaltungsrates der Kreditanstalt für Wiederaufbau bestellt.
Durch Änderung des § 39 des
Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 14. August 2003 können nun acht statt bisher
sieben Mitglieder des Deutschen Bundestages in den Beirat des
Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR entsandt werden. Die FDP-Fraktion kann somit ein Mitglied für
den Beirat nachbenennen. Sie schlägt die Kollegin Gisela
Piltz vor. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist die Kollegin Gisela Piltz gemäß § 39 Abs. 1 des
Stasi-Unterlagen-Gesetzes in den Beirat gewählt.
Die Fraktion der CDU/CSU teilt mit, dass
der Kollege Martin Hohmann sowohl aus dem Gemeinsamen Ausschuss gemäß
Art. 53 a des Grundgesetzes als auch aus dem Kontrollausschuss beim
Bundesausgleichsamt als stellvertretendes Mitglied ausscheidet. Für beide
Gremien schlägt die Fraktion der CDU/CSU den Kollegen Dr.
Jürgen Gehb als neues stellvertretendes Mitglied vor. Sind Sie damit
einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist der Kollege Gehb jeweils
als stellvertretendes Mitglied im Gemeinsamen Ausschuss bestimmt und in den
Kontrollausschuss beim Bundesausgleichsamt gewählt.
Wir setzen die Haushaltsberatungen - Punkt
I - fort.
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr
2004
(Haushaltsgesetz 2004)
- Drucksache 15/1500, 15/1670 -
(Erste Beratung 61. Sitzung)
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)
zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2003 bis 2007
- Drucksachen 15/1501, 15/1670, 15/1924 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Walter Schöler
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt
Ich rufe dazu Punkt I.12 auf:
a) Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit
- Drucksachen 15/1909, 15/1921 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Volker Kröning
Hans-Joachim Fuchtel
Kurt J. Rossmanith
Anja Hajduk
Dr. Günter Rexrodt
Dazu liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion der FDP vor, über den wir später namentlich abstimmen werden.
Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte
I.12 b und c auf:
b) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Dritten
Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher
Vorschriften
- Drucksache 15/1206 -
(Erste Beratung 54. Sitzung)
- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer
handwerksrechtlicher Vorschriften
- Drucksache 15/1481 -
(Erste Beratung 58. Sitzung)
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
(9. Ausschuss)
- Drucksache 15/2083 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Ernst Hinsken
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für
Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss)
- zu dem Antrag der Abgeordneten Ernst Hinsken, Dagmar Wöhrl,
Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Handwerk mit Zukunft
- zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
Meisterbrief erhalten und Handwerksordnung zukunftsfest
machen
- Drucksachen 15/1107, 15/1108, 15/2083 -
Berichterstattung:
Abgeordneter Ernst Hinsken
Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen zur Änderung der Handwerksordnung und
anderer handwerksrechtlicher Vorschriften liegt ein Entschließungsantrag der
Fraktion der FDP vor. Der gleich lautende Gesetzentwurf der Bundesregierung
soll abgesetzt werden. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist so
beschlossen.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Nein, wir sind nicht einverstanden!)
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung
sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das
Wort dem Kollegen Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der
CDU/CSU)
Friedrich Merz (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die
Befürchtungen, die wir am Anfang dieser Woche im Hinblick auf die Entscheidung
des Ecofin-Rates vom vergangenen Dienstag hatten,
sind mehr als nur bestätigt worden; sie werden übertroffen. Die Europäische
Union steckt erkennbar in einer sich verschärfenden Krise. Anders kann man es
nicht ausdrücken.
Ich will an die Debatte anknüpfen, die wir dazu gestern und
vorgestern an dieser Stelle gehabt haben. Was die Regierung der Bundesregierung
Deutschland in Brüssel zu verantworten hat, wird uns noch über einen sehr
langen Zeitraum beschäftigen. Es haben Krisensitzungen des EZB-Rates und der
EU-Kommission stattgefunden. Es herrscht eine schwere Verstimmung zwischen den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Mittlerweile hat Frankreich das
Begehren geäußert, den gesamten Stabilitätspakt im übernächsten Jahr zu
verändern.
Unsere Voraussagen und meine persönliche
Einschätzung werden sich bewahrheiten. Es wird einen zunehmenden Druck auf die
Währungsstabilität geben. Angesichts dessen, was auch von Vertretern der
Regierung in den letzten 48 Stunden zu diesem Thema gesagt worden ist, kann
einem nur angst und bange werden.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Wir werden mit dem Hinweis konfrontiert,
es sei doch alles in Ordnung. Ein Wechselkurs des
Euro zum Dollar von 1,18 Euro sei sozusagen der Beleg dafür, wie stark der Euro
sei und wie wenig er gefährdet sei. Wer die Währungsgeschichte der D-Mark
einigermaßen kennt, der weiß, dass diese Argumente falsch sind.
Es gab bei uns in den 80er-Jahren zum Teil
stark steigende Wechselkurse bei rapide sinkenden Inflationsraten. Im Jahre
1981 lag der Dollarkurs bei 1,80 DM und die Inflationsrate bei 6 Prozent. Drei
Jahre später betrug der Dollarkurs 3,20 DM und die Inflation in Deutschland
ging gegen null. Drei Jahre nachdem die Sozialdemokraten in Deutschland
erstmalig die Regierung übernommen hatten, lag der Dollarkurs ebenfalls bei
3,20 DM, aber die Inflationsrate betrug über 6 Prozent.
Ich sage Ihnen das, um Sie von vornherein
vor Fehleinschätzungen in den nächsten Tagen und Wochen zu bewahren. Der
Außenwert einer Währung hat nicht immer unmittelbar etwas mit seiner
Binnenstabilität zu tun. Das glatte Gegenteil kann der Fall sein. Im Augenblick
profitieren wir in Europa mehr von der Schwäche des Dollar als von der Stärke
der eigenen Währung.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Die Debatte am heutigen Tag bietet auch
Gelegenheit, nach einem Jahr Amtszeit von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang
Clement Bilanz zu ziehen. Herr Clement, Sie sind vor gut einem Jahr mit sehr
viel Elan, auch mit sehr vielen Vorschusslorbeeren, mit sehr viel Vertrauen und
hohen Erwartungen gegenüber Ihnen - auch von den Koalitionsfraktionen - hier in
Berlin angetreten. Wie sieht die nun die Bilanz ein Jahr später aus? Es folgt
keine Schwarzmalerei und kein Gerede der Opposition. Nein, es sind nüchterne
Zahlen über die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland, ein Jahr nach
dem Amtsantritt eines neuen Ministers, der richtigerweise nicht nur die
Zuständigkeit für die Wirtschaftspolitik, sondern auch für die Arbeitsmarktpolitik
hat.
(Franz Müntefering
(SPD): Keine Schwarzmalerei! Das muss ich mir merken!)
- Herr Müntefering, die Zahl der Arbeitslosen ist innerhalb
dieses einen Jahres im Durchschnitt um über 200 000 gestiegen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Deutschland ist ebenfalls um
deutlich über 200 000 gestiegen. Die Zahl der Beschäftigten in unserem Land ist
in gut einem Jahr um mehr als 600 000 zurückgegangen.
(Hans Michelbach
(CDU/CSU): Hört! Hört!)
Ich will die Lage nicht dramatisieren;
aber die Arbeitsmarktstatistik bringt die Lage weniger gut zum Ausdruck als die
Beschäftigtenzahl. Die Tatsache, dass Deutschland mit 82 Millionen Einwohnern
jetzt nur noch etwas über 26 Millionen sozialversicherungspflichtige
Beschäftigte hat, ist das eigentliche Symptom für die Krise unserer
Volkswirtschaft.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Darüber können Sie nicht einfach leichtfertig hinweggehen.
Wir sind vor gut einem Jahr von Ihnen,
Herr Clement, mit großen Ankündigungen konfrontiert worden. Sie haben die
Koalitionsfraktionen mit Ankündigungen darüber begeistert, wie die
Bundesanstalt für Arbeit jetzt endlich auf den richtigen Weg gebracht werden
soll, um die Vermittlungstätigkeit so zu verbessern, dass sie einen
nachhaltigen Beitrag zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit leistet. Auch dazu
eine kurze Jahresbilanz. Im Oktober 2003 sind insgesamt knapp 750 000 Menschen
aus der Arbeitslosigkeit ausgeschieden. Von diesen 750 000 hat die
Bundesanstalt für Arbeit aber nur 67 000 erfolgreich vermittelt. Das sind nicht
einmal 9 Prozent.
Im gleichen Zeitraum, innerhalb von
Jahresfrist, hat sich aber die Zahl derer, die in den Vorruhestand
eingetreten sind, also ein Instrument des Sozialgesetzbuches III in
Anspruch genommen haben, fast verdreifacht. Über 200 000 haben auch auf Drängen
der Bundesanstalt für Arbeit von diesem Instrument Gebrauch gemacht, obwohl der
Präsident der Bundesanstalt bei seinem Amtsantritt genau das Gegenteil
gefordert hat, nämlich dieses Instrument solle nicht weiter in Anspruch genommen
werden, weil es ein falsches Instrument sei.
Herr Clement, man sieht alleine an diesen Zahlen: Sie sind
nicht an einer einzigen Stelle in der Lage gewesen, die Strukturprobleme
unseres Arbeitsmarktes zu lösen. Sie haben sich weiter verfestigt, weil Sie zu
Beginn Ihrer Amtszeit von einer fundamentalen Fehleinschätzung der Lage
ausgegangen sind und sich mit Ihren wenigen guten Ansätzen in Ihrer eigenen
Fraktion nicht haben durchsetzen können.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Ich will das an einigen Beispielen
deutlich machen. Sie haben uns im Frühjahr 2003 mit der Ankündigung
aufgerüttelt, künftig werde Ihr Haus jeden Monat eine neue Reform auf den Weg
bringen.
(Hans Michelbach
(CDU/CSU): Alles Schall und Rauch! - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es
waren schon zwei pro Monat!)
Lassen wir an vier Beispielen Revue passieren, was daraus
geworden ist.
Erstens. Sie haben angekündigt, es sei
jetzt an der Zeit, das Kündigungsschutzrecht zu
lockern. Ich sage dazu vorweg: Ich weiß, dass viele Bürgerinnen und Bürger in
diesem Land - darunter auch viele, die in Arbeit und Brot sind - Angst davor
haben, dass ihnen ein Teil des Schutzes genommen wird. Von dieser Angst müssen
sie befreit werden, indem man darauf hinweist, dass in den Ländern, in denen der
Kündigungsschutz nicht so weit geht wie in Deutschland, ein höheres Maß an
Beschäftigung besteht und die Rückkehr in den Arbeitsmarkt einfacher ist als in
der Bundesrepublik Deutschland. Das haben Sie richtig gesehen, Herr Clement.
Aber nachdem Sie angekündigt hatten, dass
der Kündigungsschutz in Kleinbetrieben mit bis zu 20 Beschäftigten gelockert
werden soll, und daraufhin von Ihren eigenen Leuten zurückgepfiffen worden
sind, haben Sie darauf hingewirkt, dass wenigstens Kleinbetriebe mit bis zu fünf
Beschäftigten künftig unbegrenzt befristet Beschäftigte zusätzlich einstellen
können, ohne dass der Kündigungsschutz greift. Dabei haben Sie jedoch
übersehen, dass aufgrund einer EU-Richtlinie die Zahl der befristet
Beschäftigten nicht größer sein darf als die Zahl der unbefristet
Beschäftigten. Deshalb mussten Sie die Zahl der befristet Beschäftigten auf
fünf reduzieren.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Toll!)
In Zukunft dürfen also fünf befristet
Beschäftigte zusätzlich eingestellt werden, die dem Kündigungsschutz nicht
unterliegen. Das ist aus Wolfgang Clements großer Reform des
Kündigungsschutzgesetzes geworden!
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Peinlich!)
Bitte tun Sie sich selbst und uns den Gefallen, dieses Thema
heute Morgen am besten gar nicht mehr zu erwähnen, wenn Sie sich nicht selber
der Lächerlichkeit preisgeben wollen.
(Beifall bei der
CDU/CSU)
Ein zweites Beispiel: Sie haben auch
angekündigt, dass künftig jede Arbeit zumutbar sein solle, damit die Menschen
einen Weg zurück in den Arbeitsmarkt finden. Dies hat immer unsere Zustimmung
gefunden. Wir waren auch in früheren Jahren der Auffassung, dass eine
geringfügige Beschäftigung immer noch besser ist, als weiter in der
Arbeitslosigkeit zu verbleiben.
Was ist daraus geworden? Nach Herrn
Clement müssen jetzt Arbeitslosengeldempfänger, also diejenigen, die eine
Versicherungsleistung bekommen, für die sie vorher Beiträge eingezahlt haben,
in Zukunft jede zumutbare Beschäftigung annehmen.
Die Zumutbarkeitsregelungen sind richtigerweise geändert worden. Aber
denjenigen, die in Zukunft - nach der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
Sozialhilfe - Anspruch auf das Arbeitslosengeld II haben, muss jetzt der
ortsübliche Lohn gezahlt werden.
Herr Clement, es wäre gut gewesen, wenn
Sie diese Regelung in der Schlussphase der Verhandlungen mit Ihren eigenen
Leuten verhindert hätten. Sie hätten dabei auch auf das
Sachverständigengutachten Bezug nehmen können. Der Sachverständigenrat hat mit
nicht zu überbietender Klarheit festgestellt:
Die beschäftigungsfeindliche
Wirkung von staatlichen Mindestlöhnen ist gut belegt. Deshalb muss auf diese
generelle Mindestlohnregelung verzichtet werden.
Wenn Sie Ihrem eigenen Sachverständigenrat
nicht glauben, dann werfen Sie einen Blick nach Frankreich! In Frankreich gibt
es seit einigen Jahrzehnten einen staatlichen Mindestlohn,
wie Sie ihn jetzt in Deutschland faktisch einführen wollen. Ein staatlicher
Mindestlohn klingt zunächst gut. Viele Bürgerinnen und Bürger sind der Meinung,
dass es eine Untergrenze geben muss und dass der Staat dies zu regeln hat. Das
ist in der Tat auch ein zusätzlicher Schutz für die Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer.
In Frankreich können Sie aber die
tatsächliche Wirkung solcher Regelungen besichtigen. Die Tatsache, dass in
Frankreich die Jugendarbeitslosigkeit überproportional hoch ist, hat etwas
damit zu tun, dass den schlecht qualifizierten Jugendlichen der Zugang zum
Arbeitsmarkt durch den staatlich festgesetzten Mindestlohn verweigert und auf diese
Weise Jugendarbeitslosigkeit in einer Größenordnung verfestigt wird, die wir in
Deutschland Gott sei Dank bis heute nicht zu beklagen haben.
Wenn Sie aber zulassen, dass dieses Vorhaben in Deutschland
weiter verfolgt wird, dann - das sage ich Ihnen voraus - werden in Deutschland
in wenigen Jahren gerade bei der Jugendarbeitslosigkeit ähnlich hohe
Zuwachsraten zu verzeichnen sein wie in Frankreich. Lassen Sie das! Es hat
keinen Sinn, diesen Weg zu gehen. Ein drittes Beispiel: Herr Clement, wir haben
vor fast genau einem Jahr im Zuge der Beratungen des Haushalts 2003 in diesem
Hause sehr darüber gestritten, wie wir die Zeitarbeitsbranche
in Zukunft tarifpolitisch behandeln wollen. Ich habe Ihnen damals
dringend geraten, bei dem zu bleiben, was Sie für richtig gehalten haben, und
die Zeitarbeit nicht vom ersten Tage an gesetzlich in der Weise zu regeln, dass
dort gleicher Lohn zu gleichen Bedingungen gezahlt werden muss. Ferner haben
wir Ihnen dringend geraten, nicht die gesetzliche Verpflichtung aufzunehmen,
dies an entsprechende Tarifverträge zu binden.
Was in diesen Tagen, ein Jahr später, in
der Zeitarbeitsbranche auch im Hinblick auf das Datum 1. Januar 2004 passiert -
Sie haben damals eine Frist von etwas über einem Jahr in das Gesetz
hineingeschrieben -, zeigt, dass es weit schlimmer gekommen ist, als wir es vor
einem Jahr befürchtet hatten. Es gibt nämlich nicht nur Tarifverträge, die als
solche nicht zu kritisieren sind, sondern es gibt auch eine massive Konkurrenz
der IG Metall insbesondere gegen die christlichen Gewerkschaften.
(Klaus Brandner
(SPD): Es ist ja eine Beleidigung, die christlichen Gewerkschaften als
Konkurrenz darzustellen!)
- Dieser Zwischenruf ist aufschlussreich: Es sei eine
Beleidigung, die christlichen Gewerkschaften als Konkurrenten der IG Metall zu
bezeichnen. Das ist bezeichnend für das Denken, das in Ihren Reihen bis zum
heutigen Tage vorherrscht.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Meine Damen und Herren, es sind
Tarifverträge mit der Christlichen Gewerkschaft Metall abgeschlossen worden.
Dagegen klagt die IG Metall. Sie klagt nicht gegen die Tarifverträge, sondern
sie versucht, auf dem Klagewege der CGM die Eigenschaft als Gewerkschaft
streitig zu machen, was die fatale Folge hat, dass in vielen Betrieben die dort
bestehenden Tarifverträge gar nicht angewandt werden, weil man überall Angst
davor hat, dass sich die IG Metall mit ihren Klagen durchsetzt.
(Klaus Brandner
(SPD): So mächtig ist die CGM! Deshalb ist das eine Beleidigung! - Weitere
Zurufe von der SPD)
- Auch diese Zwischenrufe sind bezeichnend. - Die fatale
Folge dessen ist, dass die Zeitarbeitsbranche in Deutschland zur Lösung der
Probleme praktisch keinen Beitrag mehr leisten wird; dies verhindern die
Funktionäre der IG Metall.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Ich komme zu einem vierten großen Bereich,
den Sie zum Thema gemacht haben und bei dem Sie in den jüngsten Tagen - Angela
Merkel hat gestern schon darauf hingewiesen - total gescheitert sind, nämlich
dem Thema Ausbildungsplatzabgabe. Herr Clement, Sie
haben völlig zu Recht bis in die jüngsten Tagen hinein auch in Ihren eigenen
Reihen gesagt, dass eine solche Abgabe schädlich und falsch sei. Trotzdem ist
sie auf dem Bundesparteitag der SPD gegen Ihren erklärten Willen beschlossen
worden. Die Tatsache, dass Sie einen relativ kleinen Delegiertenschlüssel haben
und viele Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion Delegierte auf
Bundesparteitagen sind, zeigt, dass Sie offensichtlich in Ihrer eigenen
Fraktion keine Mehrheit für das gefunden haben, was Sie für richtig halten.
(Beifall bei der
CDU/CSU - Zurufe von der SPD - Gegenruf des Abg. Eckart von Klaeden (CDU/CSU):
Wer war denn von Ihnen nicht da? Die sollen sich mal melden! Es waren doch alle
da!)
- Entschuldigung, es ist doch offensichtlich so, wie ich es
dargelegt habe: Das Thema Ausbildungsplatzabgabe wird auf der Regierungsbank
anders als in den Regierungsfraktionen, insbesondere in der SPD-Fraktion,
gesehen.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Jetzt lese ich Ihnen etwas vor, was vor
einigen Wochen ein betroffener Arbeitgeber in einem Leserbrief geschrieben hat.
(Unruhe bei der SPD)
- Das mögen Sie nicht gern hören. Ich lese es Ihnen trotzdem
vor. Er beschreibt seine Erfahrungen, wie es ist, wenn er Ausbildungsplätze zur
Verfügung stellt und anschließend Bewerber in sein Unternehmen kommen und sich
vorstellen.
auf reines Grundwissen zielende
Testaufgaben und Fragen können nicht einmal in Ansatz und Tendenz richtig
gelöst und beantwortet werden, zum Teil kommen „weiße Blätter“ zurück.
Verstehen und Erklären einfachster Konstruktionszeichnungen - Fehlanzeige. Mal
die Homepage unseres Unternehmens angeschaut? Nein, nicht dran gedacht. Totaler
Blackout beim Versuch eines Gesprächs über Themen der Allgemeinbildung oder des
aktuellen Tagesgeschehens; Geschichte, Geographie, Europa, simple
weltpolitische Zusammenhänge - nicht der Schimmer einer Ahnung. Schulterzucken
auf die Frage nach Berufs- und Lebenszielen. Dies alles gepaart mit einem Sprachstil,
der in Phonetik und Aussagesinn weithin unverständlich bleibt, und mit einem
Auftreten, das oft die elementarsten Benimm-Regeln vermissen lässt.
(Zurufe von der SPD)
- Was ich Ihnen vorlese, sind die Erfahrungen eines
Unternehmers. Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sind meilenweit davon
entfernt, überhaupt noch zu wissen, was in den Betrieben heute passiert.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Das Zitat trifft auch für
die SPD-Fraktion zu! - Widerspruch bei der SPD)
- Wenn man diese Zwischenrufe hört - leider können die
Fernsehzuschauer nicht alles hören, was Sie dazwischenrufen -, dann könnte man
annehmen, das Zitat, das ich hier gerade vortrage, stelle eine
Situationsbeschreibung der SPD-Bundestagsfraktion dar.
(Heiterkeit und
Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Der Unternehmer schreibt weiter:
Solange Computerspiele, Disco
und Designerklamotten die Kernkompetenzen vieler unserer 18 bis 20 Jahre alten
Schulabgänger sind und das fatale Motto „Erst der Spaß, dann das Vergnügen“ ihr
Dasein prägt, ist tiefste Besorgnis angesagt, dass diese hochprozentig
ignorante Generation wählen darf und die Zukunft unserer Wirtschaft und
Gesellschaft gestalten soll.
(Zuruf von der SPD:
Machen Sie doch nicht die Jugendlichen schlecht!)
Jetzt kommt der entscheidende Satz:
Die geschilderten Erfahrungen
aus der betrieblichen Praxis beweisen zugleich den ganzen Schwachsinn einer
Ausbildungsplatzabgabe.
Dies ist sicherlich eine Momentaufnahme.
Hier ist jemand an die Öffentlichkeit gegangen, der sehr frustriert ist und der
Erfahrungen mit jungen Menschen gemacht hat, die sicherlich nicht repräsentativ
sind.
(Zurufe von der SPD:
Aha!)
Aber Tatsache ist doch - wenn Sie genau hinschauen, dann
müssten auch Sie das wissen -, dass ein großer Teil der Ausbildungsplätze
in Deutschland nicht deswegen nicht besetzt werden kann, weil es nicht
genügend Betriebe gibt, die ausbilden, sondern weil die Betriebe kaum noch
qualifizierte Bewerber für die vorhandenen Ausbildungsplätze bekommen. Vor
diesem Hintergrund ist eine Ausbildungsplatzabgabe doch Unfug. Denn die
Betriebe, die ausbilden wollen und die hohe Anforderungen stellen bzw. stellen
müssen, werden durch eine solche Abgabe doppelt bestraft: Ausbildungsplätze bleiben
mangels qualifizierter Bewerber unbesetzt und gleichzeitig muss eine
Ausbildungsplatzabgabe entrichtet werden.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Herr Clement, wenn Sie noch einen Rest an
Durchsetzungsvermögen in der Regierungskoalition haben, dann sorgen Sie bitte
dafür, dass der entsprechende Gesetzentwurf, der offenbar die Handschrift von
Herrn Müntefering trägt, im nächsten Jahr erst gar nicht in den Deutschen
Bundestag eingebracht wird.
Ich möchte noch etwas zu dem momentanen Vermittlungsverfahren sagen - der Meinungsbildungsprozess
ist sicherlich sehr schwierig -, das große Teile Ihrer Gesetzgebung betrifft
und das das größte der letzten Jahre, wenn nicht sogar des letzten Jahrzehnts
ist. Der Bundeskanzler hat mehrfach eingewandt, der Zusammenhang, den die Union
zwischen den Reformgesetzen betreffend den Arbeitsmarkt und seinem Wunsch, die
Steuern zum 1. Januar 2004 zu senken, herstellt, sei unzulässig. Ich möchte
Ihnen sehr deutlich sagen: Wenn die geplante Steuersenkung, die zumindest teilweise
kreditfinanziert werden muss, überhaupt eine Chance auf unsere Zustimmung haben
soll, dann müssen gleichzeitig Arbeitsmarktreformgesetze verabschiedet werden,
die im nächsten Jahr in Deutschland zumindest ein so großes Maß an Wachstum und
Beschäftigung ermöglichen, dass die mit der Steuersenkung verbundenen
Steuerausfälle schnell kompensiert werden. Sonst macht das Ganze keinen Sinn.
Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass es einen inneren Zusammenhang zwischen
Steuergesetzgebung und Arbeitsmarktgesetzgebung gibt. Wer dies bestreitet, der
legt selbst den Keim für das Scheitern des Vermittlungsverfahrens. Das ist so.
- Herr Clement, Sie lachen jetzt darüber. Das Lachen wird Ihnen am Ende dieses
Jahres - möglicherweise - vergehen, wenn Sie so weitermachen.
(Widerspruch bei der
SPD)
Wir legen Wert darauf, dass hier Gesetze verabschiedet
werden, die wenigstens den Hauch einer Chance eröffnen, dass wir im nächsten
Jahr aus der Wachstums- und Beschäftigungskrise herauskommen.
Dazu gehört das, was nicht wir zuerst thematisiert haben, sondern was der
Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 14. März dieses Jahres
ausdrücklich angesprochen hat, nämlich das Thema betriebliche Bündnisse für
Arbeit.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Ich erwähne das deshalb, weil uns die Gewerkschaften, aber
auch die Regierung ständig vorwerfen, es gebe nicht einen einzigen Fall in
Deutschland, anhand dessen man nachweisen könne, dass die Gewerkschaften nicht
vernünftig genug seien, trotz bestehender Tarifverträge betriebliche Bündnisse
für Arbeit mit ihrer Zustimmung zu ermöglichen. Ich möchte Ihnen ein konkretes
Beispiel aus jüngster Zeit nennen, das das genaue Gegenteil belegt - das kann
man zurzeit jeden Tag überall in Deutschland, ob im Norden, im Süden, im Westen
oder im Osten, beobachten -: In der schönen Stadt Murrhardt, nördlich von
Stuttgart, lässt die Firma Soehnle Küchenwaagen
produzieren. In diesem Unternehmen ist ein Abänderungstarifvertrag mit
Zustimmung der Belegschaft, der Geschäftsleitung und des Betriebsrates, auch
der dort vertretenen IG-Metall-Mitglieder, abgeschlossen worden. Mit diesem
Tarifvertrag sollten die Streichung einer fünfminütigen Pause und die Senkung
der Zuschläge bei Akkordlöhnen von 127 Prozent auf 113 Prozent ermöglicht
werden. Alle Beteiligten waren sich einig. Aber dann hat die stellvertretende
Bevollmächtigte der IG Metall dagegen interveniert. Sie hat Folgendes
geschrieben:
Wenn es zu wenig Arbeit in
Murrhardt gibt, schlagen wir Kurzarbeit oder eine Betriebsvereinbarung ... vor.
Dabei gibt es auch Lohn- und Gehaltseinbußen ..., aber im Gegenzug mehr
Freizeit und eine bessere Absicherung ihres Arbeitsplatzes durch die verkürzte
Arbeitszeit für alle.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Unglaublich!)
Das, was diese Dame schreibt, unterliegt
der Meinungsfreiheit in Deutschland und niemand bestreitet ihr das Recht, so
etwas zu schreiben. Aber von einem solchen Unsinn darf sich doch nicht ein
ganzer Betrieb auf dem Weg aufhalten lassen, eine vom Tarifvertrag abweichende
Vereinbarung zu treffen, die regelt, dass Beschäftigung gesichert werden kann.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Nicht nur diejenigen von Ihnen, die aus Baden-Württemberg
kommen, können sich das an Ort und Stelle ansehen.
Das Ergebnis dieser Intervention ist, dass
diese Produktionslinie dorthin nicht vergeben worden ist und dass dieser
Standort wahrscheinlich mittelfristig geschlossen wird. Dahinter steht die
Ignoranz von IG-Metall-Funktionären außerhalb der Betriebe. Dieser Fall
dokumentiert gleichzeitig das hohe Maß an Vernunft von IG-Metall-Mitgliedern
und -Betriebsräten in den Betrieben. Herr Clement, es muss einen Weg geben, wie
mit von Tarifverträgen abweichenden Vereinbarungen betriebliche
Bündnisse für Arbeit möglich werden. Wenn Sie unseren Weg nicht für
richtig halten, aber gemeinsam mit dem Bundeskanzler der Auffassung sind, dass
dieses Ziel erreicht werden muss, dann zeigen Sie uns einen anderen Weg auf.
Ohne einen solchen Weg kommen wir in Deutschland aus der Beschäftigungskrise
nicht heraus. Dieser Weg muss jetzt gemeinsam mit Ihnen beschritten werden.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Zum Ende des Jahres 2003 stehen wir in der
Tat vor sehr schwierigen Beratungen. Unsere Vorsitzende hat gestern sehr klar
und deutlich zum Ausdruck gebracht: Wir sind weiterhin bereit, mit Ihnen
Kompromisse auszuhandeln. Das erfordert der Föderalismus. Dass der Bundesrat
vielen Gesetzen, die der Bundestag verabschiedet hat, zustimmen muss, ist nun
einmal so; wir können das - jedenfalls kurzfristig - nicht ändern.
Diese Kompromisse sind aber keine
Kompromisse um ihrer selbst willen; es müssen vielmehr Kompromisse sein, die
uns in Deutschland aus der anhaltenden strukturbedingten Wachstums- und
Beschäftigungskrise wenigstens ein Stück weit herausführen. Herr Clement - ich
hätte beinahe „Herr Gerster“ gesagt; ich kann gut verstehen, dass Sie bei
diesem Namen nicht gern zuhören; diese Angelegenheit ist mittlerweile eine
Belastung für die ganze Regierung geworden -,
(Heiterkeit bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
einen Weg in die andere Richtung - eine Verfestigung der
Arbeitsmarktstrukturen; eine Verfestigung bestimmter Gesetze; noch mehr
Bürokratie; die Einstellung von zusätzlichen 10 000 oder
12 000 Beschäftigten bei der Bundesanstalt für
Arbeit, was bedeutet, dass diese Personen eine Aufgabe übernehmen, die
heutzutage in die Zuständigkeit der Kommunen fallen; eine Regelung, die mehr
oder weniger erfolgreich ist - werden wir nicht mitgehen.
Ich sage von dieser Stelle aus: Wenn Sie
einen Weg in die andere Richtung einschlagen wollen, dann ist es besser, es so
zu belassen, wie es ist, so schlecht es auch sein mag. Aber der noch
schlechtere Weg, die staatliche Bürokratie weiter auszudehnen, um damit die
Bewirtschaftung der Arbeitslosigkeit auf einem noch höheren administrativen Niveau
in Deutschland zu ermöglichen, ist nicht nur für uns, sondern auch für die
Arbeitslosen in Deutschland unzumutbar.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Präsident Wolfgang Thierse:
Das Wort hat nun Kollege Volker Kröning, SPD-Fraktion.
(Eckart von Klaeden
(CDU/CSU): Noch so ein Wahlsieger!)
Volker Kröning (SPD):
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr
Merz, wir befinden uns in der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushaltes.
Sie haben zu allem geredet, nur nicht zum Einzelplan 09, der heute Morgen
aufgerufen worden ist.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Kriegt der jetzt einen
Eintrag ins Klassenbuch?)
Es ist ganz deutlich - ich glaube, niemand ist
verstimmt, wenn er diese Absicht erkennt -, dass Sie nicht zum Haushalt,
sondern zum Vermittlungsverfahren gesprochen haben.
Wenn man Ihnen genau zugehört hat, dann musste man den Eindruck bekommen, dass
Sie weder die Bereitschaft noch die Fähigkeit zum Kompromiss, den wir dringend
brauchen, aufbringen.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Haushalt des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Arbeit sieht nach der Bereinigungssitzung des
Haushaltsausschusses für das Jahr 2004 Gesamtausgaben in Höhe von
32,95 Milliarden Euro vor. Dies sind rund 8 Milliarden Euro
mehr, als im Regierungsentwurf vorgesehen. Dieser Aufwuchs beruht darauf, dass
im parlamentarischen Verfahren Haushaltsmittel zur Umsetzung der neuen Leistung
veranschlagt worden sind, die nach dem vom Deutschen Bundestag beschlossenen
Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt die bisherigen
Leistungen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zur Mitte des nächsten Jahres
ablösen soll.
Außerdem sind in der Bereinigungssitzung
die haushaltswirtschaftlichen Voraussetzungen für die Anschlussregelung
zum Kohlekompromiss von 1997 für die Zeit ab 2006 geschaffen worden.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Wie viel waren das noch gleich zusätzlich? Herr Kollege Kröning, wie
viel zusätzlich?)
- Herr Austermann, Sie kommen heute offenbar nicht zu Wort
und deshalb müssen Sie Zwischenrufe machen.
Schließlich haben wir im Rahmen des
haushaltswirtschaftlich Möglichen zukunftsorientierte
Maßnahmen verstärkt, unter anderem durch zusätzliche Mittel für die
Energieforschung und die Unterstützung des Exports im Bereich erneuerbarer
Energien, für die Verbesserung der Materialeffizienz und für das Vorhaben
Innovationsregionen im Rahmen des Bürokratieabbaus und der Deregulierung.
In seiner Struktur wird dieser Haushalt
weiterhin durch die arbeitsmarktbezogenen Leistungen dominiert.
Dafür werden rund 27,6 Milliarden Euro bereitgestellt.
14,7 Milliarden Euro davon entfallen auf die Grundsicherung für
Arbeitsuchende. Im Gegenzug ist der im Regierungsentwurf eingestellte Ansatz
für Arbeitslosenhilfe halbiert worden. Die Leistungen für die Grundsicherung
verteilen sich auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit mit rund
2,6 Milliarden Euro, auf das Arbeitslosengeld II mit rund 10,6 Milliarden Euro
und auf die Erstattung der Verwaltungskosten mit rund
1,5 Milliarden Euro. Für die Arbeitslosenhilfe sind rund
6,7 Milliarden Euro und für den Zuschuss an die Bundesagentur für
Arbeit rund 5,2 Milliarden Euro veranschlagt. Das Haushaltsgesetz
ermächtigt den Bund, der Bundesagentur Liquiditätsdarlehen von bis zu
7 Milliarden Euro zu gewähren. Für Maßnahmen der aktiven
Arbeitsmarktpolitik, im Wesentlichen JUMP-Plus und Sonderprogramm gegen
Langzeitarbeitslosigkeit, werden rund 970 Millionen Euro
bereitgestellt.
Es tut mir Leid, dass ich Sie mit diesen
Einzelangaben in Ihrer Kampfeslust offenbar gestört habe.
(Lachen bei der
CDU/CSU - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Uns auch! - Dr. Guido Westerwelle
(FDP): Sie stören niemanden mit der Rede! - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Wir
lassen uns nicht stören!)
Aber die Bürger und Bürgerinnen interessieren sich für die
Leistungen, die wir mit dem Bundeshaushalt für sie erbringen, gerade auf den
Gebieten Arbeitsmarkt und Wirtschaft.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Kalkulation der arbeitsmarktbezogenen
Ansätze beruht auf den aktualisierten gesamtwirtschaftlichen Eckwerten der
Bundesregierung und setzt voraus, dass die mit den Gesetzen Hartz I und Hartz II beschlossenen
Konsolidierungsmaßnahmen im kommenden Jahr ihre volle Wirksamkeit auf der
Ausgabenseite entfalten. Auf der Einnahmeseite ist der nach Hartz IV von
der Bundesagentur an den Bund zu zahlende Aussteuerungsbetrag veranschlagt.
Von dem verbleibenden Teil des
BMWA-Haushalts in Höhe von rund 5,4 Milliarden Euro entfallen rund
2,2 Milliarden Euro auf die Kohlehilfen.
Das ist gegenüber dem Ansatz 2003 ein Rückgang - ein Rückgang! - um
460 Millionen Euro, also mehr, als der Abbauschritt 2004 nach dem
geltenden Kohlekompromiss vorsieht.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Es wird aber noch was draufgelegt! 16 Milliarden!)
Mit der Veranschlagung einer neuen
Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 6,079 Milliarden Euro wird der
Anschlussregelung ab 2006 Rechnung getragen,
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Gilt die denn schon?)
damit schon 2004 entsprechende Finanzierungszusagen gegeben
werden können.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Und dann geht es wie weiter? - Weitere Zurufe)
Der Bund leistet seinen Beitrag unter der Voraussetzung,
dass mit den Ländern Nordrhein-Westfalen und Saarland eine Verständigung über
die Anschlussregelung erzielt wird.
(Anhaltende Zurufe -
Dirk Niebel (FDP): Hört doch mal lieber zu!)
Dabei soll der Rückgang der Hilfen so flankiert werden, dass
der unvermeidliche Personalabbau weiterhin sozialverträglich stattfindet.
Weitere 900 Millionen Euro entfallen auf die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung
der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Neben den Baransätzen für die
GA-Ost und -West hatte der Regierungsentwurf Verpflichtungsermächtigungen nur
noch für die GA-Ost in Höhe von 700 Millionen Euro vorgesehen. Da
eine Erhöhung dieses Volumens zulasten des übrigen Haushalts dieses Ressorts
oder zulasten des Gesamthaushalts ausschied, hat der Haushaltsausschuss
beschlossen, dass im nächsten Jahr bis zu 100 Millionen Euro für die
Jahre 2005 bis 2007 für die GA-West in Anspruch genommen werden können. Dafür
bleibt der Planungsausschuss verantwortlich, der für die Gemeinschaftsaufgabe
insgesamt eine Klammer zwischen Ost und West bildet. Wenn der Wille des
Haushaltsgesetzgebers erfüllt werden soll, sollte der Bund seine Stimmen für
eine strukturgerechte Verteilung der Mittel sowohl in Ost als auch in West
einsetzen. Es wäre gut, wenn der zuständige Unterausschuss des Ausschusses für
Wirtschaft und Arbeit diese Entwicklung weiterhin begleiten würde, gerade auch
im Hinblick auf die Zukunft der Strukturpolitik auf EU- und Länderebene.
(Zustimmung bei
Abgeordneten der SPD)
Nun zum weiteren Förderungskatalog in der
Reihenfolge der Titelgruppen, wobei die quantitativen Größenordnungen nichts
über die qualitative Bedeutung bzw. die Schwerpunktsetzung aussagen.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Nicht jede Titelgruppe vorlesen! - Zuruf des Abg. Dirk Niebel (FDP))
- Herr Austermann, leider kann man das draußen nicht hören.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Ich sagte: Nicht alle Titelgruppen vorlesen!)
Ich kann Ihnen nur entgegnen: Sie haben sich überhaupt nicht
beteiligt,
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Darum ist das Ergebnis auch entsprechend!)
deshalb sind Sie gar nicht fähig, über die
Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses zu berichten.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die Energieforschung
sind rund 131 Millionen Euro vorgesehen, mehr als im Jahre 2003. Für
Maßnahmen zur Förderung der rationellen und sparsamen Energieverwendung stehen
nach dem Übergang der Zuständigkeit für das Marktanreizprogramm und für das
100 000-Dächer-Programm auf das Bundesumweltministerium noch Mittel in
Höhe von 25,6 Millionen Euro zur Verfügung. Der Ansatz für die 2003
begonnene Exportinitiative für erneuerbare Energien wird gegenüber dem
Regierungsentwurf auf 18 Millionen Euro verstärkt.
Die Mittel für Forschung
und Entwicklung und für Innovation im
Mittelstandsbereich erhöhen sich auf 432 Millionen Euro, nicht
berücksichtigt ist dabei die Abwicklung der Altfälle aus dem Programm
Beteiligungskapital für kleine Technologieunternehmen. Die industrielle
Gemeinschaftsforschung, das Projekt Multimedia und das Programm
Netzwerkmanagement Ost werden auf hohem Niveau fortgeführt. Auf gleichem Niveau
wie im Vorjahr wird auch die Förderung der Leistungs- und
Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen fortgeführt; die
Beratung und Schulung von Existenzgründern wird sogar gegenüber 2003 verstärkt.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD)
Kleine und mittlere Unternehmen müssen sich besonders auf
die Rating-Anforderungen der Kreditinstitute aus dem Basel-II-Abkommen
einstellen.
Deshalb erwähne ich gerne auch, dass zum
Jahr 2004 das Gesamtkonzept der Mittelstandsförderung gestrafft wird; übrigens
nach konstruktiver Mitwirkung des Bundesrechnungshofes. Dazu gehören so
wichtige Elemente wie der Beteiligungskapitaldachfonds, die Kooperation
zwischen Wirtschaft und Forschung und die Förderung von Wachstumsträgern in
benachteiligten Regionen. Der finanzielle Kern der Mittelstandsförderung ist
inzwischen bei der Mittelstandsbank gebündelt worden. Die KfW berichtet darüber
in ihrem jüngst erschienenen dritten Quartalsbericht.
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Der Mittelstand wird doch von Ihnen geplündert!)
Es wird höchste Zeit, dass sich die privaten Banken wie die
öffentlichen Hände an der Lösung der Finanzkrise des Mittelstandes beteiligen.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD)
Ich kann jedenfalls für die Bundesregierung und die
Koalition sagen: Mittelstands- und Innovationsförderung sind keine
Lippenbekenntnisse, sondern Schwerpunkte unserer Politik.
(Beifall bei Abgeordneten
der SPD - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Der brennt ja hier ein rhetorisches
Feuerwerk ab! - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Das ist der Witz des Monats!)
Dem Mittelstand dient insbesondere die Außenwirtschaftsförderung, die im Regierungsentwurf von
121 Millionen Euro im Vorjahr auf knapp 170 Millionen Euro
aufgestockt wurde. Der Haushaltsausschuss hat daran festgehalten. Im
Vordergrund steht die Außenwirtschaftsoffensive der Bundesregierung mit der
neuen Invest in Germany GmbH, mit dem Auslandsmesseprogramm, dem Netz der
Auslandshandelskammern und dem Korrespondentennetz der Bundesagentur für
Außenwirtschaft. Die Rolle des Exports bei der
Stabilisierung und Belebung der Konjunktur kann gar nicht ernst genug genommen
werden; gerade das Engagement kleiner und mittlerer Unternehmen auf
Auslandsmärkten dient dem Standort Deutschland.
(Unruhe bei der
CDU/CSU)
Für die Bereiche Luftfahrtforschung
und -technologie stehen 2004 fast dieselben Mittel wie 2003 zur
Verfügung, nämlich rund 74 Millionen Euro. Zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Werften wird ein Innovationshilfeprogramm aufgelegt, das mit jeweils
15 Millionen Euro zwischen 2004 und 2007 ausgestattet wird. Mit dem
Programm sollen anstelle der klassischen Produktionshilfe anwendungsnahe
Innovationen der Branche gefördert werden. Um die Hereinnahme einer großen Zahl
von Aufträgen noch in diesem Jahr sicherzustellen, kann auf die Mittel der
Innovationshilfe zugegriffen werden; doch dies darf nicht die Umstrukturierung
der Werfthilfe gefährden.
(Zuruf von der
CDU/CSU: Aufhören!)
- Ich freue mich ja, dass Sie im Saal bleiben und nicht
rauslaufen.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Es fällt schwer!)
Offenbar interessiert Sie doch, worüber ich spreche.
(Lachen bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Schließlich berichte ich aus der
Bereinigungssitzung, dass die Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post im Laufe des kommenden Jahres neue
Zuständigkeiten, und zwar für die Bereiche Strom und Gas, erhalten soll. Dafür
werden 60 neue Stellen vorgesehen, allerdings werden 42 Stellen gesperrt,
von denen 15 aus Personalüberhängen aus anderen Bundesbehörden besetzt werden.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Was ist mit den anderen 39?)
Der Haushaltsausschuss wird sich über verbleibende
Fragen, die von der Aufstellung zum Vollzug hinüberreichen, informieren lassen.
(Dr. Guido
Westerwelle (FDP): Bitte gebt uns Müntefering!)
Er hat Berichtsaufträge von der
endgültigen Einigung zur Kohlehilfe über die Entscheidung des Planungsausschusses
für die Gemeinschaftsaufgabe „Regionale Wirtschaftsstruktur“ bis zum Fortgang
des Rechtsstreites über die Werfthilfe, der zwischen der EU und Südkorea
geführt wird, beschlossen. Anfang bis Mitte 2004 wird darüber zu berichten
sein.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Ein bisschen genauer!)
Weitere Einzelheiten des
Haushaltsentwurfes erspare ich Ihnen jetzt gerne; ich habe die Ergebnisse der
Bereinigungssitzung mitgeteilt.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
- Sie reden alle von Reparlamentarisierung, auch im
Zusammenhang mit der Föderalismuskommission, aber Sie leisten keinen Beitrag zu
einem vernünftigen Parlamentarismusverständnis,
(Weitere Zurufe von
der CDU/CSU)
wenn Sie sich hier nicht über die Ergebnisse der
Haushaltsberatungen berichten lassen wollen.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU:
Bravo!)
Mit den 14 Millionen Euro für
die kommunikative Begleitung und die Evaluation wirtschafts- und
arbeitsmarktpolitischer Vorhaben, die das Ressort neben den allgemeinen Mitteln
für Öffentlichkeitsarbeit auch im kommenden Jahr erhält, soll die Initiative „Teamarbeit für Deutschland“ fortgesetzt
werden. Gerade die Vernetzung von zentralen und dezentralen Anstrengungen auf
dem Arbeitsmarkt und auch die Aktivitäten für mehr Ausbildung erfordern solche
Teamarbeit. Der Haushaltsausschuss wird regelmäßig über die Effizienz und die
Wirkung dieser Netzwerkbildung informiert. Ich bitte Herrn Minister Clement und
sein Ministerium, diese Aktivität mit Elan fortzusetzen.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Elan vor allem!)
Sie hat viel Vertrauen bei den örtlichen Akteuren
geschaffen; das kann ich aus Bremen und aus anderen Regionen belegen.
(Weitere Zurufe von
der CDU/CSU)
Mit demselben Ansatz werden auch
unterstützende Aktionen zum Bürokratieabbau
fortgesetzt. Der Masterplan der Bundesregierung ist zu wesentlichen Teilen von
dem Ressort BMWA umzusetzen. Ich kann nicht erkennen, dass der Minister und
sein Haus ihre Grundlinie verlassen hätten, wie uns Teile der Presse und der
Opposition in letzter Zeit glauben machen wollen.
(Friedrich Merz
(CDU/CSU): Unglaublich!)
Die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der
Kollegen Bosbach und Röttgen widerlegt solche Behauptungen. Natürlich fällt der
Abbau überflüssiger Bürokratie schwer; zu Recht wird die Sorge geäußert, dass
der Saldo von Abbau alter und Aufbau neuer Bürokratie negativ bleiben könnte.
(Weitere Zurufe von
der CDU/CSU)
Deshalb hält die Koalition auch an dem
Vorhaben der Innovationsregionen fest. Auf der
Basis der Erfahrungen mit den drei Testregionen Ostwestfalen-Lippe, westliches
Mecklenburg-Vorpommern und Bremen soll 2004 ein bundesweites Auswahlverfahren
stattfinden. Ich hoffe, dass alle Teile dieses Hauses und auch der Bundesrat daran
interessiert bleiben, dafür die gesetzgeberischen Voraussetzungen zu schaffen.
Zur Innovationspolitik gehört auch das
Vorhaben zur Verbesserung der Materialeffizienz,
das zunächst mit einem Baransatz von 1 Million Euro und einer
Verpflichtungsermächtigung über 2 Millionen Euro ausgestattet wird.
Die Vergabe der Studie und die Implementierung dieses Ansatzes will und muss
der Haushaltsausschuss dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit überlassen. Wir
würden es begrüßen, wenn das Vorhaben von vornherein mit der Industrie
gemeinsam angegangen werden könnte.
(Unruhe bei der
CDU/CSU)
Ich muss noch auf das BTU-Programm
eingehen. Wie 2003 und 2002 ist Mehrbedarf gegenüber dem Ansatz offenbar
geworden. Ursache ist die Krise der Unternehmen des so genannten Neuen Marktes.
(Zuruf von der
CDU/CSU: Und das als Entgegnung auf Friedrich Merz!)
Doch die Ausfälle bei den Beteiligungen der Förderbanken,
die sich lange einer Schätzung entzogen hatten, haben sich unerwartet beruhigt.
Kürzlich ist ein Artikel in der „Zeit“ erschienen - ein Vorabdruck aus einem
neuen Buch mit dem Titel „Next Economy“ -, der den Hintergrund illustriert hat.
Wir müssen und können uns zur Lösung des Problems auf einen Vermerk
beschränken, der es erlaubt, die Ausgaben von bis zu 60 Millionen Euro
durch Einsparungen an anderer Stelle des Einzelplans zu decken. Ich hoffe, dass
dieser Rahmen nicht ausgeschöpft werden wird.
(Anhaltende Unruhe
bei der CDU/CSU - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Wir wollen Frau Pau hören!)
Diese Notlösung offenbart allerdings ein
Problem, das mehr politischer als rechtlicher Natur ist. Im Einzelplan des
Ministeriums ist eine globale Minderausgabe in Höhe
von 49,5 Millionen Euro vorgesehen,
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Waren das nicht Komma 6! - Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
die im Haushaltsvollzug erwirtschaftet werden muss.
65,7 Millionen Euro kommen als Ressortbeitrag zu der im
Einzelplan 60 veranschlagten globalen Minderausgabe von
1 Milliarde Euro hinzu, und der Ressortbeitrag zu der weiteren im Einzelplan 60
veranschlagten globalen Minderausgabe in Höhe von 600 Millionen Euro
ist noch offen.
Darum ein generelles Wort zum Verhältnis von Haushaltsaufstellung und Haushaltsvollzug:
Die Arbeitsmarktausgaben sind scharf kalkuliert und unausweichlich. Die
Arbeitsmarktreform dient, ebenso wie die Arbeitsrechtsreform, der Senkung der
so genannten Beschäftigungsschwelle in Zeiten geringen Wachstums und ist, wie
die Reform der anderen sozialen Sicherungssysteme, Voraussetzung für
wirtschaftliches Wachstum. Darum sind die Spielräume in diesem Bereich extrem
eng.
(Zurufe von der
CDU/CSU: Mehr Solidarität! - Klatscht doch mal!)
Auch bei der Linie der Steinkohlenhilfe
lassen sich nur schwer weitergehende Einsparungen ansetzen. Insgesamt wird sie
sich nach dem Kohlekompromiss zwischen 1998 und 2005 von 4,7 Milliarden
auf 2,7 Milliarden Euro reduziert haben, nach der Anschlussregelung
zwischen 2006 und 2012 von 2,6 Milliarden auf voraussichtlich
1,8 Milliarden Euro, alles in jährlichen Schritten.
Meine Damen und Herren, auch wenn der
Haushaltsausschuss die Verpflichtungsermächtigung für die Steinkohlenhilfe
gesperrt hat, weil wir uns bei der Kurzfristigkeit der Entscheidungen
vorbehalten mussten, noch Einzelfragen zu klären, will ich vor dem aktuellen
Hintergrund dieses Themas sagen: Diese Sperre ist keine Reißleine für den neuen
Kohlekompromiss.
(Dr. Peter Ramsauer
(CDU/CSU): Sondern?)
Ich sage im Übrigen zu der globalen
Minderausgabe auch deshalb noch einiges, weil das Vermittlungsverfahren, vor
allen Dingen über das Haushaltsbegleitgesetz, die Frage aufwirft, wo überhaupt
in diesem Haushalt noch Kürzungen vorzunehmen sind. Das Problem verschärft sich
dadurch, dass diese Aufgabe nicht mehr in die Phase der Haushaltsgesetzgebung
fällt, sondern der Exekutive und dem Haushaltsausschuss überlassen bleibt.
(Friedrich Merz
(CDU/CSU): Unglaublich!)
Es geht um Kürzungen von bis zu
235 Millionen Euro, wenn das BTU-Risiko in voller Höhe eintritt und
wenn von der restlichen globalen Minderausgabe prozentual genauso viel auf das
Ressort entfällt wie von der bereits ressortweise aufgeteilten Minderausgabe.
Nimmt man aus dem Plafond die bisher am
meisten diskutierten Ausgaben, nämlich für die Leistungen nach dem SGB III
und dem SGB II und für die übrigen Arbeitsmarktausgaben, die Ausgaben für
Steinkohlenhilfe, die Mittel für die regionale Wirtschaftsförderung und auch
die Werfthilfe, heraus, bleiben als Bemessungsgrundlage für die Erwirtschaftung
der zusätzlichen Einsparungen nur
1,5 Milliarden Euro. Davon müssen rund 15 Prozent
gekürzt werden. Wie viele Ausgaben bereits rechtlich gebunden sind, lässt die
Betrachtung dabei noch offen.
Dies wird eine schwere Aufgabe sein, und
ich biete, jedenfalls namens der Koalition - denn ich kann nicht erkennen, ob
die Opposition ihre Arbeitsverweigerung der letzten Wochen, die auch heute
besonders deutlich wird, fortsetzen will oder nicht -,
(Dr. Peter Ramsauer
(CDU/CSU): Das ist eine Redeverweigerung, was Sie hier machen!)
dem Minister und seiner Verwaltung für die Lösung dieser schwierigen
Aufgabe weiterhin eine gewissenhafte Zusammenarbeit an.
Ich erwarte allerdings auch, dass zusammen
mit dem Bundesfinanzministerium über den Subventionsbegriff
Klarheit geschaffen wird, nicht nur auf der Ausgaben-, sondern auch auf der
Einnahmenseite, und vor allen Dingen über eine Strategie, die nicht nur die
Staatsausgaben reduziert, sondern auch ihre Qualität verbessert.
Die beiden Fälle der Grundversorgung mit Steinkohle und des
Umbaus der Werftindustrie zeigen, dass Subventionsabbau kein Selbstzweck ist
und dass es vor allem darum geht, die Schwerpunkte von Finanzhilfen ebenso wie
von Steuervergünstigungen in zukunftsorientierte Bereiche zu verlagern. Auch
die Wirtschaftsförderung dient zentral wie dezentral, in den Ländern und Gemeinden,
dem Strukturwandel. Das müssen die Planken für die
Erwirtschaftung der Minderausgaben nicht zuletzt in diesem Ressort sein.
Wahrscheinlich müssen auch zusätzliche Bewirtschaftungsmaßnahmen über das Jahr
hinweg stattfinden. Ich wiederhole: Dabei kann kein Bereich tabu sein.
Die Auseinandersetzung um den Stabilitäts-
und Wachstumspakt hat jenseits aller politischen und fachlichen Differenzen
gelehrt: Auch 2005 wird eisern zu sparen sein; weitere Veränderungen in der
Haushaltsstruktur bleiben auch dem Einzelplan 09 nicht erspart.
Haushaltsvollzug und Haushaltsaufstellung werden deshalb auch in Zukunft viel
Arbeit machen.
Ich danke zum Schluss beiden Ressorts, dem
Ressort Wirtschaft und Arbeit sowie dem Ressort Finanzen, für die gute
Zusammenarbeit. Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen - besonders hebe ich
meine Kollegin Anja Hajduk hervor - für die Zusammenarbeit in der
Berichterstatterrunde.
Ich kann zum Trost sagen: Die
Zusammenarbeit mit der Opposition ist intern besser, als sie sich nach außen
darstellt. Ein Grund für den Politikverdruss im Lande ist, dass man Ihnen Ihre
Reaktionen in diesem Hause nicht mehr abnimmt. Man erwartet, dass die
Zusammenarbeit intern besser funktioniert, als sich gerade bei Ihren Kindereien
gezeigt hat.
Ich bitte um Zustimmung zum
Einzelplan 09.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Zugabe! -
Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Das war ein Feuerwerk!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Brüderle, FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP
- Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank! - Dirk Niebel (FDP): Weck uns auf,
Rainer!)
Rainer Brüderle (FDP):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute können wir in
den Zeitungen lesen: Ermahnung der OECD: Deutschland braucht mehr Reformen. Deutschland hängt zu einseitig vom Export ab.
Wir kommen nicht voran. Das muss doch
unser Thema sein. Lieber Herr Kollege Kröning, was ist das für ein
Politikverständnis, wenn man hier nur die Titelgruppen des Haushalts
buchhalterisch einsortiert? Wir müssen doch die Wirtschaftspolitik, die Sie
betreiben, politisch bewerten.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Wenn Sie Wirtschaftspolitik auf die Art und Weise betreiben,
wie Sie hier reden, dokumentieren Sie doch nur Ihr Desinteresse an der Lösung
der Probleme dieses Landes. Es als „Kinderei“ zu bezeichnen, dass wir eine
politische Bewertung durchführen wollen, ist falsch; denn dazu ist das
Parlament doch da. Ihre Rede führt dazu, dass draußen abgeschaltet wird.
(Jörg van Essen
(FDP): So ist es!)
Wir wollen aber, dass mehr Menschen anschalten, sich mit der
Politik beschäftigen, teilhaben und nicht vor der Politik weglaufen.
(Beifall bei der FDP
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der vorliegende Haushaltstorso
ist - wir haben das schon deutlich gesagt - nicht beratungsfähig. Er ist
verfassungswidrig und verstößt gegen internationale Vereinbarungen. Heute
können Sie in den Zeitungen lesen: Frankreich fordert einen neuen Stabilitäts-
und Wachstumspakt. Der italienische Finanzminister sagt: Der Pakt I ist am
Ende. Jetzt muss etwas ganz anderes kommen.
Sie haben mit Ihrem Vorgehen den Stabilitäts- und Wachstumspakt gekillt. Mein Freund Guido
Westerwelle hat gestern deutlich gesagt, dass wir die längste Wirtschaftskrise in der Nachkriegsgeschichte haben. Wir
haben die größte Pleitenzahl. Die Staatsschulden erreichen ständig neue
Rekordhöhen. Jetzt weiß ich auch, weshalb Sie sich im Verfassungsentwurf nicht
um klare Formulierungen hinsichtlich Preisstabilität und Wahrung der
Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank bemüht haben. Sie wollen das gar
nicht. Auf Ihre lockere, hedonistische Schuldenpolitik soll eine politisierte,
laxe Geldpolitik folgen. Wenn das so weitergeht, kann man nur sagen: Tschüss,
Euro.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Das Vertrauen in den Euro wird
damit kaputtgemacht.
Ihre Realitätsverweigerung wird hier sehr
deutlich. In Amerika gibt es ein Wachstum von
8,2 Prozent. Bei einer Steigerung des Wachstums um 1 oder 2 Zehntel
Prozentpunkte gibt es schon Hurrameldungen des Wirtschaftsministers: Die
Wirtschaft zieht an; es geht aufwärts. Aber diese Steigerung ist jenseits der
Messgenauigkeit. Auch der Ifo-Index spiegelt nur die Erwartungen wider. Sie
müssen sich erst noch erfüllen. Selbst wenn sie sich erfüllen würden, wäre das
höchst bescheiden.
Deutschland ist schlecht vorbereitet auf exogene Schocks.
Die sich abzeichnende kleine Erholung ist sozusagen von der Weltwirtschaft
geliehen. Sie ist nicht hausgemacht. Die hausgemachten Probleme sind nicht
gelöst. Das Kernproblem ist, dass das Potenzialwachstum, das den Wachstumspfad
der deutschen Wirtschaft charakterisiert, entschieden zu niedrig ist. Es hat
eine Größenordnung von 1 bis 1,5 Prozent. Damit kommen wir nicht aus den Arbeitsmarktproblemen heraus. Japan, das sich gerade
langsam erholt, lehrt, was die Folge ist, wenn man Strukturprobleme
- wenn es dort auch andere sind - nicht löst: Man wird eine lange Zeit miese
Wachstumsraten haben. Das ist „jobless growth“. Sie werden es im nächsten Jahr
wieder erleben: Dieses bisschen Wachstum wird am Arbeitsmarkt nichts
verbessern.
Sie müssen an die Kartelle herangehen. Das
Tarifkartell muss aufgebrochen werden. Der
Sachverständigenrat der Bundesregierung sagt es eindeutig: Die letzten fünf
Jahre hat das Kartell „den Verteilungsspielraum markant überzogen“.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Wenn Sie nicht mehr Flexibilität
am Arbeitsmarkt ermöglichen, geben Sie den Arbeitslosen, denen, die draußen
stehen, keine Chance. Sie sichern nur das Kartell ab. Das genügt nicht. Nur
wenn mehr Menschen in Arbeit sind, entsteht mehr Wachstum.
Deshalb brauchen wir die betrieblichen Bündnisse für Arbeit. Wir müssen
Einstellungshemmnisse wegräumen. Wenn die kleinen Betriebe jemanden einstellen,
haben sie Angst, sich von ihm nicht wieder trennen zu können, wenn Aufträge
ausbleiben. Deshalb muss der Vermittlungsausschuss, damit Deutschland
vorankommt, neben der Entlastung im steuerlichen Bereich auch hier Reformen
zustande bringen. Sonst wird wieder eine Chance vertan, sonst versündigen wir
uns geradezu an der Politik.
(Beifall bei der FDP
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nach dem Genossenparteitag in Bochum hat
sich der Zickzackkurs in der Wirtschaftspolitik noch verschlimmert. Ich kann
Ihnen nur empfehlen: Lassen Sie Karl Marx im Museum in Trier! Der
Wirtschaftspolitik fehlt die Linie. Sie hat keinen Charakter. Sie wird kein
Vertrauen schaffen. Auf dem Parteitag der SPD wurde den Linken Valium gegeben.
Die Dosis war offenbar falsch. Die Verlängerung der Steinkohlesubventionen, die
Ausbildungsplatzabgabe und wiederentdeckte Arbeiterlieder werden es nicht
bringen.
Kollege Müntefering sagt wörtlich: Der
liebe Gott ist mit uns. - Vorsicht! „Gott mit uns“ gab es schon einmal. Ich
habe dort nur den Erzengel Gabriel gesehen. Wenn ich Ihre Beschlüsse betrachte,
muss ich sagen: Der Teufel hat Sie geritten.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU - Franz Müntefering (SPD): Was wissen Sie denn vom Teufel?)
Herr Clement, Sie mussten erneut eine
herbe Heimniederlage einstecken. Beim Ökostrom hat Herr Trittin Sie eingedost.
Beim Kündigungsschutz waren es die Gewerkschaften und Ihre Fraktion. Die
Ausbildungsplatzabgabe kommt auf den Tisch. Wann ist eigentlich die Grenze
Ihrer Selbstachtung erreicht? Was sagen Sie Ihren Töchtern, wenn Sie ständig
als Tiger losspringen und als Bettvorleger landen? Was ist das für eine
Politik? Wo liegt die Grenze der Selbstachtung? Was machen Sie noch mit?
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist aber peinlich!
Lassen Sie die Töchter aus dem Spiel!)
Ich sage ganz offen und ehrlich: Sie haben
bei vielen Dingen richtig gelegen. Aber Sie haben nichts durchgesetzt.
Wahrscheinlich sind Sie in der falschen Partei.
(Hartmut Schauerte
(CDU/CSU):
Will die FDP ihn haben, Herr Brüderle?)
Die Ausbildungsplatzabgabe haben
Sie als Verstaatlichung der Berufsausbildung bezeichnet. Sie haben völlig
Recht. Nur haben Sie sie nicht verhindert. Frau Dückert spricht von einer
Strafsteuer. Diese grün-rote Lehrlingssteuer wird keine Ausbildungsplätze
bringen, sondern Ausbildungsplätze kosten. Sie ist ein völlig falscher Ansatz.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Auch die SPD-Wirtschaftsminister sehen es ähnlich. Herr
Schartau hat sich gleich zu Wort gemeldet. Auch er hält sie für falsch. Aber
die Experten haben bei dieser Anwandlung kollektiver Unvernunft offenbar keine
Chance.
Bei den Steinkohlesubventionen
wird die individuelle Unvernunft des Bundeskanzlers kollektiviert. Er hat der
Ruhrkohle nach Gutsherrenart 16 Milliarden Euro versprochen. Das ist ein
Stück aus dem Tollhaus. Wir diskutieren und ringen hier miteinander über
Subventionsabbau; gleichzeitig schustert der Bundeskanzler seinem früheren
Wirtschaftsminister, den er beim Deal mit Eon und Ruhrgas schön bei der
Ruhrkohle AG untergebracht hat, 16 Milliarden Euro zu. Was ist das für
eine Politik? Beim Parteitag kommen dann die Jubelperser mit Schildern: Danke,
Gerd! - Diese Schilder haben Sie mit 16 Milliarden Euro teuer bezahlt.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Hier hat die rote Kumpelwirtschaft wieder
einmal prächtig funktioniert. Holzmann lässt grüßen! Gleichzeitig kürzt die
Bundesregierung die Ausgaben für die Bildung. Wir brauchen mehr Kohle für
Bildung, nicht mehr Kohle für Kohle. Das ist eine völlig falsche Politik.
Die Grünen haben am Montag, großartig formuliert, der Presse
vorgetragen, dass „angesichts der fehlenden Mittel in den Bereichen Bildung,
Forschung und Innovationspolitik nicht zu rechtfertigen“ sei, einen
Steinkohlesockel zu finanzieren. Sie sind wie immer platt; Sie tragen es mit,
Sie nicken es ab, weil Sie in Ihren Sesseln bleiben wollen. Herr Kuhn, heute
machen wir aber den Ernsthaftigkeitstest. Wir wollen eine namentliche
Abstimmung über die Kohlesubventionen. So können Sie einmal zeigen, wo Sie
stehen.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Frau Sager, diese ökonomische Visionärin,
behauptete hier gestern, die FDP habe die Kohlesubventionen nicht gekürzt. Das
zeugt entweder von Unkenntnis oder ist eine glatte Lüge. Günter Rexrodt war es,
der damals die Steinkohlesubventionen gekürzt hat. Der frühere Kommandeur der
Putztruppe, Joseph Fischer,
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Ein guter Mann!)
und Oskar Lafontaine sind damals mit den Kumpels marschiert
und haben vor der FDP-Zentrale Randale gemacht. Sie haben sich damals für die
Steinkohlesubventionen eingesetzt. Frau Sager, was Sie hier vorführen, ist der
Gipfel der Scheinheiligkeit.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Die Grünen machen immer nur Symbolpolitik.
Manchmal wird eine Zeche stillgelegt oder Sie feiern zulasten der Steuerzahler
eine geschmacklose Party wegen der Stilllegung des Kernkraftwerks Stade. Eine
energiepolitische Konzeption liegt aber bis heute nicht auf dem Tisch.
(Dagmar Wöhrl
(CDU/CSU): Richtig!)
Es ist utopisch und gefährlich, allein auf erneuerbare Energien zu setzen. Für jede Kilowattstunde
Windenergie muss eine Kilowattstunde Atom- oder Kohlestrom vorgehalten werden.
Wenn wir das nicht selbst tun, geschieht das in Frankreich oder in Ländern in
Osteuropa. Das ist die Wahrheit.
Der Bundeskanzler schickt seinen
Lieblingsgewerkschafter Schmoldt vor, der wieder einmal anregen darf, ob man
über Kernenergie nicht neu nachdenken müsse. Ohne einen anderen Energiemix,
werden Sie die Exportabhängigkeit Deutschlands in der Energiepolitik auf Dauer
nicht beseitigen können. Mit den Milliardensubventionen für die Windkraft und
für die Kohle machen Sie lupenreine grüne und rote Klientelpolitik.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Angesichts dessen ist es regelrecht eine
Frechheit, uns bei der Handwerksordnung Klientelpolitik
vorzuwerfen.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Aber sicher! Wem denn sonst?)
Wir wollen keine müde Mark, keinen Euro für das Handwerk.
Wir wollen nur eine Reform, eine Chance für mittelständische Strukturen. Der
Grund für Ihr Vorgehen ist doch, dass Sie von nur wenigen Vertretern des
Handwerks gewählt werden. Sie wollen das deutsche Handwerk dafür abstrafen,
dass es nicht Grün-Rot wählt. Das ist die Absicht, die hinter Ihrem Handeln
steht.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU - Klaus Brandner (SPD): Die Apotheker auch!)
Wir wollen keine Unternehmenslandschaft,
die nur aus hoch subventionierten Ich-AGs und wenigen Großkonzernen besteht.
Wir wollen auch eine mittelständisch geprägte Wirtschaft.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Wir wollen, dass die Hunderttausende von Handwerksbetrieben
endlich von ihrer Unsicherheit befreit werden. Deshalb unterbreiten wir heute
einen Vorschlag, auf den wir uns alle einigen können.
Was die Beibehaltung des Meisterbriefs, der in Wahrheit der Doktortitel der
beruflichen Praxis ist, anlangt, wollen wir neben der unbestrittenen
Gefahrengeneigtheit noch ein zweites Segment hinzufügen. Nach der PISA-Studie
der OECD reden wir alle von der Notwendigkeit, auf hohem fachlichen Niveau
auszubilden und dieses Niveau zu sichern. Deshalb sollten wir die vorbildliche
Ausbildungsleistung des Handwerks - im Handwerk wird dreimal so viel
ausgebildet wie im Rest der deutschen Wirtschaft - auch anerkennen. Wir
schlagen deshalb ganz konkret vor: Ein Handwerkszweig, der mehr als 50 Prozent
der Gesamtwirtschaft ausbildet, soll diese fachlich hoch stehende Ausbildung
weiterhin durch den Meisterbrief legitimieren. Das wäre ein gutes Kriterium.
Wir entbinden damit 50 Prozent vom Meisterbrief als Ausbildungsvoraussetzung.
Gleichzeitig sichern wir aber das hohe fachliche Niveau. Wir erkennen
gesellschaftlich an, was auf diesem Gebiet geleistet wird. Dieses Konzept ist
eine tragfähige Brücke, über die alle gehen können. Ich hoffe sehr, dass Sie
bereit sind, im Vermittlungsausschuss diesen Weg zu gehen.
(Beifall bei der FDP
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
An die Adresse der Union sage ich, dass
ein weiteres Aufsatteln von Kriterien wie Verbraucher- oder Umweltschutzbelangen
kontraproduktiv ist. Wir setzen auf den mündigen Verbraucher und die
Rahmenregelungen. Es ist ein guter Weg, die Ausbildungsleistung des Handwerks
anzuerkennen.
Herr Schartau, in Nordrhein-Westfalen sind
die Genossen zu Hause offenbar vernünftiger - dort fordern sie exakt das
Gleiche -, als wenn sie in Berlin herumturnen. Bewegen Sie sich zugunsten einer
guten Lösung, damit wir auf diesem Gebiet endlich Klarheit schaffen können!
Daneben wollen wir vieles verändern. Wir
wollen das Inhaberprinzip abschaffen. Wir wollen eine Altgesellenregelung. Wenn
jemand sieben Jahre Berufspraxis hat und auf seinem Berufsweg die betriebliche
Qualifikation erlangt hat, quasi durch seinen Lebenslauf, sollte man ihm eine
Chance geben.
(Klaus Brandner (SPD):
Passen Sie gut auf!)
Wir wollen das öffnen. Wir schlagen vor, dass jemand, der
sich selbstständig machen will, auf das Meister-BAföG verzichten kann, um sich
eine Existenz aufzubauen. Gehen Sie diesen Weg. Wir haben nicht das Problem,
dass es zu wenig Meister gäbe. Es gibt 130 000 ausgebildete Meister, die nicht
in die Selbstständigkeit gehen, weil die Rahmenbedingungen dafür nicht stimmen.
Das sind die Probleme. Sie betreiben doch ein Ablenkungsmanöver von Ihrer
miesen Politik.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Sie schieben das Handwerk vor, prügeln darauf ein, weil Sie
nicht die Kraft haben, das Richtige zu entscheiden. Hier brauchen wir mehr
Bewegung.
Ich möchte mit einem Bild schließen. Die
Zeiten sind stürmisch. Wir befinden uns angesichts der gewaltigen Veränderungen
sozusagen mitten in einem Gezeitenwechsel, mitten in Stromschnellen. Aber Sie
mit dem Bundeskanzler an der Spitze der Regierung erwecken die Illusion, Sie
könnten mit Pfahlbauten ohne Fundament, grün-rot angestrichen, die Schwierigkeiten
meistern, also die Probleme lösen. Nein, wir brauchen eine feste Brücke mit
festen Fundamenten, die langfristig trägt, und kein Kartenhaus. Die
potemkinschen Dörfer, die Sie aufbauen werden bei einer Flut weggespült.
Damit das Ansehen deutscher Politik nicht
weiter schwindet, wird es höchste Zeit, dass wir tragfähige Lösungen finden.
Wir müssen vernünftige Vorhaben auf den Weg bringen. Nur so wird Politik
Akzeptanz finden und nicht, indem wir über die einzelnen Haushaltstitel
streiten, Herr Kröning. Denn das führt dazu, dass die Bürger abschalten. Wir
möchten aber, dass sie einschalten.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU - Volker Kröning (SPD): Das Parlament ist kein Kabarett!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegen Fritz Kuhn, Fraktion Bündnis
90/Die Grünen.
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Herr Merz, in Ihrer Rede gab es eine Stelle, die ich perfide fand.
(Zuruf von der SPD:
Eine?)
Darauf will ich am Anfang meiner Rede kurz eingehen.
Sie haben von diesem Platz aus in Bezug
auf das Problem der fehlenden Lehrstellen - versteckt hinter einem Leserbrief -
das allgemeine Vorurteil bedient, die Schuld hätten im Großen und Ganzen die
jungen Menschen, die nicht lesen und rechnen könnten. Das ist eine pauschale
Diskriminierung derjenigen jungen Menschen, die eine Lehrstelle suchen.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Widerspruch bei der CDU/CSU)
Sie haben gesagt, dass Sie nicht generalisieren wollen.
Dadurch, dass Sie diesen Leserbrief verlesen haben, haben Sie auf eine Art und
Weise generalisiert, die ich nicht akzeptieren kann.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Sie haben
nicht zugehört! - Gegenruf von der SPD: Doch!)
Wir müssen natürlich in unserem Bildungssystem etwas tun.
Sie haben aber nicht gesagt, was mit den Jugendlichen geschehen soll, die in
diesen Tagen noch keine Lehrstelle haben. Sie mahnen immer nur, so gehe es
nicht. Das ist Ihr Credo. Sie machen aber keinen präzisen Vorschlag, was
geschehen soll.
(Dagmar Wöhrl
(CDU/CSU): Stimmt doch überhaupt nicht! Lügen Sie doch nicht!)
Dabei gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder schafft die
Wirtschaft bis März nächsten Jahres die Lehrstellen, die noch fehlen, oder wir
werden eine klug ausgestaltete Abgabe einführen. Dabei schwebt uns eine
Stiftungslösung vor; das haben wir ja vorgeschlagen.
(Dagmar Wöhrl
(CDU/CSU): Lesen Sie die Anträge durch!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Kuhn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Schauerte?
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Ja, Herr Schauerte, bitte.
Hartmut Schauerte (CDU/CSU):
Herr Kollege Kuhn, Sie haben gerade gefordert, dass wir
Ihnen sagen sollen, wie man zusätzliche Lehrstellen schaffen kann. Es gibt
einen ganz zentralen Ansatz. Wir diskutieren ja, wie Sie wissen, über die
Reform der Handwerksordnung. Lassen Sie die Handwerker, die heute
überproportional ausbilden, im Anhang A zur Handwerksordnung. Schaffen Sie
einen solchen Anreiz, werden Sie eine hohe Ausbildungsbereitschaft vorfinden.
Wenn Sie sie aber alle aus dem Anhang A herausnehmen wollen - wie Sie das
vorhaben -, dann wird die Ausbildungsbereitschaft dramatisch abnehmen. Über
diese Sorgen müssen wir miteinander reden. Öffnen Sie sich einem solchen
modernen Ansatz!
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Lieber Herr Schauerte, wir haben uns über dieses Thema schon
einmal auseinander gesetzt. Ich glaube, dass Sie mit dem Versuch, den Sie
unternehmen, die notwendige Deregulierung beim Handwerk - die heutige
Handwerksordnung ist aus ökonomischer Sicht nichts anderes als eine
Zugangsbeschränkung zur Berufsausbildung - verhindern. Über alle vernünftigen Vorschläge
zur Ausbildung können und werden wir in der Arbeitsgruppe des
Vermittlungsausschusses reden. Das ist doch logisch. Aber machen Sie es nicht
so billig, mit der Methode der Ausweitung - Frau Merkel will auch noch den
Umweltschutz in die Verhandlungsmasse aufnehmen - die ganze Reform zu
verhindern. Das ist Ihr Ziel, wenn ich das richtig verstehe.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Wir müssen in der Debatte über folgende
einfache Frage reden: Wie kann man den Aufschwung, der sich abzeichnet, durch
unsere Politik in Deutschland und durch die Entscheidungen im
Vermittlungsausschuss verstärken? Was muss geschehen, damit dies geschieht? Die
„Financial Times“ hat gestern getitelt, Deutschland setze zum Aufschwung an.
Sie alle kennen die Parameter. Einen großen Teil verdanken wir dem Export.
Unsere Aufgabe ist es nun, alles zu tun, damit im Binnenmarkt Belebung
entsteht.
Deswegen fordere ich Sie von der Union
noch einmal ganz klar auf: Sie müssen dem Vorziehen der
Steuerreformstufe 2005 zustimmen, weil erstens der Konsum dadurch belebt
werden kann und weil es sich zweitens um die Steuerreform für die
Personengesellschaften handelt, die Sie seit langem angemahnt haben.
(Beifall bei
Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)
Sie haben beklagt, dass die körperschaftsteuerpflichtigen
Betriebe zuerst entlastet wurden. Stehen Sie jetzt, da es um die
Handwerksbetriebe und die kleinen und mittelständischen Betriebe geht, nicht
auf der Bremse!
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Frau Merkel, wenn Sie etwas für das
Weihnachtsgeschäft tun wollen, dann müssen Sie jetzt und nicht erst am 10.
Dezember 2003 oder sonst irgendwann ein Signal für das Vorziehen setzen. Gehen
Sie herunter von der Bremse und tun Sie hier das Notwendige für die Konjunktur!
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Wir sollen Ihren Unfug absegnen? - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Sie
als Weihnachtsmann!)
Herr Merz, wir müssen die Agenda 2010
konsequent umsetzen. Ich habe in Ihrer Rede kein konkretes Signal gehört. Sie
haben keinen der in der Union vorhandenen Widersprüche aufgelöst und keinen
konkreten Vorschlag in Richtung der Koalition gemacht. Ich kann Ihnen nur
sagen: Es ist kein Patriotismus, wenn man dem Aufschwung nicht hilft, sondern
auf der Bremse steht, wenn es um Aufschwung geht. Wir haben gestern ja eine
Debatte darüber geführt, was der richtige Patriotismus ist.
Der größte gemeinsame Nenner bei der Union
ist bisher doch nur Ihre Vereinigung bei der Suche nach der Antwort auf die
Frage, welche Vorschläge von Ihnen der SPD am meisten wehtun. Ihre konkrete
Linie nennen Sie aber nicht. Ich will Ihnen einige Beispiele dafür nennen.
Erstes Beispiel. Seit Monaten sagen Sie
ständig, die Gemeinden sollten entlastet werden. Sie stehen aber auf der Bremse,
wenn es darum geht, den Gemeinden mit einer kommunalen
Finanzreform jetzt zu helfen, damit sie 5 Milliarden Euro mehr erhalten;
das steht in der Diskussion. Hier stellt sich die Frage, ob Sie blockieren oder
mitmachen.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das schadet doch
mehr, als dass es nutzt!)
Zweites Beispiel. Sie kritisieren den
Haushalt 2004, der jetzt verabschiedet wird, und sagen, es werde zu wenig
gespart. Sie wollen noch 6 Milliarden Euro mehr sparen - siehe Europäische
Kommission -, machen aber keine konkreten Vorschläge, wie dies geschehen soll,
und lehnen alle Einsparungen und Subventionskürzungen der Regierung pauschal
ab. Soll das, was Sie hier betreiben, Politik sein oder ist das Verweigerung?
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Wer gewährt denn
neue Subventionen? Das ist doch gelogen!)
Herr Merz, Sie machen Vorschläge für Steuersenkungen und sind damit sehr populär. Sie
vergessen aber, dass die Vorschläge, die Sie in der Sozialpolitik - Stichwort:
Herzog-Kommission - etwa bei der Kopfpauschale machen, einfach nicht finanziert
werden können. Die Deckungslücken betragen 20 bis 30 Milliarden Euro. Das sind
wirklich sehr komfortable Vorschläge für Steuersenkungen. Wir können auch
welche machen, wenn Sie uns gestatten, mit solchen Deckungslücken zu operieren.
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Das haben Sie ja seit 1983 15 Jahre lang getan!)
Drittes Beispiel. Sie betreiben eine
gefährliche Politik im Rentenbereich. Dass es bei den Renten
im nächsten Jahr zu einer Nullrunde kommen wird, lehnen Sie ab.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Nullrunde? Sie sinken!)
Sie sagen der Bevölkerung aber nicht laut und deutlich dazu,
dass als Alternative die Rentenversicherungsbeiträge und die Lohnkosten steigen
würden und die Arbeitslosen somit noch weniger Chancen hätten, in der
Bundesrepublik Deutschland einen neuen Job zu bekommen. Das ist eine einfache
Politik: Sie sagen, was Sie ablehnen, aber nicht, was Sie stattdessen machen
würden. Ich kann Ihnen nur sagen: Mit einer solch unkonstruktiven Politik
können Sie keine Arbeitsplätze schaffen.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Sie kürzen die
Renten jedes Jahr! - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Sie haben die Wirtschaft
fünf Jahre lang ganz massiv in den Graben gefahren!)
Herr Merz, ich komme zur Zumutbarkeit der
Minijobs gemäß dem Hartz-Paket, die Sie kritisieren. Sie sagen ganz elegant,
was nicht geht, machen aber keinen konkreten Vorschlag dafür, wie man
verhindern kann, dass jemand, dem ein 400-Euro-Job zugemutet wird, 30 oder 35
Stunden pro Woche dafür arbeiten soll. Dies muss doch verhindert werden. Hier
liegt der Ursprung für die Änderungen, die wir durchgeführt haben. Sie wissen
es doch: Wenn wir es nicht verhindern können, dann wird es einen
flächendeckenden Niedriglohnsektor geben. Sagen
Sie, dass Sie das wollen. Herr Koch sagt mit seinem Modell, das er aus Amerika
abgekupfert hat, dass er das will.
Hier besteht eine politische Differenz.
Wir halten einen breiten Niedriglohnsektor für falsch. Wir wollen die Brücken
in die Erwerbsarbeit gangbarer machen. Deswegen haben wir die Möglichkeiten
dafür verstärkt, dass Menschen zusätzliche Mittel erhalten, wenn sie einen Job
aufnehmen. Hierhinter stecken unterschiedliche Philosophien.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dietrich Austermann (CDU/CSU):
Wir sitzen doch nicht im Kreistag! Was soll das Gerede hier!)
Sagen Sie den vielen Millionen Beschäftigten doch
wenigstens, dass Sie einen Niedriglohnsektor wollen, und sagen Sie dann auch
dazu, welche Auswirkungen dies auf die Löhne hätte. Dann kann man ganz konkret
darüber reden, was die bessere Alternative ist.
(Hartmut Schauerte (CDU/CSU):
Wollen Sie sie lieber in der Arbeitslosigkeit haben?)
Sie schlagen gemeinsam mit Herrn Koch vor,
dass die Gemeinden 1,5 Millionen Arbeitsplätze schaffen, in die die Bezieher des
Arbeitslosengeldes II zwangsweise vermittelt werden.
Die Gemeinden hingegen haben erklärt, dass sie dies weder
können noch wollen, weil diese Maßnahmen zulasten des Handwerks vor Ort gehen
würden. Das ist logisch und kann auch nicht anders sein. Sie operieren mit
einem Konzept, das niemand will, und verkaufen es noch als kommunalfreundlich.
Das ist Blindfliegerpolitik, liebe Frau Merkel, und hat nichts mit der Lösung
der konkreten Probleme in der Bundesrepublik Deutschland zu tun.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Sie müssen bis zum 10. Dezember konkreter
werden, Frau Merkel. Gestern haben Sie sich nicht klar geäußert. Sie haben
nicht gesagt, was Sie machen wollen. Sie haben allgemein über Patriotismus
philosophiert, aber keine konkreten Vorschläge gemacht.
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Sagen Sie doch lieber, was Sie machen!)
Wir müssen in Deutschland Folgendes
machen: Wir müssen im Sozialstaat mehr Flexibilität mit der Sicherheit, die die
Menschen brauchen, verbinden.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Das ist Blabla!)
Auf diese Suche begeben wir uns. Ich glaube, dass mit den
Hartz-Gesetzen gute Vorschläge auf dem Tisch liegen.
Wir müssen die Lohnnebenkosten
stabil halten bzw. weiter senken.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Weiter senken?)
Wer es angesichts größter Arbeitslosigkeit und der aktuellen
großen Wirtschaftskrise schafft, dass die Rentenversicherungsbeiträge nicht
steigen, der hat für den Aufschwung viel mehr als diejenigen getan, die immer
nur alles ablehnen. Das müssen Sie uns einmal nachmachen. Wenn Sie sich die
Geschichte der Lohnnebenkosten in Deutschland anschauen, werden Sie
feststellen, dass diese in Wirtschaftskrisen unter Ihrer Führung immer
gestiegen sind. Wir haben den ersten Schritt getan, damit mehr investiert wird.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Wo denn?)
Sie haben populistisch im Interesse der Rentnerinnen und
Rentner argumentiert, dass dies nicht möglich sei.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir reagieren auf die demographische
Entwicklung. Wir bauen die Bürokratie ab. In diesem Zusammenhang möchte ich
darauf verweisen: Bei der Handwerksordnung wird und muss etwas passieren; denn
man kann nicht von Entbürokratisierung in Deutschland reden und die
Handwerksordnung dabei außer Acht lassen. Das funktioniert nicht.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich will einige Punkte ansprechen, mit
denen ich noch nicht zufrieden bin.
(Dirk Niebel (FDP):
Steinkohle!)
- Das Thema Kohle können wir
sofort abhandeln. Dass wir bei diesem Thema anderer Meinung als unser
Koalitionspartner sind, ist offensichtlich.
(Dirk Niebel (FDP):
Aha!)
Wir schätzen die Notwendigkeit der Kohleversorgung in
Deutschland langfristig anders als unser Koalitionspartner ein. Durch die
Haushaltssperre bei den Verpflichtungsermächtigungen haben wir klar gemacht,
wohin die Reise geht. Hier sind bestimmte Fragen noch zu klären. Das werden wir
im Ausschuss zusammen beraten. Aber was wir nicht machen werden, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist,
(Carl-Ludwig Thiele
(FDP): Zustimmen!)
einem reinen Schauantrag, wie Sie ihn gestellt haben,
zuzustimmen.
(Lachen bei der FDP)
Sie können sich also der Ablehnung meiner Fraktion sicher
sein.
(Beifall bei
Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Mehr
CO2!)
Ich will vier Punkte nennen, bei denen wir
von der Regierung den Druck erhöhen müssen.
Präsident Wolfgang Thierse:
Kollege Kuhn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Thiele?
Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN):
Nein, das ist nicht nötig. Ich möchte jetzt meine
Ausführungen fortsetzen.
(Volker Kauder
(CDU/CSU): Ein ganzer Kerl! - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Feige! - Zurufe von
der FDP: Oh!)
Erster Punkt. Die Bildungsreform
in Deutschland geht auch aus wirtschaftlichen Gründen nach Auffassung
meiner Fraktion viel zu langsam voran. Wenn wir ernsthaft darüber reden, wie
man am Standort Deutschland mehr Qualität im Sinne von Innovationen schaffen
kann,
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Dann müssen die Grünen aus der Regierung!)
dann ist die Reform auf allen Stufen der Bildung, von der
Vorschule bis zur Weiterbildung, das A und O. Die ganzen Konsequenzen aus der
PISA-Studie dauern aus wirtschaftlichen Gründen - ich betrachte das Ganze nur
unter diesem Aspekt - vor dem Hintergrund von Bildungsplänen der
Kultusministerkonferenz viel zu lange.
Wer weiß, dass im Jahr 2010 die
geburtenstarken Jahrgänge nach und nach in Rente gehen werden, wer weiß,
welches Qualifikationsproblem wir dann in Deutschland haben werden, der muss wirklich
konsequent auf allen Ebenen der Bildung den Turbo einschalten, um
Qualifikation, Weiterbildung und die schulische Erstausbildung unserer Kinder
zu verbessern. Wirtschaftliche Entwicklung mit mittelfristiger Perspektive ist
nur möglich, wenn wir Bildungsreformen anpacken. Wenn wir sie nicht machen,
sondern die Probleme aussitzen, wird es ein böses Erwachen geben.
Zweiter Punkt. Wir brauchen ein klares Signal in der Finanz-
und Steuerpolitik. Ich bin froh, dass die Finanzpolitik kohärenter
wird. Unser Ziel ist, sie systematisch zu gestalten und die Bürger zu
entlasten. Dies ist auch hinsichtlich der Steuersätze eine wichtige Botschaft.
Wir diskutieren über denselben Punkt. Denn es zeichnet sich ein Konsens ab,
dass ein einfaches Steuersystem auch ein gerechteres Steuersystem ist. Das ist
doch eine richtige Erkenntnis, die wir in die Diskussion der nächsten Wochen
und Monate einbringen müssen.
In der Finanzpolitik wird auch klar, dass
wir eine antizyklische Konsolidierungspolitik betreiben müssen. Wenn die
wirtschaftliche Lage schlecht ist, muss man andere Beträge für die Tilgung der
Schulden aufbringen, als wenn sie besser ist. Die große Stunde der Wahrheit für
die Koalition und für Sie kommt dann, wenn die Wirtschaft wieder wächst. Dann
stellt sich die Frage, ob man bereit ist, Schulden in größerem Umfang zu tilgen
und den Haushalt zu konsolidieren, als es in einer Zeit möglich ist, in der
sich die Wirtschaft in der Talsohle befindet.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Der dritte Punkt. Die Entbürokratisierung geht uns zu langsam. Der Masterplan
des Wirtschaftsministeriums ist okay, aber an den Schnittstellen zwischen Bund,
Ländern und Gemeinden durch eine konkrete Aufgabenkritik klar zu machen, was
wir konsequent lassen können und wo sich der Staat zurückziehen kann, damit es
weniger Bürokratie gibt, ist eine Aufgabe, die mit mehr Druck und mehr
Konsequenz angegangen werden muss, als dies gegenwärtig der Fall ist. Ich sage
das ganz offen. Wir sagen nicht, dass alles immer prima sei. Die kleinen und
mittleren Betriebe, die bei uns neue Arbeitsplätze schaffen - da spielt in
wirtschaftlicher Hinsicht die Musik - leiden am meisten unter der Bürokratie,
weil sie Kosten verursacht, weil der Umgang mit ihr frustrierend ist und weil
sie die Entwicklung der Betriebe hemmt. Deswegen möchte ich dazu auffordern,
dass mehr in Richtung Bürokratieabbau geschieht.
(Dagmar Wöhrl
(CDU/CSU): Wer ist denn an der Regierung? - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Die
meisten leiden unter euch!)
Der vierte Punkt betrifft die Banken. Die heutige Krise der Finanzierung vor allem
kleinerer und mittlerer Betriebe ist zuvorderst eine Bankenkrise, weil die
Banken, anders als vor zwei oder drei Jahren, nicht mehr bereit oder in der
Lage sind, die Kredite zu geben, die notwendig sind, um das Eigenkapital zu
verstärken bzw. überhaupt einen Betrieb zu gründen. Deswegen sage ich ganz
deutlich: Es ist positiv, dass die Regierung über die KfW einen neuen Dachfonds
für innovative Finanzierung aufgelegt hat. Es ist aber auch notwendig, dass wir
den Kreditinstituten, in denen wir Einflussmöglichkeiten haben - hier sind
viele Kommunalpolitiker, die in Aufsichtsgremien der Sparkassen sitzen -,
sagen, dass sie die Bremse lösen und die Wirtschaft durch Kredite fördern
müssen. Herr Minister Clement, ich bin gespannt, welche Vorschläge Sie in den
nächsten Wochen und Monaten vorlegen, um die Finanzierungskrise des
Mittelstandes und der Kleinbetriebe zu mildern. Die Politik kann die Probleme
nicht alleine lösen, aber sie kann helfen und Programme auflegen, mit denen
diese Probleme insgesamt reduziert werden.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Ich komme zum Schluss. Ich habe einen
Appell an die Union. Sie haben zwei verschiedene Möglichkeiten. Sie können
darauf setzen, die Regierung in den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss
vorzuführen. Ich glaube nicht, dass Ihnen das gelingen wird. Oder Sie können im
merkelschen Sinne des Patriotismus alles dafür tun, dass der Aufschwung in
Deutschland verstärkt wird.
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Wir haben doch keinen Aufschwung!)
Das ist die Pflicht und die Aufgabe auch der Opposition.
Hören Sie dann aber auf, in jeder Rede, wie es Herr Merz vorhin getan hat, zu
sagen, in Deutschland sei alles Mist! Wenn man Sie, Herr Merz, im Fernsehen
hört, dann hat man den Eindruck, an diesem Standort könne man überhaupt nicht
mehr investieren.
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Nein, das gilt nur für die Regierung!)
Abgeordnete des Bundesparlaments sollten nicht so über
Deutschland reden, wie Sie es tun. Hören Sie auf, Herr Merz, die Arbeitslosen
in Geiselhaft für Ihre strategischen und taktischen Spielchen zu nehmen!
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Tragen Sie vielmehr dazu bei, dass der Aufschwung verstärkt
wird! Dann haben Sie Ihren Job gut gemacht.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Dürftig! Noch
schlechter, als ich gedacht habe!)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile das Wort Kollegin Dagmar Wöhrl,
CDU/CSU-Fraktion.
Dagmar Wöhrl (CDU/CSU):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer den Kollegen
Kuhn gehört hat, hat fast das Gefühl, Herr Kuhn ist nicht in der Regierung,
sondern in der Opposition.
(Rainer Brüderle
(FDP): Er will Außenminister werden!)
Herr Kuhn, wenn ich Ihre Aussagen höre,
dann kommen Sie mir vor wie der kleine Fritz, der die Wirtschaftspolitik
erklärt.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): So stellt er sie sich auch
vor!)
Sie gehören einer Regierung an, die par ordre du mufti erklärt
hat, Subventionen in Höhe von 16 Milliarden Euro zu gewähren. Das geschah
so nebenbei in einer Rede, und das noch für einen Sektor, der keine Zukunft
hat.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Damit haben Sie jede Glaubwürdigkeit verloren, überhaupt noch
über Subventionsabbau zu reden.
Noch nie war eine Reform der
Reformfähigkeit so notwendig wie jetzt. Noch nie wurden so viele negative
Botschaften über die deutsche Wirtschaftspolitik, die Sozialpolitik und über
die Finanzpolitik wie in den letzten Tagen, ja sogar in den letzten Stunden
verkündet.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Das stimmt doch gar nicht! Wo denn?)
Ich möchte mich mit nur zwei Themen
befassen: Stabilitätspakt und
Ausbildungsplatzabgabe. Wir, die Deutschen, waren doch diejenigen, die mit
Vehemenz und Kraft für diesen Pakt gekämpft haben. Er wird mittlerweile von
Ihnen mit Füßen getreten. Herr Eichel hat dieses Kernstück europäischer
Wirtschaftsverfassung mit dem Segen des Kanzlers Schröder zu Grabe getragen.
Ich warne davor, die Tragweite der
entsprechenden Brüsseler Beschlüsse zu unterschätzen. Ich habe manchmal das
Gefühl, dass vielen die Tragweite dieser Brüsseler Beschlüsse nicht kla
geworden ist. Dabei geht es nicht bloß um Finanzpolitik, sondern auch um eine
zentrale Grundlage der Wirtschaftspolitik. Wir brauchen ein stabiles
Preisniveau, um mehr Wachstum und mehr Beschäftigung zu erreichen. Momentan
sinkt die Zahl der Beschäftigten jeden Monat um 50 000. Das ist eine
Katastrophe.
Eine Währungsunion lebt von dem Vertrauen
darauf, dass sich die teilnehmenden Länder untereinander einigermaßen
vernünftig verhalten. Was wird daraus in der Zukunft? In Zukunft wird doch
jedes Land je nach Lust und Laune eine Verschuldungspolitik machen. Wen werden
in Zukunft noch Strukturreformen interessieren? Wir werden die Quittung für die
Fehler von heute nicht morgen, auch nicht übermorgen bekommen; aber wir werden
sie langfristig bekommen, nämlich in Form einer höheren Inflation und höherer
Zinsen.
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Leider wahr!)
Was passiert, wenn die Staatsdefizite
mehrerer Länder zukünftig aus dem Ruder geraten? Die EZB wird die Zinsen
erhöhen. Ich bin gespannt, ob dann der Kanzler auch bei der EZB Druck
hinsichtlich der Erhöhung der Zinsen ausüben wird. Die „FAZ“ hat zu Recht
gesagt:
Wo ein Stabilitätswille fehlt,
ist auf kurz oder lang die Unabhängigkeit der Notenbank in Gefahr.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Was bedeuten höhere Zinsen? Sie führen zu weniger
Investitionen. Weniger Investitionen führen wiederum zu weniger Arbeitsplätzen.
Das ist doch ein Teufelskreis.
Herr Clement, ich wundere mich darüber,
wie Sie sich in dieser Sache verhalten haben. Warum haben Sie hierbei nicht
interveniert? Sie haben beim Euro-Stabilitätspakt, also an einer
wirtschaftspolitisch wirklich zentralen Stelle, versagt, weil Sie nicht
aufgestanden sind und nicht gesagt haben: Hier werden langfristige
wirtschaftliche Chancen vertan; tut das nicht!
Bei der Ausbildungsplatzabgabe
konnten Sie sich ebenfalls nicht durchsetzen. Es ist genau das eingetreten, was
Herr Müntefering vorgegeben hat. Herr Müntefering, Sie haben gefordert: Weniger
für den privaten Konsum, mehr für den Staat. Ist das der richtige Kurs? Nein,
dieser Kurs ist falsch.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Sie vernichten mit dieser Maßnahme die Ausbildungschancen
sehr vieler junger Menschen.
Ich sage Ihnen aber auch: Die momentane
Lehrstellensituation ist zwar bedauerlich, aber die Situation an einer anderen
Stelle, am Arbeitsmarkt, ist viel schlimmer. Was nützt einem Jugendlichen eine
gute Ausbildung, wenn er danach keinen Arbeitsplatz findet? Momentan ist eine
halbe Million junger Menschen unter 25 Jahren in Deutschland arbeitslos. Davon
sind 300 000 gut ausgebildet. Trotzdem finden sie keinen Arbeitsplatz.
Deswegen brauchen wir in diesem Bereich eine Kurskorrektur.
Die erste Aufgabe muss sein, mehr
Vertrauen bei den Konsumenten und bei den Investoren zu gewinnen.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Die Investitionsausgaben sind im dritten Quartal dieses
Jahres so drastisch eingebrochen, wie es das letzte Mal in der Rezession 1993
der Fall war. Es stimmt, dass der Export zunimmt. Das ist auch gut so. Man darf
aber auch nicht vergessen, dass der Export nur ein Drittel unserer
Wirtschaftsleistung ausmacht. Er macht nicht die ganze Wirtschaftsleistung aus!
Deswegen gebe ich Ihnen nur den Rat: Lesen Sie die Ihnen vorliegenden Gutachten
vom Sachverständigenrat und von den Instituten! Dort können Sie lesen, was der
Grund für unsere Wirtschaftskrise ist: Ihre Politik, die Sie auch noch
Wirtschaftspolitik nennen. Sie ist eine reine Katastrophe und bringt uns immer
mehr zurück, anstatt uns nach vorne zu bringen.
Wir brauchen eine Trendwende. Denken Sie
an die Maxime von Ludwig Erhard: Die beste Sozialpolitik nützt nichts, wenn
sich nicht Wirtschafts- und Sozialordnung gegenseitig ergänzen. Sozialordnung,
Markt und Wirtschaft sind die Räder, die ineinander greifen müssen. Das ist bei
Ihrer Politik aber nicht der Fall; durch Sie blockieren sich die Räder
gegenseitig.
Die Schere zwischen Sozialleistungen
und Investitionen öffnet sich immer weiter. Anfang der 70er-Jahre floss
noch ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts jeweils in das soziale Netz und in
die Investitionen. Gegenwärtig beläuft sich die Investitionsquote auf unter
10 Prozent, während mehr als 32 Prozent der Wirtschaftsleistung für
den sozialen Bereich aufgebracht werden. Das ist ein Missverhältnis; die Schere
muss sich wieder schließen.
Unsere Sozialbeiträge steigen stetig an,
Herr Kuhn. Ein Ende des Anstiegs ist nicht in Sicht. Sie schaffen es nicht,
Reformen auf den Weg zu bringen, die eine Abkehr von dieser steigenden Tendenz
ermöglichen. Die sozialen Belastungen belaufen sich inzwischen auf mehr als
41 Prozent. Die Menschen haben immer weniger Geld in der Tasche.
Die Tatsache, dass die Schwarzarbeit um weitere 3,5 Prozent zugenommen hat
- sie beträgt inzwischen mehr als 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts -,
zeigt, dass zwar Arbeit vorhanden ist, aber nicht zu bezahlbaren Preisen. Das
sind Fakten, vor denen man nicht die Augen verschließen darf.
Der Mittelstand steht inzwischen mit dem
Rücken zur Wand und weiß nicht mehr, wie er über die Runden kommen soll. Den
Betrieben fehlen Aufträge. Die riesige Pleitewelle spricht für sich. Angesichts
der Tatsache, dass inzwischen ein Drittel der mittelständischen Unternehmen
keinen Gewinn mehr erwirtschaften, muss man sich wundern, woher sie die Kraft
nehmen, weiterzuarbeiten.
Aus der neusten Ausgabe der
„Wirtschaftswoche“ geht hervor, dass die KfW ihre Mittelstandsförderung
drastisch zurückfahren will;
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Hört! Hört!)
sie hat offenbar kein Eigenkapital mehr, weil Herr Eichel im
Rahmen von Platzhaltergeschäften durch den Verkauf von Aktien der Telekom und
der Deutschen Post mehr als 20 Milliarden Euro aus der KfW
herausgezogen hat. In diesem Zusammenhang frage ich Sie, Herr Clement: Wo
bleibt Ihr Aufschrei? In welcher Form intervenieren Sie dagegen?
(Beifall bei der
CDU/CSU - Zuruf von der SPD: Da habt ihr wieder nicht zugehört!)
Ich appelliere an Sie mit einem Zitat von
Lincoln, der die richtigen Worte gefunden hat:
Ihr werdet die Schwachen nicht
stärken, indem ihr die Starken schwächt. Ihr werdet Schwierigkeiten bekommen,
wenn ihr mehr ausgebt, als ihr verdient. Ihr werdet den Menschen nie auf Dauer
helfen, wenn ihr für sie tut, was sie selbst für sich tun könnten.
Hängen Sie sich dieses Zitat über Ihr Bett und schauen Sie
es sich morgens und abends an!
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Das entscheiden wir selber, was wir dort sehen wollen!)
Das ist die Richtschnur, nach der die Politik gestaltet
werden muss.
Was aber machen Sie? Auf Ihrem Parteitag
ist mit der Diskussion um die Erbschaftsteuer wieder das Neidfeuer eröffnet
worden, Trittin will zudem die Vermögensteuer
reanimieren. Sie vergessen immer wieder eines: Wie wird denn Vermögen
geschaffen? Vom Aufbau eines Vermögens profitieren viele. Wer Vermögen schafft,
zahlt Steuern. Ein Unternehmen leistet aber auch noch einen weiteren Beitrag:
Es schafft Arbeitsplätze. Dass Vermögen nur mithilfe eines bereits versteuerten
Einkommens aufgebaut werden kann, scheinen Sie auch immer wieder zu vergessen.
Sie versuchen, die Leistungsstarken ausbluten zu lassen und eine DDR de luxe zu
schaffen. Das ist aber keine Lösung.
Gerade für die Erbschaftsteuer
gilt: Wenn wir Substanz verteilen, dann verlieren wir alle. Wir wissen, wie es
um die mittelständischen Betriebe steht. Sie haben fast kein Eigenkapital mehr.
Die Eigenkapitaldecke ist viel zu dünn. Wenn eine Erbschaftsteuer nicht aus den
Erträgen aufgebracht werden kann, hat das weitere Betriebsaufgaben und einen
weiteren Rückgang der Zahl der Arbeitsplätze zur Folge.
Hier müssen wir andere Wege beschreiten.
Die Betriebsübergaben müssen endlich erleichtert werden.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Statt die Erbschaftsteuer zu erhöhen, müssen wir dazu übergehen,
die Erbschaftsteuer zu stunden, wenn ein Erbe die Firma seines Vaters oder
seiner Mutter übernimmt, und sie nach zehn Jahren vollständig zu erlassen. Denn
er hat in diesem Zeitraum mehr für die Volkswirtschaft getan, als wenn er
einmalig Erbschaftsteuer gezahlt hätte.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Es ist an der Zeit, dass die Belastungen
nach unten gehen, anstatt mit Neidsteuern unternehmerische Initiative im Keim
zu ersticken. Wir brauchen die unternehmerische Initiative; sie ist das
Fundament unserer Volkswirtschaft, auf dem Arbeits- und Ausbildungsplätze
geschaffen werden. Wir brauchen einen leistungsstarken Mittelstand. Wir
brauchen Investitionslust und Konsumlust, die sich aber nicht stärken lassen,
indem Sie den Bürgern immer tiefer in die Taschen greifen.
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Das haben die so im Griff! - Ludwig Stiegler (SPD): Schauen Sie doch
mal Ihre Steuer- und Abgabenlast an und vergleichen Sie sie mit heute! Kommen
Sie mal darauf zurück, wie es 1998 war!)
Meine Damen und Herren, vor vielen Jahren
hat die Union einen Wahlkampf mit dem Slogan „Freiheit oder Sozialismus“
geführt. Zu Beginn dieses Jahrhunderts stehen wir erneut vor dieser
Grundsatzentscheidung:
(Beifall bei der
CDU/CSU)
Wollen wir mehr Markt oder mehr Staat? Ich sage: Wir
brauchen mehr Markt. Wir sollten uns auf unsere soziale Marktwirtschaft
zurückbesinnen und neu starten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Präsident Wolfgang Thierse:
Ich erteile Bundesminister Wolfgang Clement das Wort.
(Beifall bei der SPD)
Wolfgang Clement, Bundesminister
für Wirtschaft und Arbeit:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, wir alle
wissen, dass wir diese Tage und Wochen bis zum Jahresende nutzen müssen, weil
sie eine große Bedeutung für die Zukunft unseres Landes haben. Wir müssen in
Deutschland beweisen, dass wir zu Reformen fähig sind. Wir werden dazu
Besitzstandswahrung und die Neigung zum Kirchtumsdenken überwinden müssen,
(Zustimmung bei der
FDP)
aber auch die Neigung zu Besserwisserei, Herr Kollege Merz.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dirk Niebel (FDP): Das ist wohl eine Rede an
die eigenen Leute?)
Davon, dass uns dies gelingt, hängt sehr viel ab.
Wir müssen ein Paket aus Strukturreformen,
Wachstumsimpulsen und Maßnahmen zur Haushaltssanierung schnüren und gemeinsam
schultern. Ich bin davon überzeugt, dass wir es schultern können. Ich bin aber
ebenso davon überzeugt, Frau Vorsitzende Merkel, dass es hier eine Pflicht zum Kompromiss gibt.
(Dr. Angela Merkel
(CDU/CSU): Nein!)
Diese Pflicht zum Kompromiss gibt es gerade jetzt. Sie
schließt ein, dass man sich aufeinander zubewegt.
(Hans Michelbach
(CDU/CSU): Nur mit Nachteilen?)
All das, was ich in den letzten Tagen und Stunden dazu
gehört habe, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um beispielsweise eine
Steuerreform durchzusetzen - einmal ist es der Arbeitsmarkt, dann ist es der
Kündigungsschutz, dann das Tarifvertragsrecht -, ist nicht geeignet, um zu
einem Kompromiss zu kommen.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wenn ich höre, Herr Kollege Merz, wie Sie und andere
Krokodilstränen über das Leid der Europäischen Kommission vergießen und noch
ein paar Sparmaßnahmen mehr für Deutschland fordern, wenn Sie gleichzeitig mehr
Gegenfinanzierung für das Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform fordern
und im selben Atemzug all das ablehnen, was von der Bundesregierung vorgelegt
worden ist, um Steuervergünstigungen, Subventionen und andere
Haushaltsbelastungen abzubauen, dann muss ich sagen: Was Sie machen, ist „Ball
paradox“.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Kohle!)
Vielleicht ist das alles durch den
bevorstehenden CDU-Parteitag und manche Diskussionen erklärbar, die es auch bei
Ihnen gibt.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Parteitag ist ein gutes Stichwort!)
Wenn wir aber zu Ergebnissen kommen wollen - wir müssen bis
zum 10. Dezember zu Ergebnissen kommen -, dürfen Sie die Möglichkeiten der
Regierung und der Koalition nicht unterschätzen. Wenn Sie mit uns zu
gemeinsamen Ergebnissen kommen wollen - das ist im Interesse unseres Landes -,
dann müssen Sie erkennen, dass Sie mit solchen Diskussionsbeiträgen nicht
durchkommen können.
(Hans-Joachim Fuchtel
(CDU/CSU): Aha! Das sind Kompromisse?)
Wie ist die Lage in Deutschland?
Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist im dritten Quartal dieses Jahres
wieder leicht um 0,2 Prozent angestiegen. Dies ist vor allen Dingen auf
eine deutliche Erhöhung der Exportüberschüsse um 1,8 Prozent
zurückzuführen. Die deutschen Exporte sind mit plus 3,2 Prozent gegenüber
dem zweiten Quartal geradezu sprunghaft angestiegen. Es spricht jetzt einiges
dafür, dass wir die Trendwende schaffen können und dass sich der
Erholungsprozess der deutschen Volkswirtschaft im letzten Quartal dieses Jahres
fortsetzen kann, um dann in eine wirtschaftliche Belebung überzugehen. Die
Chancen dafür stehen nicht schlecht. Das Geschäftsklima verbessert sich seit
einem halben Jahr Monat für Monat. Die Lagebeurteilung hat sich deutlich
verbessert. Der Auftragseingang der Industrie weist einen deutlichen
Aufwärtstrend auf.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Das hören wir schon seit drei Jahren!)
Wir dürfen uns aber nicht täuschen. Die
Daten des Statistischen Bundesamtes zeigen, dass das Bruttoinlandsprodukt im
ersten und zweiten Quartal rückläufig war. Entgegen den ersten Zahlen und
Erwartungen gab es im dritten Quartal keine Verbesserungen beim privaten Konsum
und bei den Investitionen. Im Gegenteil: Sowohl Konsum als auch Investitionen
sind noch rückläufig. Das gilt insbesondere für die Ausrüstungsinvestitionen.
Eine weitere Feststellung: Die Defizitausweitung in den letzten drei Jahren war nicht
etwa die Folge fehlender Konsolidierungsmaßnahmen, Herr Kollege Merz. Vielmehr
ist für jeden, der genau hinschaut, erkennbar, dass die Mindereinnahmen und die
Mehrausgaben auf die weltweit schwache Konjunktur zurückzuführen sind. An Ihre
Adresse, Frau Wöhrl, die Sie starke Worte gebraucht haben, sage ich deshalb
deutlich: Durch die Maßnahmen zur Defizitbekämpfung, die die Europäische
Kommission vorgeschlagen hat, wären eindeutig die kurzfristigen
gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge in der Europäischen Union, insbesondere in
Deutschland, vernachlässigt worden.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diese Maßnahmen - es sind nicht wenige, die das bestätigen -
würden, wenn sie umgesetzt worden wären, in sehr starkem Maße prozyklisch
wirken. Die Phase der schwachen Binnennachfrage wäre also noch verlängert
worden und die wirtschaftliche Erholung wäre noch mehr erschwert worden.
Deshalb ist das Konzept, das die Bundesregierung verfolgt und das der
Bundesfinanzminister in Brüssel vertreten hat, aus unserer Sicht absolut
richtig. Wir wollen die dritte Stufe der Steuerreform - um das ganz klar zu
sagen - bei nur teilweiser Gegenfinanzierung vorziehen. Eine Gegenfinanzierung
von 75 Prozent wäre falsch; denn das brächte nicht den erforderlichen
Wachstumsimpuls, den wir benötigen. Richtig ist stattdessen, auf den
Subventionsabbau zu setzen und so zu einer zeitversetzten, mittelfristigen
Gegenfinanzierung zu kommen und gleichzeitig die Agenda 2010 durchzusetzen.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Merz und Herr Kollege
Brüderle, wenn Sie sich die wirtschaftlichen Bewertungen des Internationalen
Währungsfonds sowie der Sachverständigen - von Washington über Paris, Brüssel
bis Berlin - anschauen, dann stellen Sie fest, dass alle die Richtigkeit
unseres Konzeptes bestätigen. Uns werden ständig andere Länder als Vorbild
vorgehalten. Schauen Sie sich doch die USA an!
Tatsächlich hängen die weltweite Erholung und damit auch unser wirtschaftlicher
Aufschwung in sehr starkem Maße von dem Erfolg der USA ab. Aber worauf ist die
gegenwärtige Erholung der amerikanischen Wirtschaft zurückzuführen? Es gab eine
13-malige Zinssenkung auf 1 Prozentpunkt, massive Steuerentlastungen und
Ausgabenausweitungen, was zu dem höchsten Defizit in den USA seit Jahren
geführt hat. Dies erinnert an die Situation von 1992/93. Damals hat das
Staatsdefizit in den USA 5,9 Prozent betragen. Wenn man auch nur eine
annähernd erfolgreiche Politik wie die USA machen will, dann muss man jetzt die
Steuern massiv senken, Herr Kollege Brüderle - ich erwarte, dass uns
insbesondere Ihre Fraktion dabei unterstützt -, und zwar ohne komplette
Gegenfinanzierung.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Merkel, Sie haben einmal behauptet,
dass die Politik der Regierung nichts anderes bedeute, als Geld von der linken
Tasche in die rechte Tasche zu stecken. Aber Ihre Empfehlung - auch Herr Merz
hat das in seiner heutigen Rede vorgeschlagen -, das Vorziehen
der dritten Stufe der Steuerreform müsse beinahe komplett
gegenfinanziert werden, bedeutet nichts anderes und bringt nichts für die
Konjunktur. Für ihre Erholung müssen wir die dritte Stufe der Steuerreform
vorziehen!
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schauen Sie sich an, was die Institute,
der Sachverständigenrat, die Europäische Kommission und der IWF sagen! Verlauf
und Stärke der wirtschaftlichen Erholung in Deutschland werden davon
beeinflusst, wie konsequent wir die Reformmaßnahmen umsetzen und insbesondere
ob und, wenn ja, wie wir die dritte Stufe der Steuerreform vorziehen. Darauf
können wir jetzt nicht verzichten. Das Vorziehen der letzten Stufe der
Steuerreform stärkt sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite. Herr
Kollege Merz, lesen Sie einmal nach, was das ZEW gesagt hat. Es sagt voraus -
Sie verweisen doch immer gerne auf die Unternehmen -: Die dritte Stufe der
Steuerreform reduziert die Steuerbelastung der Unternehmen bei der
Beschäftigung von hoch qualifizierten Arbeitskräften um 5 Prozent der
durchschnittlichen Steuer- und Abgabenbelastungen und verbessert selbstverständlich
die Standortbedingungen der Unternehmen in Deutschland. Das ist jetzt
erforderlich: Wir müssen das Vertrauen stabilisieren.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Merz, Sie waren ja so freundlich, auf einige
Dinge hinzuweisen, die ich in letzter Zeit getan habe. Ich möchte darauf
eingehen, um das einmal im Zusammenhang darzustellen. Wir haben eine Vielzahl
von Strukturreformen auf den Weg gebracht. Dazu gehören selbstverständlich die
Steuerreform sowie die grundlegenden Reformen betreffend die
Krankenversicherung und die Rentenversicherung, die Sie nur teilweise - zu mehr
konnten Sie sich nicht durchringen - unterstützen. Wir haben Arbeitsmarktreformen auf den Weg gebracht, Stichwort:
Leih- und Zeitarbeit. Herr Kollege Merz, wollen Sie die Auseinandersetzung
zwischen DGB und christlichen Gewerkschaften ernsthaft zum Knackpunkt der
Diskussion über Leih- und Zeitarbeit in Deutschland machen? Was Sie da
betreiben, ist doch lachhaft.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich empfehle Ihnen, sich einmal mit den
Vertretern der Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland zu unterhalten. Sie werden
Ihnen etwas anderes sagen als das, was Sie hören wollen. Man hat sich in diesen
Unternehmen auf die rechtliche Situation, die wir geschaffen haben, längst
eingestellt. Lassen Sie uns über die neuen Beschäftigungsmöglichkeiten reden
und nicht über den Kleinkram, den Sie erwähnt haben! Über 200 000 Arbeitslose
haben in diesem Jahr den Weg in die Selbstständigkeit riskiert, indem sie eine
Ich-AG gegründet oder das Brückengeld in Anspruch genommen haben. In
Sonntagsreden sind Sie allesamt für diesen Weg.
(Zuruf des Abg. Ernst
Hinsken (CDU/CSU))
- Herr Hinsken, Sie wollen ausschließlich für das Handwerk
tätig sein. Das verstehe ich. Ich werde Ihnen dazu gleich noch etwas sagen.
Wer den unternehmerischen Geist in
Deutschland wirklich fördern will, der muss dankbar sein, dass es Menschen
gibt, die den Mut haben, sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig zu
machen.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Hinsken, ich werde über die Reform des
Handwerkrechts gleich noch reden.
Wir haben der Schwäche des Kreditmarkts
entgegengewirkt, indem wir die Gründung der KfW-Mittelstandsbank auf den Weg
gebracht haben. Außerdem haben wir einiges getan, um den Bürokratieabbau
voranzubringen. Herr Kollege Kuhn, ich bin für jeden geeigneten
konkreten Vorschlag zum weiteren Bürokratieabbau - nicht für pauschale Reden;
die kenne ich zur Genüge - dankbar. Wir sitzen an der Reform der
Arbeitsstättenverordnung und wir haben die Verpflichtungen der Unternehmen zur
Erstellung von Statistiken verringert. Die bürokratischen Regelungen im Bereich
der Ausbildung haben wir schon vereinfacht. Ich erinnere auch an das, was wir
beim Kleinunternehmerförderungsgesetz getan haben.
Wir haben die Weiterentwicklung der Netze
Telekommunikation, Strom und Gas teilweise auf den Weg gebracht. Diese
Veränderungen sind voll im Gang. Wir haben neue Strukturen der
Energiewirtschaft entwickelt. Wir werden diesen Prozess fortsetzen.
Herr Kollege Merz, ich habe Sie extra ins
Wirtschaftsministerium eingeladen. Ich habe gedacht, Sie hätten dort ein
bisschen gelernt. Heute haben Sie alles ignoriert, was Sie von mir dort
erfahren haben.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Verbuchen Sie das unter „Arroganz“; das ist in Ordnung.
Vollziehen Sie einmal sämtliche dringend
notwendigen Reformen in Deutschland, die wir zuwege gebracht haben, nach! Wenn
Sie das tun, dann können Sie nicht bestreiten, dass wir das, was notwendig ist,
um die Wachstumsdynamik in Deutschland zu stärken
und die Beschäftigungsintensität zu erhöhen, ein
Stück weit vorangebracht haben.
Ich habe nie verkündet, dass es
irgendwelche Patentrezepte gibt, um den Arbeitsmarkt in Ordnung zu bringen. Sie
werden mich nicht los. Sie müssen sich darauf verlassen, dass ich den Prozess
der Arbeitsmarktreform mit aller Energie fortsetzen werde.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will die Diskussionen, die im
Vermittlungsausschuss und in den einschlägigen Arbeitsgruppen geführt werden,
hier nicht aufgreifen. Sie haben auf all das verwiesen, was Sie tun wollen, um
die Bundesanstalt für Arbeit von bestimmten
Aufgaben zu entlasten und um den Kommunen diese Aufgaben - sie wollen diese
Aufgaben, zum Beispiel die Verantwortung für alle Langzeitarbeitslosen, gar
nicht haben, weil sie zu deren Bewältigung gar nicht in der Lage sind - zu
übertragen. Das, was Sie vorhaben, finde ich nicht besonders hilfreich. Ich
hoffe noch, dass wir in diesem Bereich zu Ergebnissen kommen können.
Bei dieser Gelegenheit sage ich eines ganz
deutlich: Die Kritik, die es an der Bundesanstalt für Arbeit gibt - -
(Volker Kauder
(CDU/CSU): Ist berechtigt!)
- Herr Kauder, an der Entstehung und an der Entwicklung der
Bundesanstalt für Arbeit waren die CDU, die CSU, die FDP und die SPD maßgeblich
beteiligt. Für die Arbeitsweise dieser gigantischen Bürokratie tragen in erster
Linie nicht diejenigen die Verantwortung, die dort tätig sind, sondern der
Gesetzgeber und diejenigen, die politisch verantwortlich sind.
(Volker Kauder
(CDU/CSU): Wir haben das Büro nicht umgebaut! Wir haben die Spesen nicht
erhöht!)
Ich empfehle, diese etwas oberflächliche und selbstgefällige
Kritik zurückzunehmen.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Um es hier und heute klar zu sagen: Das
gilt auch für den Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit. Das, was man in dieser
gewaltigen Einrichtung - es handelt sich um eine Bürokratie, die sich über
Jahrzehnte entwickelt hat - nach wenigen Monaten zuwege gebracht hat, um die
Arbeitsweise und die Arbeitsmethodik des Hauses umzustellen - man hat versucht,
von Administration und von der Finanzierung von Arbeitslosigkeit wegzukommen
und die Vermittlung in Arbeit zu verbessern -, finde ich gut. Dieser Weg wird
fortgesetzt.
Ich werde mich demjenigen mit aller Kraft
entgegenstellen, der glaubt, die Arbeit dieser Einrichtung aufgrund
möglicherweise begangener einzelner Fehler insgesamt diskreditieren zu können.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Diejenigen, die den Job übernommen haben, diese Einrichtung
zu reformieren, haben eine verdammt schwere Aufgabe. Der Kanzler hat völlig
Recht: Das ist die härteste Baustelle, die es in Deutschland zurzeit gibt. Ich
bin denjenigen, die diesen Job machen, dankbar. Ich empfehle uns im Interesse
des großen Ganzen, das, was in der Bundesanstalt für Arbeit geschieht, um ihre
etwa 100 000 Beschäftigten auf das neue Ziel - Arbeitslose in Arbeit zu
vermitteln - hin auszurichten, nicht zu zerreden. Das gelingt sehr viel besser,
als es in manchen Diskussionsbeiträgen und übrigens auch in manchen öffentlichen
Bewertungen zu hören ist.
Wir müssen doch sehen, was in der
Kommunikation alles notwendig ist. Wir alle feiern die Unternehmen, die mit Marketingmaßnahmen im Markt Erfolg haben, aber wenn eine
solche Bundesanstalt endlich das Image, den Makel von ein paar Jahrzehnten
abschütteln soll und ein neues Bild entwickeln muss,
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Die soll besser arbeiten, nicht neue Bilder malen!)
Vermittlungsarbeit leisten muss und dafür Geld einsetzt,
dann wird das in Bausch und Bogen verurteilt. Das ist doch lachhaft. Was dort
stattfindet, hat mit sachlicher Kritik nichts mehr zu tun.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Geldverschwendung! - Volker Kauder (CDU/CSU): Bleiben Sie ganz ruhig, Herr
Clement!)
Wir werden noch weiter über das zu
diskutieren haben, was im Bereich des Arbeitsrechts und des Tarifvertragsrechts geschehen soll. Das gehört mit in das
Vermittlungsverfahren.
(Volker Kauder
(CDU/CSU): Ganz ruhig!)
Wir werden das noch im Einzelnen erörtern. Wir werden uns
dabei, so hoffe ich, auch bewegen.
Der Wissenschaftliche Beirat meines
Ministeriums wird sich heute in seiner eigenen Zuständigkeit für
Öffnungsklauseln in Tarifverträgen aussprechen. In der Veröffentlichung wird es
heißen: in unbedingter Form und von Gesetzes wegen. Ich will gleich sagen, dass
ich mir das nicht zu Eigen mache. Ich fürchte nämlich, dass dies das Ende von
Flächentarifverträgen und auf längere Sicht auch das Ende der Tarifautonomie
wäre. Solche Ansätze kann man entwickeln, aber man muss sie zu dem in Beziehung
setzen, was in unserer Volkswirtschaft bisher geschehen ist, und das war, wenn
ich das Ganze nehme, außerordentlich erfolgreich.
Unbestritten ist, dass das System der Tarifautonomie unter hohem Anpassungsdruck steht,
ökonomisch, aber auch im Hinblick auf die Sicherung der Akzeptanz der
Unternehmen und Arbeitnehmer. Unbestritten ist auch, dass sich die
Tarifautonomie weiterentwickeln muss, dass wir Raum für Flexibilität und
Differenzierung brauchen und dass sich die Verbände auf beiden Seiten stärker
zu Serviceeinrichtungen entwickeln müssen.
Ich setze aber darauf - da bin ich
offensichtlich anderer Meinung als manche, nicht alle, von Ihnen -, dass die
Tarifparteien die Zeichen der Zeit erkennen und selbst einer vernünftigen
Weiterentwicklung der Tarifautonomie den Weg bahnen werden. Ich möchte gern,
dass wir diesem Weg den Vorzug geben. Hier sind die Verbände auf beiden Seiten
gefordert, sich zu bewegen.
Herr Kollege Merz, Sie haben dieses Beispiel
eines einzelnen Unternehmens aus Baden-Württemberg genannt. Ich kann Ihnen
Hunderte von Unternehmen nennen,
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Wo das genauso ist!)
übrigens auch im Bereich der Metallindustrie, in denen
solche betrieblichen Vereinbarungen zum Wohl der
Unternehmen zustande gekommen sind. Im Tarifbereich gibt es - wie Sie wissen -
auf beiden Seiten Bewegung, die sehr viel weiter geht, als man gemeinhin
annimmt. Sie wissen auch, dass es auf beiden Seiten sehr vernünftige
Persönlichkeiten gibt, die den Flächentarifvertrag außerordentlich hoch achten
und wenig von gesetzlichen Eingriffen halten, solche Eingriffe allenfalls als
die allerletzte Möglichkeit betrachten.
Der Vorschlag, der vonseiten der CDU/CSU
und der FDP eingebracht worden ist, ist aus meiner Sicht - das habe ich schon
mehrfach gesagt - verfassungsrechtlich nicht haltbar. Er ist aus meiner Sicht
verfassungswidrig.
(Beifall bei der SPD
sowie der Abg. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Volker Kauder (CDU/CSU):
Es gibt auch andere Meinungen!)
Deshalb glaube ich nicht, dass Sie damit Erfolg haben
können. Herr Kollege Merz, wenn ich das richtig verfolgt habe, haben Sie selbst
schon Kritik aufgenommen, beispielsweise die, die vom früheren Präsidenten des
Bundesarbeitsgerichts geäußert worden ist. Ich empfehle, dass wir von den
Schlagworten wegkommen, uns der Realität zuwenden und vor allem den Verbänden,
den Tarifparteien den Vortritt lassen, wenn es um eine Lösung für die
notwendige Flexibilität am Arbeitsmarkt geht.
Es geht natürlich auch um harte
Einschnitte in traditionelle Besitzstände. Das gilt nicht zuletzt für mein
Ministerium. Das gilt übrigens auch - das will ich an dieser Stelle sehr
deutlich sagen - bei der Steinkohle.
(Dirk Niebel (FDP):
16 Milliarden!)
Ich will dazu ein paar Bemerkungen machen, auch an Ihre
Adresse, Herr Kollege Kuhn.
Wir führen die Subventionen
selbstverständlich weiter zurück. Wir tun das allerdings nicht mit der
Brechstange, sondern in sozialverträglichen Schritten. Um es klar zu sagen: Was
vorgelegt worden ist und was Gegenstand der Haushaltsberatungen ist, ist ein
sehr überlegter Weg zum Rückbau der Steinkohleförderung - in einer noch so eben
sozialverträglichen Form; wir bewegen uns hart am Rande betriebsbedingter
Kündigungen -, der es gleichzeitig erlaubt, sämtliche erforderlichen
ökologischen Rücksichten zu nehmen. Ich sage das sehr bewusst vor dem
Hintergrund von Diskussionen über einzelne Schachtanlagen, beispielsweise in
Nordrhein-Westfalen, und die ökologischen Fragestellungen, die damit verbunden
sind. Mit dem Weg, den wir vorgeschlagen haben und im Haushalt vorsehen,
schaffen wir meines Erachtens die Voraussetzungen, um sowohl die sozialen
Aspekte als auch die ökologischen Aspekte als auch die energiepolitischen
Zielsetzungen, das heißt die Fragen der Energieversorgungssicherheit und der
Technologieführerschaft im Bergbau und bei der Kohlenutzung, berücksichtigen zu
können.
Ich wünschte mir manchmal, dass bei
manchen Diskussionen über neue Kraftwerke oder die Entwicklung von Kraftwerkparks
- wir werden ja ein Drittel der Kraftwerkskapazität innerhalb der nächsten gut
15 Jahre ersetzen müssen - all diejenigen, die sich über die Kohle
auslassen, dabei wären und hören könnten, was es bedeutet, wenn wir heimische
Kohle ersetzten. Ich werde Sie, Herr Kollege Brüderle, nicht davon abbringen,
immer wieder etwas über die Kohle zu sagen. Selbst wenn Sie regierten und den
Beschluss fassten, alle Schachtanlagen stillzulegen, wäre es aber illusorisch
zu glauben, Sie könnten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die öffentlichen
Subventionen streichen. Insofern erwecken Sie
ununterbrochen einen falschen Eindruck. Auch durch Stilllegungen werden massive
Kosten erzeugt. Weit über das Jahr 2012 hinaus werden wir noch auf Jahrzehnte
0,5 Milliarden investieren müssen, um die geologischen Folgen des Bergbaus
und auch die sozialen Anpassungsmaßnahmen zu finanzieren. Dazu haben wir uns ja
rechtlich verpflichtet.
(Zuruf des Abg. Kurt
J. Rossmanith (CDU/CSU))
- Es tut mir Leid, Herr Kollege, ich weiß, dass dieser
Gesichtspunkt in Bayern nur schwer vermittelbar ist. Ich bitte Sie aber dabei
um Hilfe, dass endlich deutlich wird, dass wir im Saarland und in
Nordrhein-Westfalen mit der Steinkohle nicht nur einiges für den Aufbau
Deutschlands getan haben, sondern dort auch Technologien entwickelt haben und
bis auf den heutigen Tag entwickeln, die auf dem Weltmarkt eine sehr viel
größere Rolle spielen werden, als es manchem von uns bewusst ist. Das sage ich
auch an die Adresse der Grünen, Herr Kollege Kuhn.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD)
Was wir an Kraftwerkskompetenz bis hin zum
CO2-freien Kraftwerk entwickeln, kann übrigens, wenn das vernünftig eingesetzt
wird, dazu beitragen, dass wir kostengünstiger mehr für den Umwelt- und Klimaschutz leisten als mit manchen Investitionen
in erneuerbare Energien. Ich will das keineswegs gegeneinander ausspielen, aber
das muss klar gesehen werden: Wir müssen alle Möglichkeiten im Prozess der
energiewirtschaftlichen und -politischen Steuerung einsetzen. Daran arbeiten
wir; vonseiten der Opposition hören wir dazu allerdings, wie ich finde,
erstaunlich wenig. Dieses Thema scheinen Sie offensichtlich zurzeit
ausgeblendet zu haben.
Ich kann und will jetzt nicht zu den
Einzelmaßnahmen und den einzelnen Bereichen, in denen das Wirtschaftsministerium
tätig ist und die sich alle im Haushalt widerspiegeln, etwas sagen, also zur
Energieforschung, zu Forschung und Entwicklung, zu Innovationen im Mittelstand,
zur Förderung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren
Unternehmen, zur Luftfahrtforschung, zur Außenwirtschaftsförderung und zu
Ähnlichem.
Lassen Sie mich nur anmerken - ich habe
das schon gesagt, Herr Kollege Kuhn -: Die KfW-Mittelstandsbank,
die wir aufgebaut haben, hat schon all das vorbereitet und teilweise auf den
Weg gebracht, was aus meiner Sicht geschehen muss, um vor allen Dingen die
kleinen und mittleren Unternehmen sowohl auf dem Kreditmarkt wie bei der
Eigenkapitalbildung als auch bei der Akquirierung von Beteiligungskapital zu
unterstützen. Es gibt Pakete, die teilweise am 1. Januar in Kraft treten
werden. Ich nenne die Unternehmerkredite, die so kostengünstig wie möglich
angeboten werden, die Eigenkapitalstärkung durch Nachrangdarlehen, also die
Förderung durch mezzanine Mittel, und das Paket für Beteiligungskapital in Höhe
von 500 Millionen Euro, das wir gemeinsam mit der Europäischen
Investitionsbank und unserem ERP-Fonds auf den Markt bringen, um nicht nur
technologieorientierte, sondern mittelständische Unternehmen insgesamt in ihren
Bemühungen zu unterstützen, auf dem Markt Kapital zu akquirieren. Hier muss die
Situation in Deutschland deutlich verbessert werden. Ich gebe Ihnen Recht: Die
Hausbanken müssen ihrer Aufgabe, den Mittelstand ausreichend mit Krediten
auszustatten, gerecht werden und sich, wenn erforderlich und möglich, stärker
engagieren.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Lassen Sie mich weiter über Bürokratieabbau reden: Hierzu gehört das, was sich auch
die Europäische Kommission vorgenommen hat, nämlich eine Novellierung des
Handwerksrechts und des Rechts der Berufsstände sowie der Honorarordnungen. Sie
wissen doch, dass das vonseiten der Europäischen Kommission ohnehin
eingefordert werden wird und wir gezwungen werden, das zu tun. Wir sind bereit
- das haben wir ja im Rahmen des Vermittlungsverfahrens deutlich gemacht -,
sowohl über Neuregelungen für einfache handwerkliche Tätigkeiten als auch über
eine große Handwerksreform miteinander zu sprechen.
Machen Sie sich aber nichts vor, meine
Damen und Herren: Seit Mitte der 90er-Jahre befindet sich das Handwerk in einer Krise, die sehr viel tief greifender
ist als die wirtschaftliche Schwächephase, die wir gegenwärtig durchlaufen. Die
Umsätze, die Zahl der Meisterprüfungen - ohne dass hier schon durch eine
gesetzliche Regelung eingegriffen wurde -, die Beschäftigung und die
Ausbildungsleistungen gehen spürbar zurück, und zwar deutlich über das Maß der
allgemeinen wirtschaftlichen Schwächephase hinaus. Ich bin überzeugt, dass
unsere Novellen einen Impuls für Neugründungen, für mehr Wettbewerb und für
mehr Innovationsfähigkeit des Handwerks geben und es auf diese Weise gelingt,
das Handwerk zu stärken, damit die Zahl der Beschäftigten und der
Auszubildenden wieder steigt.
Wir müssen das Handwerk
europafest machen: Wir müssen das Handwerk vor Inländerdiskriminierung
schützen. Ich sage Ihnen das freimütig, Herr Kollege Hinsken, Ihnen allen, auch
Ihnen, Herr Kollege Brüderle, der Sie das Handwerk so tapfer zu verteidigen
meinen: Sie machen einen Fehler dabei.
(Vorsitz:
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)
Die so genannten einfachen handwerklichen Tätigkeiten sind
inzwischen schon höchstrichterlich definiert als Tätigkeiten, die man binnen
eines Vierteljahres lernen kann.
Wenn Sie verfolgen, wie der Streit und die
Diskussion zwischen dem ZDH, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, und
dem DIHK, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag, verlaufen, dann sehen
Sie, woran wir leiden: Wir haben dort eine Menge an Bürokratie, die kaum zu
überwinden ist, Verkrustungen und mangelnde Beweglichkeit.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie werden nicht im Ernst annehmen, dass wir uns damit
abfinden. Wir werden dort zu Bewegung kommen müssen. Sie kritisieren ja meine
„mangelnde Durchsetzungsfähigkeit“ - das mag ja sein -, aber unterschätzen Sie
nicht meine Zähigkeit. Ich werde an diesem Thema dranbleiben wie an allen
anderen, etwa an der Ausbildung.
Herr Merz, der Kollege Kuhn hat doch Recht:
Ihre Charakterisierung der jungen Leute ist doch absurd.
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Das hat er doch erklärt!)
Dass es im Bildungsbereich Schwächen gibt, darauf hat Herr
Kuhn zu Recht hingewiesen; diese Diskussion ist eigentlich wichtiger als die,
die wir im wirtschaftspolitischen Bereich an manchen Stellen führen.
Aber ich würde Ihnen sehr gerne einmal von
den guten Erfahrungen berichten, die ich mache, wenn ich Unternehmen besuche:
Ich stelle fest, dass es hervorragende junge Leute in Deutschland gibt,
hervorragend qualifizierte Leute,
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Das bestreitet doch niemand!)
die an ihrer Karriere, ihrer beruflichen Entwicklung
interessiert sind. Das trifft immer noch auf die große Mehrheit der jungen
Leute zu. Ich würde sie gerne darin unterstützen und mit Ihnen und vielen
anderen dafür sorgen, dass sie eine vernünftige berufliche Ausbildung bekommen.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Das hat er auch
nicht moniert!)
Herr Schleyer - das ist der
Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, wie Sie wissen -
hat sich kürzlich über unsere Reformfähigkeit in Deutschland wie folgt
geäußert: In der Reformwerkstatt darf nicht nur an Detaillösungen gewerkelt
werden. Wir brauchen dringend einen Befreiungsschlag! Ärmel hochkrempeln - so
lösen wir im Handwerk Probleme. So funktioniert es auch in der Politik!
(Rainer Brüderle
(FDP): Öffnungsklauseln!)
Ich lasse einmal dahingestellt, ob die
Diskussion im Handwerk diesem eigenen Anspruch gerecht wird,
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Was sagt er zur Reform des Handwerks? Was sagt Herr Schleyer zur
Handwerksordnung?)
aber Recht in der Sache hat er.
Meine Damen und Herren, wir sind gehalten,
diesen Befreiungsschlag zu machen, indem wir über die Reformenvorschläge, die
jetzt auf dem Tisch liegen - zu denen es von Ihnen teilweise Gegenentwürfe gibt
-, zu gemeinsamen Lösungen kommen. Ich gehöre immer noch zu denen, die der
Meinung sind: Wir können das schaffen. Meine Zuversicht ist allerdings in den
letzten Tagen nicht gewachsen, um das sehr deutlich zu sagen. Ich setze darauf,
dass sich das in den nächsten Tagen und erst recht nach dem CDU-Parteitag
verändern wird. Wir stehen nämlich unter massivstem Zeitdruck. Ich werde anschließend
aber auch nicht anstehen, ebenso deutlich zu sagen, woran es liegt, wenn wir
scheitern sollten. Ich tue alles, um einen Erfolg möglich zu machen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen
Friedrich Merz.
Friedrich Merz (CDU/CSU):
Herr Clement, ich will zunächst einmal wiederholen,
(Krista Sager
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein! Lieber nicht!)
was ich in meiner Rede gesagt habe - das geht auch an Ihre
Adresse -: Es fällt auf Sie selbst zurück, wie Sie sich verhalten.
(Volker Kröning
(SPD): Das müssen Sie gerade sagen!)
Ich sage das auch an die Adresse des Kollegen Kuhn: Ich habe
aus einem Leserbrief zitiert und ausdrücklich gesagt, dass ich dies so nicht
verallgemeinere, dass es aber ein Schlaglicht wirft auf die häufig
anzutreffende mangelnde Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber um
Ausbildungsplätze. Ich bleibe dabei, dass dies ein Problem ist, ein größeres
Problem als in anderen Bereichen. Das Problem mit der Ausbildungsplatzabgabe
sehen offensichtlich wir beide, Herr Clement, gleichermaßen.
Zweitens zur Person des Präsidenten der
Bundesanstalt für Arbeit: Ich habe sehr wohl registriert, dass Sie hier zunehmend
dünnhäutig reagieren, wenn dieses Thema angesprochen wird; das kann ich sehr
gut verstehen. Herr Clement, wir kritisieren nicht, dass die Bundesanstalt für
Arbeit PR-Kampagnen macht - das ist sicherlich auch notwendig für diese
Institution. Aber wir kritisieren die Art und Weise, wie dies gemacht worden
ist; wir stellen die Frage, ob eine Ausschreibung stattgefunden hat. Die
Tatsache, dass der Beratervertrag jetzt aufgelöst wird, zeigt doch, dass unsere
Kritik - jedenfalls in Teilen - berechtigt gewesen ist.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Beklagen Sie als Dienstherr dieser
Institution sich im Übrigen nicht, dass Sie hier zur Rechenschaft gezogen
werden. Einerseits erklärt der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit öffentlich,
dass er dem Deutschen Bundestag gegenüber keine Rechenschaft abzulegen habe.
Andererseits befremdet es doch sehr, wenn derselbe Herr dann am Ende des Jahres
5 bis 10 Milliarden Euro Zuschuss für diese Bundesanstalt für Arbeit haben
will, weil er mit dem Geld nicht auskommt. Wir können ihn nicht zwingen, hier
anzutreten, aber wir können Sie, Herr Clement, um Rede und Antwort bitten.
Deshalb bitte ich doch herzlich darum, dass Sie dann nicht so reagieren, wie
Sie das gerade hier am Rednerpult getan haben. Sie jedenfalls sind dem
Deutschen Bundestag Rechenschaft schuldig.
Wenn Sie sagen, dass wir Sie nicht so
schnell los werden, dann beschwert mich das bei Ihnen weniger als bei anderen,
die dort auf der Regierungsbank sitzen. Aber umgekehrt werden auch Sie uns
nicht los in unserer parlamentarischen Verpflichtung, nachzufragen, was da
eigentlich stattgefunden hat.
(Beifall bei der
CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Minister, Sie haben das Wort.
Wolfgang Clement, Bundesminister
für Wirtschaft und Arbeit:
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Merz, zunächst
zur Ausbildung. Herr Kollege Kuhn hat die Sorge geäußert hat, die ich auch
habe, dass Sie, wenn Sie einen solchen Brief verlesen, damit einen Eindruck
über die Auszubildenden und die Situation am Ausbildungsmarkt erwecken, der
unrichtig ist.
(Zuruf von der
CDU/CSU: Quatsch!)
Deshalb habe ich Ihnen so widersprochen und ich tue das mit
einer gewissen Leidenschaft, die Sie mit Dünnhäutigkeit verwechseln. Dann kann
ich viel schlimmer werden; das sollten Sie nicht falsch einschätzen.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD)
Ich engagiere mich bei diesem Thema seit
vielen Jahren. Andere tun das auch; ich reklamiere da keineswegs einen
Exklusivanspruch für mich. Ich sage Ihnen aber: Die Lage der Ausbildung ist sehr differenziert zu sehen und sie
verlangt sehr differenzierte Antworten. Es reicht nicht, einen solchen Brief
vorzulesen, der einen falschen Eindruck erweckt. Darum geht es.
Natürlich haben wir Probleme. Natürlich
gibt es das Problem, dass 10 000 junge Leute, die schon einen
Ausbildungsplatz hatten, inzwischen die Ausbildung schon wieder abgebrochen
oder teilweise den Ausbildungsplatz gar nicht angetreten haben. Es gibt
gravierende familiäre, familienpolitische und gesellschaftliche Probleme.
(Zuruf von der
CDU/CSU: Hört! Hört!)
Deshalb nutze ich von hier aus die
Möglichkeit, wie ich das ständig tue, nicht wie Sie „Hört! Hört!“ zu rufen,
sondern an diejenigen zu appellieren, die ausbilden können und ausbilden wollen
- auch an die Initiativen, von denen es Hunderte oder Tausende gibt -, in ihren
Bemühungen nicht nachzulassen, damit wir in diesem Jahr die notwendige Zahl von
Ausbildungsplätzen zusammenbekommen.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es wäre sehr gut, wenn das gelänge. Das würde viele andere
Probleme lösen und viele Fragen beantworten.
Zu Herrn Gerster.
Auch da reagiere ich nicht dünnhäutig, um das klar zu sagen.
(Zuruf von der
CDU/CSU: Och!)
- Ich will ich Ihnen jetzt ja keine Charakteristik von mir
geben, wie ich wann reagiere. Ich will Ihnen nur sagen:
Erstens. Ich verteidige es und ich stehe
dafür ein. Wenn Sie wollen, dass ich dazu Rede und Antwort stehe, stehe ich
selbstverständlich jederzeit Rede und Antwort. Herr Gerster wird aber morgen im
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Rede und Antwort stehen. Wenn Sie wollen,
dass ich irgendwo zu den Vorgängen Stellung nehme: sehr gern.
Zweitens. Dieser Vorstand hat eine
gewaltige Aufgabe. Das wissen auch Sie. Dieser Vorstand ist erst sehr kurze
Zeit im Amt. Es ist sehr schwer, eine solche Veränderung, die dort
durchzuführen ist, hinzubekommen. Aus meiner Sicht leistet dieser Vorstand gute
Arbeit.
Das ändert nichts daran, dass in einem
solchen Unternehmen - wir wollen, dass es wirklich ein Unternehmen wird - auch
Fehler begangen werden. Es gibt kein unternehmerisches Handeln, ohne Fehler.
Fehler begeht man nur dann nicht, wenn man alles hundertprozentig absichert.
Das kostet Zeit und Dynamik und ist eines der Probleme unserer Bürokratie.
Es kann sein, dass bei dem
Ausschreibungsverfahren ein Fehler begangen worden ist. Das werden wir
feststellen und klären und dann ist dazu Stellung zu nehmen. Aber wenn versucht
werden sollte - von wem auch immer, von innen aus der Anstalt heraus oder von
außen -, damit die Reformarbeit, die dort geleistet wird und die zwingend
notwendig ist, zu stoppen oder aufzuhalten oder zu diskreditieren, dann stehe
ich dem entgegen.
Deshalb habe ich überall deutlich zu
machen versucht, auch bei den gegenwärtigen Veröffentlichungen, dass Herr
Gerster und seine Vorstandskollegen mein Vertrauen haben und dass die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesanstalt meine Unterstützung haben.
Es ist für sie nicht einfach, sich umzustellen. Dort müssen und werden wirklich
ein neues Denken und eine andere Vermittlungskultur Platz greifen. Das ist
meine Antwort an Sie.
Um es noch etwas konkreter zu sagen:
Soweit ich zurzeit informiert bin, hat Herr Gerster seinen Vorstand und den
Verwaltungsrat und auch mich Anfang des Jahres darüber informiert, dass er
beabsichtigt, die Agentur zu beauftragen. Das war ein Satz, mit dem ich
informiert worden bin. Herr Gerster hat durch seine Justizabteilung bescheinigt
bekommen, dass er den Auftrag freihändig vergeben könne. Das ist mein
Informationsstand. Das ist das eine, was man sehen muss.
Das andere ist dies: Dass jetzt die beiden Seiten sagen, man
sollte vielleicht diesen Vertrag aufheben, hat natürlich damit zu tun, dass man
sich der gegenwärtigen Kampagne stellen muss und dass man, wenn man
Kommunikationsarbeit leisten will, natürlich darauf angewiesen ist, dass man
nicht gegen eine öffentliche Wand läuft, sondern dass man, wenn irgend möglich,
Zustimmung findet. Das würde jedes Unternehmen tun. Auch diese PR-Agentur wird
das tun.
Wenn Sie sagen, dass wir Sie nicht
loswerden, dann muss ich sagen, dass ich das befürchtet habe. Es wäre mir am
liebsten, wenn wir alle die gegenwärtigen Rollen beibehalten würden.
(Heiterkeit und
Beifall bei der SPD)
Was das Loswerden ansonsten angeht, muss
ich sagen: Sie werden uns natürlich auch nicht los, was unsere Erwartung
angeht, zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Dazu müssen Sie sich bewegen und
dürfen nicht ständig neue Bedingungen stellen, nach dem Motto: Wenn dieses
nicht passiert, dann findet jenes nicht statt. - So wird man nicht zu
Ergebnissen kommen.
(Beifall bei der SPD)
Meine dringende Bitte ist deshalb, dass
sich beide Seiten bewegen.
Schönen Dank.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Das Wort hat der Kollege Dirk Niebel, FDP-Fraktion.
Dirk Niebel (FDP):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Herr Minister Clement, ich habe zwar nicht von Anfang an mitgezählt, aber ich
meine, Sie hätten in Ihrer Rede den Kollegen Kuhn von den Grünen mindestens
siebenmal namentlich angesprochen, davon fünfmal in werbender Form, dass er
doch bitte Ihre Politik unterstützen möchte. Diese Redezeit hätten Sie sich
sparen können. Sie werden nachher bei der namentlichen Abstimmung über die
Erweiterung der Steinkohlesubventionen um 16 Milliarden Euro
feststellen, dass die Grünen sowieso zustimmen werden, weil sie keinerlei
eigene Überzeugungen in diesen Politikfeldern haben.
(Beifall bei der FDP
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir diskutieren in dieser Woche einen von
Ihnen vorgelegten Haushalt, der dem Deutschen Bundestag von Anfang an
vorsätzlich in verfassungswidriger Form zugeleitet worden ist. Auch der
Haushalt Ihres Ressorts weist einige Gefahrenpotenziale auf. Ich möchte nur in
Erinnerung rufen, dass Sie auch in diesem Haushaltsjahr sukzessive die
Erwartungen bezüglich des Wirtschaftswachstums nach unten bis zu einer
rot-grünen Null korrigieren mussten und dass die Zahlen der Arbeitslosen doch
höher waren, als Sie sie eingeschätzt haben. Auch Ihre Prognose für das nächste
Jahr leistet nur das, was man von einer Prognose erwarten kann, und hängt zudem
unmittelbar von den politischen Rahmenbedingungen ab, die wir in diesem Hause
beschließen.
Darüber hinaus haben Sie in Ihrem Haushalt
immer noch vorgesehen, die neue Leistung Arbeitslosengeld II in der dem
Vermittlungsausschuss zugeleiteten Fassung, also mit allen haushälterischen
Risiken, die das mit sich bringt, einzuführen. Dabei wissen Sie erstens gar
nicht, ob es das Gesetz überhaupt geben wird. Bei allem konstruktiven Verhalten
der Opposition hängt es auch sehr von Ihrer Bewegungsfähigkeit ab. Zweitens
wissen Sie nicht, unter welchen Voraussetzungen das Gesetz in Kraft tritt. Denn
die Diskussion der letzten Tage zeigt ganz deutlich: Die Bundesanstalt
für Arbeit ist wahrscheinlich die ungeeignetste Institution, um diese
neue Leistung zu administrieren.
(Beifall bei der FDP
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir diskutieren hier heute also über nicht
mehr und nicht weniger als über einen Haushalt für Arbeitslosenhilfe und
Steinkohlesubventionen. Das bringt mich zu dem, was Sie vorhin angesprochen
haben. In der letzten Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit hat
Herr Gerster mit dem Argument, er sei dem Parlament nicht
rechenschaftspflichtig, weil diese Zahlungen nicht aus Steuer-, sondern aus
Beitragsmitteln erfolgt seien, die Aussage verweigert. Das unterstützt meine
Forderung, dass wir dringend eine Redemokratisierung der Arbeitsmarktpolitik
brauchen.
(Beifall bei der FDP
sowie des Abg. Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU))
Wir diskutieren Ihren Haushalt für
Arbeitslosenhilfe und Steinkohlesubventionen. Aber der Bereich, in dem wirklich
die Musik spielt - das ist der Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit mit einem
Volumen von 53 Milliarden Euro -, ist dem Zugriff des Parlaments
gänzlich entzogen.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Wollen Sie das denn ändern?)
Dieser Haushalt wird nämlich vom Vorstand der Bundesanstalt
für Arbeit aufgestellt. Er wird festgestellt von den Selbstverwaltungsgremien,
unter anderem von Frau Engelen-Kefer, und genehmigt von der Bundesregierung.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Sie sind nicht konsequent!)
Das Parlament hat also keinen Einfluss. Wir sind tatsächlich
außen vor. Aber angesichts der hohen Summen und der Art und Weise, wie mit
diesen Geldern umgegangen wird, ist es skandalös und politisch in höchstem Maße
instinktlos, wenn man hier nicht endlich zu einer Redemokratisierung der Arbeitsmarktpolitik
kommt.
(Beifall bei der FDP
sowie des Abg. Herbert Frankenhauser (CDU/CSU))
Ich kritisiere die Auftragsvergabe, weil
ich sie politisch für instinktlos halte und den Menschen angesichts der
notwendigen Sozialreformen nicht vermittelbar ist, was da passiert ist. Aber
weil das Leben manchmal vielschichtiger ist, frage ich nach: Wem nützt es denn?
- Wenn Sie sagen, der Reformprozess dürfe weder von außen noch von innen
angegriffen werden, dann wird diese Frage noch viel berechtigter.
Der Bundeskanzler hat - wörtliches Zitat -
seinen „besten Mann“ auf seine „wichtigste Baustelle“ geschickt. Wenn ich aber
sehe, dass er auf dieser Baustelle gleich einzementiert worden ist zwischen dem
Hauptpersonalrat, der kaum bereit ist, einer wirklichen Reform zuzustimmen, der
paritätischen Selbstverwaltung zu jeweils einem Drittel aus
Gewerkschaftsfunktionären, Arbeitgeberfunktionären und denen, die, mit Frau
Engelen-Kefer an der Spitze, ihre öffentlichen Hände meistens in den Taschen
der Bürger haben, sowie einer SPD-Bundestagsfraktion, die die Reformwilligkeit
nun wirklich nicht mit Löffeln gegessen hat, dann muss ich angesichts eines
Wustes von Gesetzen, Vorschriften und Verordnungen schon sagen, dass es für ihn
sehr schwierig ist.
Die ersten kleinen Reformschritte haben
dazu geführt, dass die Gelder in der Weiterbildungsindustrie effizienter
eingesetzt werden. Von diesen Reformbemühungen wirklich schmerzhaft getroffen
wurde die Arbeitslosenindustrie. Die Deutsche Angestellten-Akademie - sie
gehört dem grünen Gewerkschafter Bsirske von Verdi -, das BFW des DGB - es
gehört Frau Engelen-Kefer - und das Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft
sind die größten Bildungsträger in der Bundesrepublik Deutschland. Es wundert
mich daher nicht, dass es intern offenkundig eine große Anzahl von Personen
gibt, die Herrn Gerster entweder loswerden oder zumindest so beschädigen
wollen, dass er ihnen nicht weiter wehtut.
Aber der Bundeskanzler wird ihn gar nicht
fallen lassen können. Denn wenn einer seinen „besten Mann“ fallen lässt, dann
fällt dieser ihm gleich auf die Füße. Ich bin sehr gespannt, wie es morgen
weitergeht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP
und der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Werner Schulz,
Bündnis 90/Die Grünen.
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollege Niebel,
nur keinen Neid, weil Sie in der Rede des Ministers nicht genannt worden sind!
Es ist nicht nur Usus, sondern äußerst
vernünftig, dass wir bei der Debatte des Einzelplans 09 einen Ausblick auf das
künftige Wirtschaftsgeschehen geben und eine Bilanz des laufenden
Wirtschaftsjahres ziehen.
Wir bewegen uns jetzt aus der Stagnation
heraus. Diese Wirtschaftsflaute war nicht nur ein deutsches Phänomen. Sie hatte
den gesamten europäischen Raum erfasst. Ich erinnere an den Irakkrieg, an die
SARS-Epidemie und an die Unsicherheiten der amerikanischen und der japanischen
Konjunktur, die den Attentismus der Investoren und die Zurückhaltung der
Verbraucher verstärkt haben.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU):
Warum nur in Deutschland?)
- In Deutschland besonders stark. Aber wir haben auch seit
1990 besondere Bedingungen zu schultern.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Schlechte Regierung!)
Herr Austermann, Sie wissen das bestens. Sie plagen sich
damit im Haushaltsausschuss herum. Wir haben uns darüber oft genug unterhalten.
Mittlerweile ist Deutschland wieder
Exportweltmeister. Aber Ihnen, Herr Austermann, genügt das offenbar nicht. Sie
möchten auch Weltmeister im Lamentieren werden. Dieses Nationaltheater der
Selbstzerfleischung, in dem man die Wirtschaftsbelebung klein - und den
Standort schlechtredet, bringt uns überhaupt nicht weiter, sondern macht uns
zunehmend zu schaffen.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Sowohl die führenden
Wirtschaftsforschungsinstitute als auch der Sachverständigenrat stellen einen
deutlichen Konjunkturaufschwung in Aussicht. Das hat nicht nur damit zu tun,
dass im nächsten Jahr länger gearbeitet wird, weil Feiertage aufs Wochenende
fallen, sondern ausdrücklich auch mit der Reformpolitik der rot-grünen
Bundesregierung.
Sicher, keiner der vorgesehenen Schritte
ist unumstritten. Der Sachverständigenrat weist auf den immanenten Widerspruch
der vorgezogenen Steuerreform hin, bei hoher
Staatsverschuldung und defizitärer Haushaltslage die Steuern zu senken. Dennoch
kommt er zu dem Schluss, dass es vernünftig ist, diesen Schritt zu tun, weil
hier Erwartungen aufgebaut worden sind - übrigens auch von der Opposition. Denn
diese Position hatten Sie genau bis zu dem Zeitpunkt, als die Regierung
beschloss, die Steuerreform vorzuziehen.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN
sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ein solcher Positionswechsel von Schwarz auf Weiß gelingt
einem sonst nur, wenn man gegen sich selber Schach spielt. Das tun Sie momentan
im Vermittlungsausschuss.
Es ist offensichtlich wichtig, Zuversicht
zu verbreiten. Für viele ist entscheidend, dass sich überhaupt etwas bewegt.
Sie merken, dass nichts mehr weitergeht, wenn alles so weiterläuft wie bisher.
Es geht um den Rückgewinn von Vertrauen, Zuverlässigkeit der Politik und
sicherlich auch um Planungssicherheit, die in den letzten Jahren infrage stand.
Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist zum siebten Mal in Folge
gestiegen. Auch das ist ein deutliches Zeichen, dass dieses Vertrauen sich
langsam wieder aufbaut. Sicher, diese Konjunktur bekommt ihren Treibstoff vor
allem aus Übersee und wir hoffen, dass der Binnenmarkt ebenfalls anspringt.
Hier macht mir weniger der Stabilitätspakt als vielmehr das
Leistungsbilanzdefizit der USA Sorgen. Wir wissen genau, dass die Märkte es
möglicherweise sehr schnell durch eine deutliche Abschwächung des Dollars
korrigieren werden. Dann haben wir beim Export ein Problem.
Die Aufregung um den europäischen
Stabilitätspakt ist eigentlich nicht zu verstehen, weil es sich
international durchaus bewährt hat, in der Geld- und Finanzpolitik antizyklisch
zu handeln. Im Übrigen haben die Geld- und Finanzmärkte sehr cool darauf
reagiert. Der Euro ist stabil geblieben. Im Stabilitätspakt sind im Übrigen
auch solche Möglichkeiten vorgesehen. Die Haltung von Pedro Solbes, dem
Währungskommissar, ist kaum nachvollziehbar, der ja, Herr Austermann, immer
wieder darauf hinweist, dass wir infolge der deutschen Einheit besondere Lasten
zu tragen haben, die eine Ausnahmebehandlung rechtfertigen. Wenn wir diese aber
in Anspruch nehmen, reagiert man plötzlich restriktiv. Das passt irgendwie nicht
zusammen.
Dennoch ist Vorsicht geboten, weil es doch
sehr fragwürdig ist, ob allein ein wirtschaftlicher Aufschwung alle Probleme
lösen kann. Es gibt noch sehr viele, die diesen Glauben an den Wirtschaftsaufschwung haben. Ich empfehle Ihnen, sich im
Jahresgutachten das Kapitel zur Entwicklung des Produktionspotenzials
anzuschauen. Wir haben seit etwa 15 Jahren einen Rückgang des Potenzials -
gemeint ist das Anlagenpotenzial, das Humankapital sowie Forschung und
Entwicklung - zu verzeichnen. Diesen Trend werden wir nicht durch kurzfristige
Konjunkturimpulse auffangen können. Diese sehr interessante Analyse muss uns zu
ganz anderen Schlussfolgerungen führen, nämlich dazu, dass wir trotz der
relativ geringen durchschnittlichen Wachstumsraten, die wir übrigens seit
Jahrzehnten haben, eine hohe Beschäftigungsquote erreichen müssen. Das wird die
große Aufgabe sein.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Nein, wir brauchen mehr Wachstum!)
Das ist ein Schwerpunkt, den wir auch auf
der Agenda wesentlich weiter nach vorn rücken müssen. Hier gibt es enorme
Potenziale. Ich denke vor allen Dingen an die Potenziale in der Material- und Energieökonomie. Es ist relativ einfach,
Leute zu entlassen, also die Kosten in den Betrieben durch Personalabbau zu
reduzieren. Ein Topmanager hat unlängst gesagt: Wer so etwas tut, lässt
Rückschlüsse auf das schlechte Management zu.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD)
Die Wirtschaftsinstitute haben
ausgerechnet, dass das Potenzial, das in der Material- und Energieeffizienz
liegt, etwa 180 Milliarden Euro ausmacht. Diesem Kapitel werden wir uns nähern
müssen.
Oder schauen wir uns die Lohnnebenkosten an. Ich empfehle Ihnen, sich bei der
Auseinandersetzung mit Florian Gerster nicht nur mit den Punkten zu
beschäftigen, für die ihm offenbar das Gespür fehlt, sondern auch damit, wo er
die wunden Punkte trifft. In der letzten Sonntagsausgabe der „FAZ“ hat er zum
Beispiel gesagt, das Sozialbudget sei überproportional erhöht worden. Eine
Folge daraus sei der Weg in die Verschuldung, vor allem aber hätten wir die
Abgaben auf Arbeit drastisch erhöht. Allein vier Prozentpunkte des
Gesamtbeitrages zur Sozialversicherung seien auf die systemwidrige Finanzierung
der Folgen der deutschen Einheit zurückzuführen. Wenn wir über Patriotismus
reden, sollten wir uns diesen großen Brocken vornehmen.
Ich frage Sie: Wo ist eigentlich der
Beitrag des nationalen Kapitals in unserem Land geblieben, dessen Pulver in den
90er-Jahren unter der Kohl-Regierung noch durch hochrentierliche Staatsanleihen
vergoldet worden ist? Darüber sollten wir kritisch diskutieren.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Das wird aber langsam fad! Sie sind seit fünf Jahren dran!)
- Nein, Sie haben uns riesige Probleme hinterlassen. Das ist
das Problem.
Ich möchte Sie vor allen Dingen davor
warnen, den Vermittlungsausschuss zu missbrauchen, die Tarifautonomie
aufzubrechen, was Sie offensichtlich vorhaben. Was ich von dem Kollegen
Brüderle höre - Tarifkartell kaputtmachen oder Einbruch in die Tarifautonomie
-,
(Rainer Brüderle
(FDP): Beirat!)
wird den sozialen Frieden in diesem Land kräftig schädigen.
Die Bereitschaft zur Flexibilität bei den Gewerkschaften ist wesentlich höher, als
durch die öffentliche Stigmatisierung ständig unterstellt wird. Die
Gewerkschaftsvertreter wissen auch, dass die Berechtigung der Tarifverträge in
der Flexibilität liegt. Es gibt diese betrieblichen Bündnisse für Arbeit. Die
Frage ist nur, ob sie von oben, von der Politik, verkündet werden oder ob sie
unten zustande kommen und damit Tragfähigkeit beweisen.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege Schulz, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Thiele?`
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN):
Ja.
Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Herzlichen Dank, Herr Kollege Schulz. - Sie haben auf
Versäumnisse in der Vergangenheit hingewiesen, wobei Rot-Grün jetzt schon fünf
Jahre an der Regierung ist. Es geht nicht immer nur um die Bewältigung der
Vergangenheit, sondern auch um die Gestaltung der Zukunft.
(Dr. Rainer Wend
(SPD): Natürlich!)
Am Ende der Debatte werden wir über einen
Änderungsantrag der FDP eine namentliche Abstimmung durchführen. Im Haushaltsplan
des Wirtschaftsministers wurde in Bezug auf diesen Punkt in der Ziffer 5 der
verbindlichen Erläuterungen festgehalten, dass für den deutschen Steinkohlebergbau im Zeitraum 2006 bis 2012 bis zu 15 870
Millionen Euro, also fast 16 Milliarden Euro, zur Verfügung gestellt werden.
Das ist ein Zukunftsprojekt.
(Franz Müntefering
(SPD): Wo ist denn jetzt die Frage?)
Ich höre Stimmen aus den Reihen von
Rot-Grün, dass sie diese Regelung so nicht mittragen wollen. Ich frage Sie: Wie
stehen Sie zu dem Antrag der FDP? Die Ausrede des Kollegen Kuhn, dies sei
gesperrt, ist nicht zutreffend.
(Anja Hajduk (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Doch! Das stimmt!)
Es steht im Haushaltsplan, dass die
Verpflichtungsermächtigung gesperrt ist. Die Verpflichtungsermächtigung hat
aber nichts damit zu tun; denn dies ist nach den Verpflichtungsermächtigungen
und nach der Sperre als verbindliche Erläuterung des Haushaltstextes angegeben.
(Franz Müntefering
(SPD): So ein Quatsch!)
Ich möchte wissen, wie die Grünen zu
dieser verbindlichen Erklärung stehen. Das wird auch die Öffentlichkeit
interessieren. Sie machen es sich immer sehr einfach, wenn Sie sagen: Wir
stimmen dem nicht zu, was die SPD macht. - Wir zwingen Sie heute durch die
Abstimmung über diesen Antrag, Farbe zu bekennen. Aber vorher interessiert
mich, mit welcher Begründung Sie dem Antrag der FDP zustimmen werden. Denn
anders können Sie gar nicht vorgehen, wenn Sie 16 Milliarden Euro von 2006 bis
2012 für die Steinkohle nicht bereitstellen wollen.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Zeitschinderei ist das hier! - Franz Müntefering (SPD): Ab ins
Haus der Geschichte!)
Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN):
Herr Kollege Thiele, ich freue mich darüber, dass sich nun
auch die FDP ernsthaft vorgenommen hat, die Steinkohlesubventionen
zurückzufahren. Das ist löblich.
(Anja Hajduk (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Das haben sie ja früher nicht gekonnt!)
Ihr Antrag ist aber ein Vorführantrag. Solche Vorführanträge
kenne ich zur Genüge: Sie werden im Grunde genommen nur zu dem Zweck geschrieben,
um die Partner der Regierungskoalition in Verlegenheit zu bringen.
Das wird Ihnen bei uns nicht gelingen. Wir
haben in dieser Frage seit vielen Jahren einen festen Standpunkt und kämpfen
sehr energisch dafür, die Steinkohlesubventionen zu reduzieren. Das ist
unglaublich schwierig. Sie helfen uns nicht, indem Sie immer wieder das
legendäre Beispiel bringen - Herr Brüderle hat das heute wieder genannt -, dass
Joschka Fischer den Steinkohlekumpeln angeblich zur Hilfe geeilt sein soll.
(Rainer Brüderle
(FDP): Natürlich!)
Ich war glücklicherweise dabei, als die Kumpel in Bonn
demonstriert haben. Wir haben uns ihre Sorgen angehört, weil sich das für
Vertreter der Politik einfach gehört.
(Rainer Brüderle
(FDP): Aufhetzen tut ihr! Hetze war das!)
Ich hätte mir nur gewünscht - das ist die
andere Seite der Medaille, Kollege Brüderle -, dass Ihr Kollege Rexrodt zu der
Zeit, als er Wirtschaftsminister war, den Kohlepfennig, der von den
Verbrauchern bis dahin zur Steinkohlesubvention aufgebracht werden musste,
abgeschafft hätte, anstatt ihn für den Staatshaushalt zu nutzen. Sie haben die
Steinkohlesubventionen doch erst noch hochgefahren! Das war die Politik der
FDP.
(Beifall bei
Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Gudrun Kopp (FDP): Wie
votieren Sie denn nun? - Weiterer Zuruf des Abg. Rainer Brüderle (FDP))
- Das ist Tatsache, Kollege Brüderle. Sie müssen sich nur
schlau machen. Ich weiß aber nicht, ob das bei Ihnen noch geht.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Das lohnt sich nicht mehr bei Herrn Brüderle! Auslaufmodell!)
Eine große Aufgabe ist - das haben Sie
angesprochen -, die Folgekosten der Steinkohleproduktion in Deutschland zu
ermitteln. Darum bemühen wir uns. Wir haben diesen Sperrvermerk vorgesehen.
Daran arbeiten wir, weil wir wissen, dass in Deutschland die Zukunft der
Energie nicht unter Tage liegt. Diese Idee wird von uns schon seit langem in
der Politik verfolgt. Wir haben alles dafür getan, dass die erneuerbaren
Energien und die Photovoltaik einen Schub bekommen. Was in den letzten Jahren
in dieser Richtung geleistet worden ist, ist enorm. Trotzdem werden Sie es
nicht schaffen, mit einem Handschlag die Steinkohleproduktion in Deutschland
einfach zu beenden, so wie Ihnen das vorschwebt.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Das will ja auch keiner!)
Das entscheidende Problem, das wir bei der
Arbeitslosigkeit haben, ist die geringe Qualifizierung. Die
meisten Arbeitslosen haben eine mangelhafte oder gar keine Qualifizierung. Das
ist ein Problem, das wir durch verstärkte Investitionen in Bildung und
Umschulungen lösen müssen. Die Vorschläge zum Niedriglohnsektor, wie Sie sie
vorgelegt haben, oder der Vorschlag, den Roland Koch gemacht hat, der glaubt,
mit Stundenlöhnen von 2,50 Euro die Textilindustrie aus Asien nach Deutschland
zurückbringen zu können, sind der falsche Weg.
Dazu gehört auch, zu sagen, wo der Rest des Einkommens
herkommen soll, dass man in Deutschland mit einer solchen Tätigkeit leben kann.
Wenn die Orientierung auf den globalen Wettbewerb so aussieht - rumänische
Facharbeiterlöhne, amerikanische Vorstandsbezüge und chinesisches Arbeitsrecht
-, bringt uns das mit Sicherheit nicht weiter, sondern erhöht im Gegenteil die
sozialen Spannungen.
Wir sind uns sicher und verfolgen den Weg,
dass der gesellschaftliche Wandel in unserem Land mit Sicherheit und vor allen
Dingen mit sozialer Gerechtigkeit gestaltet werden muss.
Ich danke Ihnen.
(Beifall beim BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Ich gebe dem Kollegen Carl-Ludwig Thiele das Wort zu einer
Kurzintervention.
(Franz Müntefering
(SPD): Er kann ja noch einen Antrag stellen!)
Carl-Ludwig Thiele (FDP):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich kann hier nur
feststellen, dass die FDP beantragt hat, die Streichung dieser nicht
ordnungsgemäß beschlossenen Erklärung, die durch einen Umdruck ins
Haushaltsverfahren eingebracht worden ist, zur namentlichen Abstimmung zu
stellen, und dass ich auf die Frage, wie die Grünen votieren werden, keine
Antwort vom Kollegen Schulz erhalten habe.
(Beifall bei
Abgeordneten der FDP - Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das können Sie
nachher bei der Abstimmung sehen! Das ist ganz einfach!)
Ich finde es bedauerlich, dass unser
Antrag, eine konkrete Passage des Haushaltsgesetzes, welches wir heute beraten
und über dessen Einzelpläne wir einzeln abstimmen, zu streichen, als
Schaufensterantrag bezeichnet wird. Das ist kein vernünftiger Umgang mit einem
Gesetz, das Sie ja immerhin wollen. Das ist kein Schaufensterantrag, sondern
ein sehr konkreter Antrag.
Die Sperre - ich sage das hier noch
einmal, weil diese Ausflucht überhaupt nicht gelten kann - bezieht sich auf die
Verpflichtungsermächtigung. Die Verpflichtungsermächtigung hat aber nichts mit
der verbindlichen Erklärung zu tun. In der verbindlichen Erklärung wurde
zugesagt, dass die deutsche Steinkohle zwischen 2006 und 2012 mit weiteren 16
Milliarden Euro gefördert werden soll.
(Beifall bei der FDP
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das finde ich skandalös: Wir beraten hier einen Haushalt und
die Bundesregierung erklärt, sie könne nicht mehr sparen. Bei der Bildung, der
Forschung und in anderen Bereichen fehlen Gelder und hier kommt es zu einer
Vorfestlegung der Bundesregierung, nach der in sechs Jahren 16 Milliarden Euro
gezahlt werden. Das ist nicht vermittelbar. Deshalb muss hierzu eine
namentliche Abstimmung stattfinden.
Ich bitte diejenigen, die nicht in die
Vergangenheit, sondern in die Zukunft unseres Landes investieren wollen, dieser
Streichung zuzustimmen. Um es deutlich zu sagen: Mit der Streichung würde noch
nicht festgelegt werden, was in dem Zeitraum passiert. Dass hier von heute auf
morgen nicht alles auf null gefahren werden kann, ist auch für uns Liberale
vollkommen klar. Wie Rot-Grün aber in der heutigen Situation dazu kommt, diese
Zahlen für verbindlich zu erklären, ist mir unbegreiflich. Das halte ich für
skandalös. Wir hoffen, dass der eine oder andere von Rot-Grün dieser
Argumentation in der namentlichen Abstimmung folgen wird.
(Beifall bei der FDP
sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege Schulz verzichtet auf eine Erwiderung. - Der
Kollege Hans-Joachim Fuchtel, CDU/CSU-Fraktion, hat das Wort.
(Beifall bei der
CDU/CSU)
Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fast jeder Redner
der Koalition hat die Verpflichtung der Hausbanken angemahnt. Diese sollen mehr
tun, um die Wirtschaft zu fördern. Aus dem Mund von Rot-Grün kann man das nicht
mehr akzeptieren.
(Beifall bei der
CDU/CSU)
Ich nenne drei Argumente - man könnte noch
viel mehr nennen -: Erstens. Kapital ist so scheu wie ein Reh. Solange Sie
ständig über Erbschaftsteuer, Vermögensteuer oder sonstige Dinge diskutieren,
brauchen Sie sich überhaupt nicht zu wundern, dass die Banken nur wenige
Chancen haben, sich gut zu refinanzieren, weil ihnen die Substanz entzogen
wird.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle (FDP))
Zweitens. Ihre Gesetze und Vorschläge sind sehr kurzlebig.
Deshalb fehlt die Verlässlichkeit, die ein wesentliches Element ist, um
Vertrauen zu erwirtschaften, welches Voraussetzung für ein größeres Engagement
ist. Drittens. Durch die Rekordpleitenwelle wird den kleineren Banken die
Substanz dafür entzogen, dass sie sich dort weiter engagieren können.
Bringen Sie das alles in Ordnung! Dann
können Sie über dieses Thema wieder ernsthaft mitsprechen.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Herr Minister Clement, wenn ich mich richtig erinnere, sind
Sie mal als Superminister geholt worden, um die Arbeitslosigkeit
zu bekämpfen. Man hat Ihnen wirklich sämtliche Kompetenzen gegeben, damit Sie
diese Aufgabe angehen können.
(Wolfgang Clement,
Bundesminister: Ja!)
- Ich sehe, Sie bestätigen das. Aber ich muss Sie fragen:
Was haben Sie daraus gemacht?
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Nichts!)
Eine Rekordarbeitslosigkeit haben Sie daraus gemacht, obwohl
Sie alle Kompetenzen besitzen, um entsprechend durchzugreifen. Leider sind Sie
mit Ihrem Etat nur bei der Schuldenmacherei Superminister.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Am Anfang dieses Jahres hat man
festgelegt, dass es keine neuen Zuschüsse für die Bundesanstalt
für Arbeit gibt. Als es dann anders kam, hat man dies mit dem
Hartz-Konzept verteidigt. Der Kollege Kröning lächelt ein wenig; er kennt
offensichtlich einige Interna. Der Kollege Schulz hat selbst im Ausschuss
angemahnt, dass es zu einem Argumentationsbruch bei der Koalition kommen
könnte. Am Ende des Jahres wurde nicht mehr das Hartz-Konzept als Argument für
die Zuschüsse angeführt, auf einmal war die schlechte Konjunktur
ausschlaggebend. Wer soll einem solchen Wirtschaftsminister noch glauben? Wer
soll dessen Argumente und Zahlen noch ernst nehmen? Wer erwartet von diesem
Wirtschaftsminister noch die Verlässlichkeit, die notwendig ist, um die
Wirtschaft in Gang zu bringen?
Das Problem ist: Der Haushalt dieses
Arbeits- und Wirtschaftsministers beinhaltet Risiken von mehreren Milliarden
Euro. Darüber ist heute gar nicht gesprochen worden. Am Ende des Jahres werden
Sie mit einem unschuldigen Augenaufschlag wieder ein paar Milliarden Euro für
die Bundesanstalt für Arbeit überweisen. Das hilft niemandem. Am wenigsten
hilft es den nächsten Generationen. Um sie müssen wir uns sorgen. Für sie
müssen wir Politik machen.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Die zu erwartenden Einspareffekte
sind nicht so spektakulär, wie sie manchmal dargestellt werden. Man könnte fast
den Eindruck gewinnen, dass das Rad neu erfunden worden ist. Ich kann Ihnen,
ohne zu tief einsteigen zu müssen, sagen: Mit der Union wären diese
Einsparungen schon vor einigen Jahren erzielt worden. Wenn wir dies getan
hätten, wären wir heute weiter.
(Beifall bei der
CDU/CSU - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das glauben Sie doch selber
nicht! - Lachen bei Abgeordneten der SPD)
- Sie lachen, Herr Brandner - wie immer! 4,5 Millionen
Arbeitslose, das kann Sie offenbar nicht erschüttern.
(Klaus Brandner
(SPD): Sie haben uns fast 5 Millionen Arbeitslose hinterlassen!)
Sie sollten über diese Dinge ein wenig ernster mit uns
sprechen. Was muss denn noch alles in diesem Land geschehen, damit Sie mit
Ihrer arroganten Art aufhören?
(Beifall bei der
CDU/CSU)
Sie haben doch die Zumutbarkeitsregeln
wieder zurückgeschraubt
(Klaus Brandner
(SPD): Zu Recht!)
und dann vier Jahre nichts getan. Erst jetzt fangen Sie mit
ersten Maßnahmen an. Das ist zu wenig, um wirklich erfolgreich zu sein.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Fuchteln Sie
doch nicht so herum!)
Ein anderes Stichwort sind die
Meldekontrollen. Sie haben diese Meldekontrollen bis aufs Messer bekämpft.
Jetzt brauchen Sie zur Umsetzung dieser Maßnahme viel Personal. Trotzdem bleibt
die Arbeitslosigkeit auf Rekordniveau. Das können wir doch nicht als Leistung
anerkennen.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Sie platzen ja gleich!)
- Herr Kuhn, Sie waren doch damals noch im Landtag. Sie
können gar nicht mitreden.
Damals hat bei Ihnen jede Leistungseinschränkung sofort eine Grundsatzdiskussion
über Armut in Deutschland ausgelöst. Jetzt gelten bei Ihnen diese Argumente
nicht mehr. Nun ist es an uns, sich der Armen in diesem Lande stärker als
bisher anzunehmen. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Union ist die Partei, die die soziale Marktwirtschaft
verteidigt, weil Sie mit Ihren Maßnahmen das soziale Gleichgewicht
durcheinander bringen.
Ich frage Sie: Was ist das für eine
Leistung, wenn man die Bundesanstalt für Arbeit auf jetzt 90 000 Mitarbeiter
aufbläht?
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Sie sollten nicht von aufblähen reden!)
Was hilft es, die Statistik zu schönen? Herausgekommen sind
trotz dieser Veränderungen bei der Statistik nur immer mehr Arbeitslose. Wie
wir nun hören und lesen, wollen Sie damit nächstes Jahr weitermachen. Wir
werden uns zu gegebener Zeit dazu äußern.
Die einzig wirkliche Veränderung war die
Einführung der Minijobs. Dafür aber haben Sie im
Vermittlungsausschuss die Vorgaben von Union und FDP benötigt, um eine
wirkliche Wende herbeizuführen. Deswegen, Herr Minister Clement, sollten Sie
nicht so arrogant auf das reagieren, was der Kollege Merz gesagt hat. Ein
politischer Kompromiss ist immer das Ergebnis politischer Möglichkeiten. Wenn
die Union der Meinung ist, dass Deregulierung ein entscheidender Schritt auf
dem richtigen Weg ist, dann sollten Sie das nicht einfach oberlehrerhaft
wegwischen, sondern dies als Anregung verstehen, über die man ernsthaft
verhandeln kann. Nur so kann man zu Kompromissen kommen.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Dann ist noch einiges zur Bundesanstalt für Arbeit zu sagen.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Oh, jetzt wird es teuer!)
Zunächst einmal: Es ist nicht so gewesen, dass der Herr
Minister und sein Staatssekretär überrascht wurden. Man hat uns trotz
dreimaliger Intervention dreimal abblitzen lassen und uns keine Information
gegeben. Wenn gestern in der Zeitung zu lesen war „Clement wundert sich über
Gerster“, dann ist die Information falsch.
(Wolfgang Clement,
Bundesminister: Richtig!)
Ihr Haus hat alle diese Dinge vorher gewusst. Sie sollten
das zugeben und sich nicht davonstehlen,
(Doris Barnett (SPD):
Hat er doch gar nicht!)
wie Sie es gerade mit Ihrer Zwischenintervention versucht
haben, in der Sie gesagt haben, das habe die Rechtsabteilung geprüft und da
diese das für gut empfunden habe, hätten Sie keine Einwände erhoben.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Er hat offensichtlich keine Kenntnis, was in seinem Hause läuft!)
Wir haben bei anderer Gelegenheit - da ging es um ein
europäisches Thema - schon einmal feststellen müssen, dass Ihr Haus informiert
war, woraufhin schließlich ein Staatssekretär gehen musste.
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich bis
jetzt noch nicht über diese Bundesanstalt gewundert haben, dann nehmen Sie noch
einige Punkte mit, über die Sie sich künftig noch mehr wundern können. Mir ist
ein Inserat der Bundesanstalt für Arbeit in die Hand gefallen. Es ist
ordentlich groß; man könnte denken, sie suche einen Generaldirektor. Sie sucht
aber einen Universitätsabsolventen, nämlich einen Diplom-Informatiker. Wir
haben 4,5 Millionen Arbeitslose. Trotzdem muss die Bundesanstalt für Arbeit
eine Agentur einschalten,
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Das ist unglaublich!)
die ein Inserat in der Zeitung aufgibt, mit dem ein
Diplom-Informatiker gesucht wird. Wo ist die Kompetenz dieser Behörde, in der
so etwas vorkommt? Es sind an die 10 000 Euro, die alleine für dieses Inserat
ausgegeben werden.
(Beifall bei der
CDU/CSU)
Dafür müssen 300 Beitragszahler ihren Monatsbeitrag
abliefern. Ich habe versucht, dies einmal in Gedichtform zu kommentieren: „Bei
schlechter politischer Figur beschäftigen wir eine Agentur.“ So kommt mir das
vor.
Der Kollege Kröning hat hier zwar als
Berichterstatter im wahrsten Sinne des Wortes Bericht erstattet - insofern
möchte ich ihn in Schutz nehmen; auch das muss in einer Haushaltsdebatte noch
möglich sein -, nicht aber über den Öffentlichkeitsetat. Lieber Kollege
Kröning, warum sind Sie denn eigentlich über diese Position hinweggeglitten? Das
ist doch sonst nicht Ihre Art. Wenn unsere Partei betroffen gewesen wäre,
hätten Sie eine halbe Stunde darüber referiert und eine Verlängerung der
Redezeit verlangt.
(Volker Kröning
(SPD): Habe ich klar erwähnt!)
Dieses Ministerium hat sich im Bereich der
Öffentlichkeitsarbeit einen Mittelaufwuchs von 300
Prozent genehmigt.
(Hans Michelbach
(CDU/CSU): Hört! Hört!)
Nur macht man es da etwas anders als die anderen; man sagt
einfach: Das Hartz-Konzept erfordert eine eigene Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Das gibt es doch nicht!)
Dafür allein werden 15 Millionen Euro im Jahr ausgegeben.
Wenn Sie nicht sensibel genug sind, um zu merken, dass das Volk von einer
solchen Politik langsam genug hat, dann tun Sie uns Leid. Hören Sie auf, eine
solche Politik zu machen, damit die politische Landschaft nicht noch mehr an
Vertrauen verliert. Machen Sie mit uns Sachpolitik und versuchen Sie nicht, den
abgeplatzten Lack durch zusätzliche Kosmetik zulasten der Steuerzahler zu
polieren.
(Beifall bei der
CDU/CSU)
In dem Sinne hoffe ich, dass Sie nach dem Erlebnis mit
Gerster wenigstens in diesem Bereich etwas mehr Sorgfalt walten lassen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Klaus Brandner,
SPD-Fraktion.
(Franz Müntefering
(SPD): Jetzt kommt wieder etwas Gescheites! - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die
IG Metall muss jetzt auch etwas sagen!)
Klaus Brandner (SPD):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten, lieben
Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gerade gedacht, als ich Ihre Rede
überstanden hatte: Viele Pfunde am Pult, aber wenig Gewicht.
(Beifall bei der SPD
- Dietrich Austermann (CDU/CSU): So viel wiegen Sie doch gar nicht!)
Die wirtschaftliche Lage ist schwierig, das wissen wir, aber
unser Minister hat gesagt, wir können sie schultern. Das ist so. Die Opposition
diskutiert, als wenn sie die Veränderungen des letzten halben Jahres überhaupt
nicht mitbekommen hätte. Merz spricht von schweren Verstimmungen, es wird ihm
angst und bange. Dabei ist die Stimmung in diesem Land deutlich besser, als Sie
uns glauben machen wollen.
(Beifall bei der SPD)
Um es deutlich zu sagen: Der Ifo-Index ist
vorgestern zum achten Mal in Folge angestiegen. Die Beurteilung der
wirtschaftlichen Lage ist zum zweiten Mal positiv, das heißt: Festigung der konjunkturpolitischen Erwartungen. Auch die
realwirtschaftlichen Indikatoren zeigen nach oben. Im dritten Quartal
verzeichneten das Bruttoinlandsprodukt ein Plus von 0,2 Prozent und die
Auftragseingänge der Industrie ein Plus von 1,2 Prozent. Das zeigt: Deutschland
ist auf gutem Weg und wir sollten aus pessimistischen Debatten herauskommen.
Dass Deutschland auf gutem Weg ist, hat
auch der Kanzler in New York zu spüren bekommen, als die Topmanager wichtiger
US-Unternehmen ihm verkündeten: Germany is back.
(Beifall bei der SPD
- Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das ist die anglizistische Form von Patriotismus
gewesen!)
Auch die neue Chip-Fabrik in Dresden ist ein gutes Zeichen.
Ihr Schlechtreden nutzt dem Lande nicht, sondern schadet eher. Sie führen uns
Wirklichkeitsverweigerung vor; mit geschlossenen Augen kann man keine Politik
für die Zukunft gestalten.
(Beifall bei der SPD)
Herr Brüderle bezog sich in diesem
Zusammenhang auf die letzten OECD-Studien. Die
Ticker meldeten gerade gestern erst: OECD sieht Konjunkturwende, Deutschland
vor verhaltenem Aufschwung, Lob für Strukturreformen der Bundesregierung. - Das
ist die Wahrheit, Herr Brüderle.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Sagen Sie etwas über das Defizit 2005!)
Weiter heißt es in dieser Meldung:
„Wir glauben, dass die Wende da
ist“, sagt OECD-Ökonom Eckhard Wurzel. „Ein Vorziehen der Steuerreform auf das
nächste Jahr könnte der Konjunktur ein weiteres Plus bis 0,3 Prozentpunkte
bringen.“
Übernehmen Sie endlich Verantwortung, beenden Sie Ihre
Blockadepolitik! Damit helfen Sie den Menschen und ganz besonders der
Wirtschaft in unserem Land.
(Beifall bei der SPD)
Für den Mittelstand ist das Vorziehen der Steuerreform ein eminent wichtiger Schritt.
Allein der Mittelstand würde in einer wirtschaftlich schwierigen Situation um
10 Milliarden Euro entlastet. Das ist ein klares Signal für weniger Steuern,
mehr Investitionen und mehr Beschäftigung. Das muss die Botschaft der Zeit
sein.
Wir müssen mit der Steuerreform dem
Mittelstand die Gelegenheit geben, seine Eigenkapitaldecke zu stärken. Das
bringt Sicherheit auch in schwierigen Zeiten und wird dazu beitragen, dass die
Insolvenzquote in diesem Land deutlich gesenkt werden kann. Ich frage mich,
warum Sie die Signale nicht hören: Die Führungskräfte in unserem Land haben
sich gestern zu Wort gemeldet und gesagt, sie erwarteten von der Union jetzt
endlich ein Einlenken zum Vorziehen der Steuerreform. Recht haben sie; dort
versteht man mehr von Wirtschaft als Sie mit Ihrer taktikbezogenen Politik.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Prognosen der Bundesregierung für das Wirtschaftswachstum 2004 liegen bei 1,7 Prozent. Das ist
aus meiner Sicht im unteren Schätzspektrum; internationale Banken gehen von
höheren Werten aus. Deshalb können wir zu Recht annehmen, dass Deutschland im
nächsten Jahr im Mittelfeld der EU-Wachstumsraten liegen wird.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Das war vor einem Jahr genauso und vor zwei und drei Jahren auch!)
Der Arbeitsmarkt folgt der positiven
Entwicklung wie üblich mit Verzögerung. Schon jetzt sind die ersten Signale
deutlich zu vernehmen. Im Oktober gab es saisonbereinigt 12 000 Arbeitslose
weniger. Das bestätigt, dass die Maßnahmen, die wir durch Hartz I und II auf
den Weg gebracht haben, greifen. Diese Zahlen spiegeln sich auch im Haushalt
des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit wider,
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Waren das die Zahlen im Vergleich zum Vorjahr?)
in dem zum Beispiel der Bundeszuschuss in Höhe von 7
Milliarden Euro in 2003 auf 5,2 Milliarden Euro in 2004 reduziert wird.
Die Strukturreformen wirken und weisen
auch in der Haushaltsdebatte in die richtige Richtung.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
In diesem Zusammenhang möchte ich einen Dank an unseren
Haushälter richten, der zwar nicht so spaßig wie Herr Fuchtel vorgetragen hat,
dafür aber sehr konkret war. Ich hatte während seiner sachlich vorgetragenen
Rede den Eindruck, dass Sie sich arrogant und dumm gezeigt haben. Ihr Verhalten
war jedenfalls aus meiner Sicht jämmerlich.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Der ist kein
Gewerkschaftler, der ist Oberlehrer! - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Es ist
eine Frechheit, was Sie hier sagen!)
Nun haben Sie angemahnt: „Ein Jahr
Clement, jeden Monat eine neue Reform!“ Wann hat es eigentlich mehr Reformen
gegeben als in diesem Jahr, wann sind mehr Reformen auf den Weg gebracht
worden?
Ich habe den Eindruck, Sie haben die
Übersicht verloren. Wenn Sie nicht den Reformprozess in wesentlichen Punkten -
zum Beispiel das Gesetz zur Novelle im Handwerk und das Kleinunternehmergesetz -
blockieren würden,
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Nennen Sie uns wenigstens ein Vorhaben, das überzeugt!)
dann würde die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr
noch besser verlaufen, als es bedingt durch die politischen Veränderungen, die
durch unsere Politik eingeleitet worden sind, ohnehin der Fall ist.
(Beifall bei der SPD
- Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das haben Ihnen doch Ihre Gewerkschaftssekretäre
aufgeschrieben!)
Wir wissen, dass wir unser Land nur durch Innovationen nach vorne bringen können. Notwendig ist
eine hohe Konzentration auf Innovationen. Trotz aller Sparanstrengungen haben
wir die Mittel für Forschung und Entwicklung im Haushalt erhöhen können. Auch
Existenzgründer und der Mittelstand werden stärker gefördert als im Vorjahr.
Unser Ziel ist es, eine Gründungswelle auszulösen.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Sie haben nur eine Pleitewelle ausgelöst! Das ist das Problem! -
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Sagen Sie einmal etwas zu den 41 000 Pleiten!)
Wir wollen den Aufbruch hin zu einem stärkeren
Unternehmergeist erreichen. In diesem Zusammenhang muss Herr Merz zur Kenntnis
nehmen, dass zwar die Beschäftigung auf der Stelle tritt,
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Auf der Stelle tritt? 600 000 weniger!)
dass aber die Zahl der Existenzgründungen steigt. Das ist
unser Ziel: Wir wollen in diesem Land die wirtschaftliche Dynamik erhöhen.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Damit unterstützen wir die Innovation in der deutschen
Wirtschaft.
Auch mit den Ich-AGs haben wir - wie Sie
zu Recht festgestellt haben - sehr erfolgreich Veränderungen auf den Weg
gebracht und das Unternehmertum aus kleinen Verhältnissen nach vorne gebracht.
Wir haben damit unter anderem das hervorragende Potenzial zur Innovation in
unserem Land genutzt, um mehr Beschäftigung zu schaffen, den Verbrauchern mehr
und bessere Produkte anbieten zu können und zu einem geringeren Verbrauch von
Ressourcen beizutragen. Das muss das Ziel der Innovationspolitik sein.
Innovationspolitik wird zum Motor der Agenda 2010. Wir können uns auf die Innovationsfähigkeit
der Menschen und der Unternehmen in unserem Land verlassen. Dafür haben wir mit
unserem Reformprojekt die Weichen gestellt. Die Agenda 2010 sorgt für eine
positive Dynamik. Es geht dabei um grundsätzliche Weichenstellungen und weit
reichende Umstrukturierungen in den Bereichen Finanzen, Wirtschaft und Arbeit
und in den sozialen Sicherungssystemen. Das Ziel ist eine neue Balance zwischen
ökonomischer Notwendigkeit, sozialem Zusammenhalt und gesellschaftlichem Aufbruch.
Es geht um die Modernisierung unserer Wirtschaft, ohne soziale Gerechtigkeit
preiszugeben.
Die Erfolge von Hartz I und Hartz II - ich
habe es bereits angesprochen - sind bereits jetzt deutlich erkennbar: mehr als
200 000 Existenzgründungen mit arbeitsmarktpolitischen Förderinstrumenten in
diesem Jahr! Das ist ein Erfolg, der sich sehen lassen kann.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch die Minijobs
leisten einen erheblichen Beitrag zur Flexibilisierung, ohne die sozialen
Sicherungssysteme zu belasten.
(Hartmut Schauerte
(CDU/CSU): Wer hat die denn beschlossen? Das mussten wir Ihnen doch
beibringen!)
- Herr Schauerte, ich habe doch an den Gesprächen in der
Arbeitsgruppe teilgenommen. Wir haben dafür gesorgt, dass
Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden, damit die Sozialkassen nicht
geplündert werden. Sie hingegen haben einen allgemeinen Steuerbeitrag
befürwortet. Insofern müssten Sie uns dafür dankbar sein, dass wir im
Vermittlungsverfahren diese Position bezogen haben: einfaches Verfahren,
Sozialkassen nicht belasten, Flexibilität gewährleisten!
(Hartmut Schauerte
(CDU/CSU): Wer hat sie denn kaputtgemacht?)
Das ist allenfalls unser gemeinsames Werk, aber Sie können
den Erfolg nicht für sich allein beanspruchen.
(Beifall bei der SPD)
Mit Hartz III und IV runden wir die
Reformen ab. Jetzt geht es um das Kernstück, nämlich erhebliche
Effizienzsteigerungen, die wir zum Beispiel dadurch erreichen wollen, dass in
den Jobcentern die Betreuung aus einer Hand sichergestellt wird. Anstelle von
Verschiebebahnhöfen soll es klare Zuständigkeiten und aktivierende Maßnahmen in
einer Hand geben. Fördern und Fordern ist unser Prinzip für eine aktivierende
Sozialpolitik. Das wollen wir mit Hartz III und IV umsetzen. Dafür muss die
Bundesanstalt für Arbeit zu einem modernen und kundenorientierten Dienstleister
für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie auch für die Arbeitgeber umgebaut
werden.
Ich baue darauf, dass die Opposition im
Vermittlungsausschuss endlich konstruktiv mitarbeitet. Denn die Gesetze zu
Hartz III und IV bringen immerhin einen Effizienzgewinn in Höhe von 5
Milliarden Euro. Wer kann sich einem solchen Effizienzgewinn verweigern?
Ich nenne ein weiteres Stichwort: die Personal-Service-Agenturen,
die im Mai/Juni dieses Jahres angelaufen sind. Bis Oktober - also vier bis fünf
Monate später - haben 952 Agenturen mit 42 695 Plätzen ihre Tätigkeit
aufgenommen. Wer kann denn da von Misserfolg sprechen? Es ist eine beachtliche
Leistung, das anvisierte Ziel von 50 000 Plätzen in den
Personal-Service-Agenturen in noch nicht einmal einem halben Jahr zu erreichen.
Zerreden Sie doch nicht immer die ansonsten positiven arbeitsmarktpolitischen
Instrumente, helfen Sie mit, dass sie in der Gesellschaft akzeptiert werden,
meine Damen und Herren!
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Erhebliche Vorteile werden den Kommunen
auch dadurch erwachsen, dass sie durch die Hartz-IV-Reform finanziell entlastet
werden.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Sie werden rund 2 Milliarden weniger haben!)
Wir stehen zu unserem Wort, auch wenn es zu einer anderen
als der ursprünglich geplanten Finanzierung kommen kann: Entlastungen in Höhe
von 2,5 Milliarden Euro sollen bei den deutschen Kommunen
ankommen.
Wichtig ist, dass die neuen Bundesländer
bei uns nicht hinten runterfallen. Der Schwerpunkt der aktiven
Arbeitsmarktpolitik liegt weiterhin eindeutig im Osten. Die Vorschläge des
bayerischen Ministerpräsidenten, ABM zu streichen, kommen für uns nicht
infrage.
(Beifall bei der SPD)
Auch Friedrich Merz macht Schnellschüsse,
wenn er erhebliche Einsparungen bei der BA fordert. Arbeitsmarktpolitik ist
keine Manövriermasse. Das Streichen von ABM bringt übrigens keine Einsparungen
von Milliarden, wie es öffentlich dargestellt wird, sondern gerade einmal 100
Millionen. Sofort mehr Geld in Lohnersatzleistungen, Löcher auf der einen Seite
zustopfen, auf der anderen Seite aufreißen - das ist keine kontinuierliche
Politik und deshalb mit uns auch nicht zu machen.
(Beifall bei der SPD
- Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das ist doch aber das, was Sie immer machen, Herr
Brandner!)
Die Kommunen wollen wir noch stärker
einbinden, und zwar nicht nur rechtlich. Es geht dabei nicht nur um Zusammenarbeit,
sondern auch darum, durch die Übernahme finanzieller Verpflichtungen einen
Anreiz auch für die Kommunen zu schaffen, aktiv etwas zur Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit zu tun.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Ihnen steht das Wasser bis zum Hals! Das ist Ihr Anreiz!)
Das bringen wir im Vermittlungsausschuss auf den Weg. Wir
gehen auf die Union zu. Sie haben keinen Grund mehr, sich zu verweigern, meine
Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD)
Zu der Frage der Arbeitsmarktreform als
eines eigenständigen Projekts erinnere ich daran, dass selbst der
Sachverständigenrat Ihr politisches Junktim zwischen Steuerreform und
Arbeitsmarktreform für abwegig hält. Wo ist der Zusammenhang zwischen
Steuerreform, Handwerksordnung und Tarifautonomie? Oder ist Ihr Blockademanöver
ein taktisches Manöver? Dann sollten Sie es offen zugeben. Jedenfalls lassen
wir Sie damit nicht einfach durchkommen.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege Brandner, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Klaus Brandner (SPD):
Ich komme zum Schluss.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Sie sind am Ende! - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Herr Brandner,
Sie haben hier geschwindelt, was die OECD anbetrifft!)
Für taktische Manöver im Rahmen der
Tarifautonomie haben wir in der Tat keinen Raum. Wir sind dankbar, dass der
zuständige Minister hierzu eine klare Aussage im Parlament gemacht hat. Dies
zeigt, dass sich unsere Fraktion zu diesem Thema politisch eindeutig verhält.
Mein Fazit: Deutschland ist auf dem Weg
nach vorn. Dies wird durch die konjunkturellen Daten und durch die Wissenschaft
belegt. Internationale Institute loben die Reformpolitik. Alle Indikatoren
zeigen nach oben. Das Boot nimmt wieder Fahrt auf. Wir dürfen nicht über die
geflickten Löcher lamentieren, sondern sollten uns über die neuen, besseren
Segel freuen, die wir durch die Reformpolitik gesetzt haben. Wir haben im
Vermittlungsausschuss die Verantwortung und bitten Sie, sie auch wahrzunehmen.
Nehmen Sie sie gemeinsam mit uns wahr, damit Deutschland im Reformprozess
wieder nach vorne kommt.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau.
Petra Pau (fraktionslos):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die
PDS im Bundestag gehören die Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftspolitik zu
den zentralen aktuellen Politikbereichen. Dies sind zugleich die Themen, die
neben der Friedensfrage nahezu jeden bewegen und sehr viele Menschen betreffen.
Jüngst war ich in Erfurt, Thüringen. Dort ist jeder Fünfte arbeitslos und nicht
wenige sind inzwischen hoffnungslos. Dasselbe habe ich in Bremerhaven erlebt.
Saarländer schreiben mir und auch aus Bayern habe ich in dieser Woche solche
Notrufe bekommen.
Ich stelle dies voran, damit wir hier
nicht nur Haushaltstitel deklinieren, die außerhalb des Bundestages niemand
versteht. Wir reden hier über mehr als 4 Millionen Arbeitslose. Wir sprechen
über Tausende von Jugendlichen ohne Lehrstelle. Wir diskutieren über Wege aus
der Ungerechtigkeit; jedenfalls ist das der Anspruch der PDS.
(Beifall der Abg. Dr.
Gesine Lötzsch (fraktionslos))
Ich weiß sehr wohl, dass ich hier gegen
eine große Mehrheit rede. Die Opposition zur Rechten liegt im Streit mit sich
selbst. Sie sucht ihren Superstar. Merkel, Stoiber, Koch oder Merz? Mit
sozialer Gerechtigkeit hat das, was Sie aufführen, nichts zu tun. Allerdings
lauert dahinter die Frage: Wie verdeckt oder offen lässt sich der Sozialstaat
entsorgen? Frau Merkel steht für die verdeckte Variante, Herr Koch für die
brutale und Herr Stoiber für die egoistische. Der Rest des ganzen Spektakels
ist Parteitaktik. Sie hilft aber niemandem ohne Arbeit oder ohne Lehrstelle.
(Beifall der Abg. Dr.
Gesine Lötzsch (fraktionslos))
Früher bot die SPD dazu das
Kontrastprogramm. Nun hat sie aber in Bochum getagt und grünes Licht für die Agenda 2010 gegeben, die unsozial und auch ungerecht ist.
Es war - leider - nichts anderes zu erwarten. Spannend war für mich nur das
Rahmenprogramm des SPD-Parteitages in Bochum. „Das Wichtige tun“ hieß die
Parteitagslosung. So habe ich immerhin gelernt: Die SPD versteht sich als
Partei der Wichtigtuer.
(Beifall der Abg. Dr.
Gesine Lötzsch (fraktionslos))
Dann wurde auf diesem Parteitag auch gewählt. Wer die Agenda
2010 verbrochen hatte, wurde bestraft, wer dagegen war, ebenso. Zum Schluss
wurde auch noch gesungen. Etwas kläglich, aber drohend kündigten Sie an: Mit
uns zieht die neue Zeit!
Der Kardinalfehler der Agenda 2010 ist:
Sie machen 4 Millionen Arbeitslose dafür verantwortlich, dass es
4 Millionen Arbeitslose gibt. Das Wesen Ihrer Agenda besteht darin, die
Betroffenen zu ermitteln, anzuklagen und abzustrafen. Arbeitslosen wird die
Hilfe gekappt. Kranke werden abkassiert. Alten wird die Rente gekürzt. „Damit
machen wir“ - so meinte der Bundeskanzler in der gestrigen Debatte -
„Ressourcen frei für wesentliche Zukunftsaufgaben.“ Mir fällt dabei das Märchen
vom Kaiser mit den neuen Kleidern ein, die kein anderer sehen kann.
(Beifall der Abg. Dr.
Gesine Lötzsch (fraktionslos))
Die PDS im Bundestag hat nie behauptet,
sie habe den Stein der Weisen gefunden. Wir haben immer gesagt: Es muss
grundlegende Reformen geben. Das haben wir übrigens schon gesagt, als sich die
offizielle Altbundesrepublik noch für den letzten Schluss aller Geschichte
hielt. Bereits damals war die Arbeitslosigkeit extrem hoch und die
Staatsverschuldung mehr als bedenklich. Auch andere Fragen, etwa die
demographische Entwicklung, drängten längst. Dass die Arbeitswelt im
21. Jahrhundert anders sein wird als im 19. Jahrhundert, wusste - mit
Verlaub - schon Karl Marx. Insofern wünsche ich mir, dass er morgen im ZDF zum
„besten Deutschen“ gewählt wird.
(Beifall der Abg. Dr.
Gesine Lötzsch (fraktionslos))
Die eigentliche Frage ist also nicht, ob
etwas verändert werden muss. Die spannende Frage ist vielmehr, welchem Ziel die
Reformen dienen sollen. Ihre Reformen brechen mit den guten
sozialdemokratischen Werten wie Solidarität und Gerechtigkeit. Das Schlimme
ist, dass Sie das wissen. Es ist doch kein Zufall, wenn die Bundesanstalt für
Arbeit Millionen für PR-Arbeit zum Fenster hinauswirft. Die Bundesregierung
macht doch nichts anderes. Sie lässt landauf, landab Großplakate kleben, um die
Agenda 2010 schönzumalen. Keine Bürgerin und kein Bürger hat sie bestellt. Aber
alle müssen sie bezahlen, und zwar sowohl die Plakate als auch die Agenda 2010.
(Beifall der Abg. Dr.
Gesine Lötzsch (fraktionslos))
Geradezu obszön wird es, wenn die neuen Bundesländer zum gelobten Land gekürt werden.
Allein der Glaube, mehr Billigjobs seien gut gegen die Arbeitslosigkeit, ist
absurd. Der Osten ist bereits ein Billiglohnland. Die Forderungen nach längeren
Arbeitszeiten werden immer lauter. Aber im Osten wird schon länger gearbeitet.
Sie fordern außerdem eine Lockerung des Tarifrechts. Im Osten ist es bereits so
locker wie nirgendwo sonst in Deutschland. All diese Heilslehren werden in den
neuen Bundesländern also längst praktiziert. Die neuen Bundesländer belegen
aber beispielhaft: Diese Heilslehren machen nicht gesünder, sondern kränker.
Deshalb lehnt die PDS im Bundestag die Agenda 2010 ab.
(Beifall der Abg. Dr.
Gesine Lötzsch (fraktionslos))
Hinzu kommt: Arbeitsbeschaffungs- sowie
Ausbildungsmaßnahmen sollen abgebaut und Fördermittel gekürzt werden. Das
verschärft die Lage auf dem Arbeitsmarkt und der strukturschwachen Regionen.
Fazit: Die PDS im Bundestag wird auch
diesen Teil des Haushaltes ablehnen müssen.
(Beifall der Abg. Dr.
Gesine Lötzsch (fraktionslos))
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Kurt Rossmanith,
CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der
CDU/CSU)
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Deutschland erlebt eine sehr negative und schlimme Woche:
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Das stimmt! Leider wahr!)
Wahrscheinlich wird der Bundestag diese Haushaltsvorlage
heute in zweiter und morgen in dritter Lesung verabschieden und damit einen
Verfassungsbruch begehen. Dazu kommt das, was Bundesminister Eichel in Brüssel
Europa und unserem Land, Deutschland, angetan hat. Holger Steltzner hat dies
vorgestern in der „FAZ“ zu Recht mit den Worten „Verspielen des letzten
Vertrauens“ betitelt.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir erleben dergleichen praktisch seit
1998 - also seit Jahren -, als man angetreten ist, ganz Deutschland neu zu
gestalten. Thomas Wels schreibt in der „Rheinischen Post“: „Deutschland
zertrümmert den Euro“ und „Deutschlands Verhalten ist ein Skandal“. Leider Gottes
muss ich sagen: Beide, Steltzner und Wels, haben Recht.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Bundesregierung unter Bundeskanzler
Gerhard Schröder hangelt sich von einer Unwahrheit zur nächsten. Zahlen werden
erst einmal geschönt; wenn die Fakten dann auf dem Tisch liegen, wird das, was
man vorher präsentiert hat, in immer kürzeren Intervallen als Lüge entlarvt.
Herr Kollege Klaus Brandner, vor dem Mut,
den Sie hier gezeigt haben, muss man fast Respekt haben.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Das war Dreistigkeit!)
- Ich wollte es nicht ganz so drastisch sagen; aber an
sich müsste man es so formulieren. - Sie haben nämlich gesagt, die OECD
verlange von uns, die Steuersenkung vorzuziehen. Vielleicht hatten Sie heute
noch nicht die Möglichkeit, die Zeitung zu lesen; das sehe ich Ihnen nach.
Allerdings ging schon gestern über den Ticker, dass die OECD vor einer
Steuersenkung auf Pump - etwas anderes fällt Ihnen ja nicht ein - warnt.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr wahr! - Dietrich
Austermann (CDU/CSU): Dann hat er ja gelogen, der Brandner! Der läuft ja auf
der Schädeldecke!)
Sie schwadronieren von diesem und jenem. Was machen Sie? -
Pump, Pump, Pump und noch einmal mehr Schulden.
Ein weiterer Beweis dafür, dass Lügen
kurze Beine haben, ist Folgendes: Als diese Bundesregierung am 2. Juli
dieses Jahres den Haushaltsentwurf für das Jahr 2004 beschlossen hat,
wurde noch großspurig verkündet, das Wirtschaftswachstum
im Jahr 2003 liege bei 1 Prozent und im Jahr 2004 bei
2,5 Prozent. Das Herbstgutachten, das vor wenigen Wochen veröffentlicht
wurde - seit dem 2. Juli waren kaum mehr als drei Monate vergangen -,
besagt, Herr Bundeswirtschaftsminister, dass das Wirtschaftswachstum dieses
Jahres bei 0 Prozent und im kommenden Jahr, 2004, bei maximal
1,7 Prozent liegen wird. Man muss wissen, dass 0,5 Prozentpunkte bis
0,6 Prozentpunkte dieser 1,7 Prozent Wachstum dadurch zustande
kommen, dass im Jahr 2004 mehr Feiertage auf das Wochenende fallen werden.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege Rossmanith, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Brandner?
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Aber selbstverständlich, sehr gern. Ich habe gar nicht
gesehen, dass er eine Zwischenfrage stellen möchte.
Klaus Brandner (SPD):
Sie haben gerade davon gesprochen, dass Lügen verbreitet
werden. Die AP schreibt am 26. November 2003 - wollen Sie das bestreiten? -:
Die OECD sieht Deutschland vor
einem verhaltenen Aufschwung und hat die Bundesregierung zu weiteren Strukturreformen
ermuntert.
Diese Reformen nehmen wir gerade vor. Etwas weiter unten
heißt es:
„Wir glauben, dass die Wende da
ist“, sagte OECD-Ökonom Eckhard Wurzel. Ein Vorziehen der Steuerreform auf
nächstes Jahr könne der Konjunktur ein weiteres Plus bis 0,3 Prozentpunkten
bringen.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Weiterlesen!)
- Im Weiteren ist zu lesen, dass der Reformprozess, den die
Bundesregierung in Angriff genommen hat, richtig ist, dass aber noch weitere
Anstrengungen notwendig sind, beispielsweise zur Verlängerung der
Lebensarbeitszeit. - Alles das sind Maßnahmen, die in der Rentengesetzgebung
jetzt ganz konkret angegangen werden.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie:
Erstens. Wollen Sie unterstellen, dass ich Lügen vorgetragen habe? Zweitens.
Wollen Sie zur Kenntnis nehmen, dass die OECD davon ausgeht, dass das Vorziehen
der Steuerreform dringend notwendig ist, um mehr wirtschaftliches Wachstum in
diesem Land zu erzeugen?
(Beifall bei der SPD
sowie der Abg. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Herr Kollege Brandner, ich bleibe bei meiner Aussage;
(Dr. Thea Dückert
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht lernfähig!)
denn ich habe Ihnen ja zugehört. Sie haben gesagt: Die OECD verlangt von Deutschland, die Steuerreform
vorzuziehen. - Das ist falsch.
Heute steht dazu etwas in der „Welt“.
Gestern ist es im Wortlaut über den Ticker gelaufen- ich zitiere-: Die OECD
warnt vor Steuersenkung auf Pump.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Ja!)
Geplante Entlastung kann Wachstum nur um 0,25Prozentpunkte
steigern. Subventionsabbau geboten. - Das ist wieder ein Beispiel für das, was
Sie ständig vorführen.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Um wahr zu sprechen, muss man die ganze Wahrheit sagen und
darf nicht selektiv nur irgendeinen Satz herausziehen.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir müssen Ihnen vorwerfen, dass Sie nur immer Sätze
zitieren, aber nicht den Gesamtzusammenhang darstellen. Damit vermitteln Sie
nach außen das Bild, dass Sie handlungsfähig und handlungswillig sind. Sie
haben ja auch vorhin gesagt: Wir wollen dies, wir wollen dies, wir wollen dies.
(Klaus Brandner
(SPD): Wir machen das auch!)
Tatsächlich muss man aber den Eindruck haben, dass Sie sich-
Herr Brandner, damit meine ich Ihre Partei, nicht Sie persönlich- der
4,5MillionenArbeitslosen mehr oder weniger überhaupt nicht annehmen, dass Sie
sich für sie mehr oder weniger gar nicht interessieren. Die Maßnahmen, die
notwendig wären, um den Arbeitsplatzabbau zu stoppen, um wieder mehr
Beschäftigung zu schaffen, um wieder Menschen in Arbeit und Brot zu bringen,
werden nicht getroffen. Es geht dabei nicht allein um die, die jetzt im
Arbeitsprozess sind, auch wenn die ebenfalls Angst um ihren Arbeitsplatz haben,
sondern um die 4,5MillionenArbeitslosen, die wieder eine Beschäftigung
brauchen. Um diese Menschen müssen wir uns genauso sorgen, vielleicht noch mehr
als um jemanden, der einen sicheren Arbeitsplatz als Präsident irgendeiner
riesigen Anstalt mit 80000Mitarbeitern hat.
(Beifall bei der
CDU/CSU- Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr gute Antwort!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege Rossmanith, gestatten Sie eine weitere
Zwischenfrage, nämlich des Kollegen Brüderle?
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Aber selbstverständlich, Herr Kollege.
Rainer Brüderle (FDP):
Kollege Rossmanith, sind Sie bereit, mir darin zuzustimmen,
dass diese OECD-Studie, auf die sich Herr Brandner beruft, noch ganz andere
markante Sätze beinhaltet? Ich zitiere einmal: Der Chefökonom der OECD warnt
vor überzogenen Erwartungen. Wurzel bezweifelt etwa, dass das Vorziehen der
Steuersenkung 2004 einen positiven konjunkturellen Effekt hat, wenn sie nicht
voll durch Ausgabenkürzungen, etwa Subventionsabbau, kompensiert wird.
(Beifall der Abg.
Gudrun Kopp (FDP))
Hundertprozentige Kompensation durch Ausgabenkürzung ist
also die Forderung der OECD. Das unterschlagen Sie!
Es heißt da weiter: Für einen nachhaltigen
Aufschwung braucht Deutschland nach Ansicht der OECD - alles wörtliches Zitat -
eine dauerhafte Stärkung der Binnennachfrage. - Sie haben gehört, was Herr
Clement dazu gesagt hat. - Dafür seien die Reformen unerlässlich und müssten
unbedingt weitergeführt werden, auf dem Arbeitsmarkt wie bei der gesetzlichen
Renten- und Krankenversicherung.
Damit, Herr Kollege, wird durch Herrn
Brandner doch ein völlig falscher Eindruck erweckt; er will von der wahren Lage
ablenken. Kommen Sie doch endlich in der Realität an!
(Beifall bei der FDP)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege Brüderle, haben Sie eine Frage an Herrn
Rossmanith gestellt?
(Rainer Brüderle
(FDP): Ja, natürlich die, ob er das teilt!)
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Frau Präsidentin, ich habe die Frage sehr wohl verstanden.
(Heiterkeit bei der
CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich bin dem Kollegen sehr dankbar dafür, dass er es mir
abgenommen hat, weite Teile der OECD-Studie vorzulesen. Ich wollte die Debatte
hier nicht unnötig verlängern.
Herr Kollege Rainer Brüderle, ich kann
Ihnen uneingeschränkt zustimmen. Genau das ist es, was ich dem Kollegen Klaus
Brandner und vielen seiner Parteigenossinnen und Parteigenossen vorwerfe,
nämlich dass sie eine Politik der Beliebigkeit betreiben, dass sie sich Studien
immer zurechtbiegen,
(Klaus Brandner
(SPD): Bleibe bei der Wahrheit, Rossmanith!)
so wie sich der Herr Bundesminister Eichel den Haushalt so
zurechtbiegt, wie er ihn gerade haben will. Wir können dann im Januar sofort am
Nachtragshaushalt für das Jahr 2004 zu arbeiten beginnen. Diesen Haushalt jetzt
in zweiter und morgen in dritter Lesung zu beschließen ist geradezu hanebüchen.
(Beifall bei der
CDU/CSU - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Eine gute Antwort!)
Wer sich damit befasst, der müsste über dieses Parlament
lachen. In dieser Debatte deutlich zu machen, was insbesondere Bundeskanzler
Schröder von sich gibt, der sich gleichsam als neuer Ludwig XIV. aufführt
und nach dem Motto „Der Staat bin ich“ handelt, entspricht ja auch unserem
Auftrag.
(Ute Kumpf (SPD):
Was?)
Ihn interessieren ja kaum seine Regierungskollegen und noch
viel weniger das Parlament.
Frau Präsidentin, ich bin noch bei der
Antwort auf die Frage des Kollegen Brüderle, doch Sie haben mir jetzt eine
ganze Minute abgezogen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Nein, Herr Kollege Rossmanith, nicht die ganze Minute. Da
Sie jetzt nicht mehr konkret auf die Frage antworten, habe ich die Redezeit
weiterlaufen lassen. Da kann der Kollege Brüderle ruhig die ganze Debatte
stehen bleiben.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Liebe Frau Präsidentin, Sie sind mir lieb und teuer. Ich mag
Sie persönlich auch sehr. Ich kritisiere Sie nicht, möchte aber feststellen,
dass ich noch bei der Antwort war. Ich sage damit nur, was ich getan habe. -
Ich danke Ihnen, Herr Brüderle, noch einmal sehr herzlich.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Herr Kollege Brandner, erinnern Sie sich
noch an den Wahlkampf 2002? Sie haben eine geradezu kultische Weihehandlung im
Deutschen Dom am Gendarmenmarkt vollzogen, als Sie das Hartz-Konzept
vorstellten. Ich habe mich gewundert, dass so viele Medien darauf
hereingefallen sind und dabei mitgemacht haben. Denn was kam heraus? - Nichts.
Von einer Eins-zu-eins-Umsetzung von Hartz spricht keiner mehr.
(Ute Kumpf (SPD): Das
ist längst erledigt! Warum sollten wir noch darüber sprechen?)
Ich möchte hier Bundesminister Clement fast etwas in Schutz
nehmen. Er bemüht sich ja ernsthaft. Zwar schafft er außer Ankündigungen auch
nichts, doch seinen Genossen geht es selbst noch zu weit, dass er überhaupt
Ankündigungen macht. Denn wie verfahren sie mit ihm? Auf dem Parteitag in
Bochum straften sie ihn ab. 44 Prozent der Parteigenossen sagten Nein zu
dem eigenen amtierenden Wirtschaftsminister.
(Ute Kumpf (SPD): Wie
lernt man denn in Bayern das Rechnen, Kollege Rossmanith?)
Man muss sich wohl wirklich Gedanken darüber machen, welche
Stellung er noch in dieser Regierung und in dieser Partei hat, die er
mitvertreten soll.
Der Haushaltsansatz Ihres Hauses, der am
2. Juli beschlossen wurde - der Kollege Fuchtel ist ja schon darauf
eingegangen -, betrug 25 Milliarden Euro. Dann wurden so einfach mir
nichts, dir nichts 8 Milliarden hinzugefügt. Jetzt haben wir fast
33 Milliarden - ein enormer Zuwachs innerhalb von ganz wenigen Wochen.
Auch der Kanzler nimmt Sie überhaupt nicht
mehr ernst. Ich habe vorhin gesagt, dass er sich wie ein zweiter
Ludwig XIV. verhält und nach dem Motto „Der Staat bin ich“ verfährt. Er
schüttelt nämlich am Steinkohletag einfach so 16 Milliarden Euro aus dem
Ärmel und sagt sie dem Steinkohlebergbau zu. Das
sind über 31 Milliarden Deutsche Mark, um das auch noch einmal in der
alten Währung zu sagen. Damit sollen 20 000 Arbeitsplätze gesichert
werden. Es wird niemand gefragt, weder Sie noch das Parlament, das ja dies
beschließen muss und dafür auch Verantwortung trägt. Es ist keine Vereinbarung
oder irgendetwas anderes beschlossen worden; es liegt noch nichts auf dem
Tisch, aber der Genosse der Bosse sagt schlicht und einfach schnell
16 Milliarden Euro zu.
Zugleich nimmt er dem Mittelstand die Luft weg. Der Kreditversicherer Euler
Hermes rechnet für das kommende Jahr - dazu haben Sie überhaupt nichts gesagt,
Herr Bundesminister Clement - mit 43 000 Insolvenzen. Wir haben in
diesem Jahr schon netto 600 000 Arbeitsplätze verloren. Das
interessiert Sie bzw. diesen Bundeskanzler aber überhaupt nicht.
Für vieles andere haben Sie aber Geld. Ich
will nur ein kleines Beispiel nennen; Sie mögen es als Petitesse abtun, aber
200 000 Euro sind immerhin auch schon etwas; dafür kann man sich
durchaus ein kleines Häuschen hinstellen.
(Ute Kumpf (SPD): Ein
kleines Häuschen? Ei!)
- Bei mir im Allgäu ist das halt so. Da sind die
Grundstückpreise etwas höher.
(Ute Kumpf (SPD):
Was? - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beim Allgäu werde ich allergisch!)
- Und die Allgäuer werden allergisch, wenn Sie kommen, Herr
Kuhn.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Vorsicht! Ich bin aus dem
Allgäu!)
Deshalb bleiben Sie lieber weg und verschonen Sie uns mit
Ihrer politischen Anwesenheit.
(Zurufe von der SPD:
Oh! - Ute Kumpf (SPD): Das ist aber kein guter Stil! - Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Na ja, aus Kaufbeuren ist er!)
Die Grünen stellen einen Antrag auf 200
000 Euro für nachhaltigen Tourismus. Die Frage, was das eigentlich sein solle,
konnte niemand beantworten. Allerdings wurde dann erklärt, man wisse, wer
wisse, was nachhaltiger Tourismus sei. Aber beschlossen musste es werden.
Dass es bei der Gemeinschaftsaufgabe etwas
Bewegung gegeben hat, will ich positiv erwähnen, lieber Kollege Kröning. Auch
die Wettbewerbshilfe für die Schiffswerften ist ein wesentlicher Punkt. Ebenso
will ich die Luftfahrtförderung positiv erwähnen, auch wenn es mehr hätte sein
können. Sie wird ja gegenüber den vergangenen Jahren leicht zurückgefahren.
Herr Bundesminister Clement, Sie haben den
Export angesprochen. Weltweit steigt der Export um
7,4 Prozent. Bei uns wird die Steigerung deutlich unter der 5-Prozent-Marke
liegen. Das heißt, auch hier sind wir mehr oder weniger im Minus, und das in
einem Bereich, der uns noch einigermaßen über Wasser gehalten hat.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege, auch Sie sind deutlich im Minus.
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Mein letzter Satz, Frau Präsidentin.
Der Kollege Müntefering - er ist im Moment
nicht da - hat gestern gesagt, Deutschland solle wieder der Wirtschaftsmotor
Europas werden.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): „Letzter Satz“! Das ist doch kein Satz!)
Immerhin erkennt er damit an, dass wir im Moment die Letzten
in Europa sind und alles tun müssen, um wieder in die Spitzenklasse Europas zu
gelangen.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Jetzt reicht es!)
Dazu ist es notwendig, eine verantwortungsvolle Politik zu
gestalten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass diese Bundesregierung ihre
Arbeit schleunigst beendet.
Wir müssen den Einzelplan 09 zu unserem
großen Bedauern ablehnen.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Ernst Hinsken,
CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU - Klaus Brandner (SPD): Überziehen Sie jetzt nicht!
Denken Sie daran: Wir wollen uns einigen!)
Ernst Hinsken (CDU/CSU):
Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und
Kollegen! Ein wesentlicher Teil der heutigen Debatte und der Abstimmungen ist
dem Handwerksrecht gewidmet. Deshalb möchte ich mich insbesondere der Novelle
der Handwerksordnung zuwenden; denn kein anderes Thema hat das Handwerk in den
letzten Wochen und Monaten mehr beschäftigt als die Novellierung dieses
Gesetzes.
Die Änderung der Handwerksordnung
ist derzeit in vieler Munde, besonders in Handwerkskreisen. Noch nie ist in den
Medien so viel Unfug über die Rolle des Handwerks und über das Handwerk als
Wirtschaftsgruppe in Wort, Schrift und Bild publiziert worden wie in den
letzten Wochen.
Eines möchte ich in aller Deutlichkeit
gleich eingangs feststellen: Wir von der CDU/CSU sehen auch beim Handwerksrecht
dringenden Handlungsbedarf. Aber wir wollen gemeinsam mit dem Handwerk eine
Änderung der Handwerksordnung herbeiführen, die die Selbstständigkeit fördert,
den Zugang zum Handwerk europatauglich macht, die Ausbildung sichert, die
Verbraucher schützt und die Qualität in den Vordergrund stellt.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Wir wollen eine Modernisierung der Handwerksordnung mit
Verstand, Maß und Ziel, Herr Minister Clement. Qualität, Flexibilität und
Nachhaltigkeit wollen wir gleichermaßen sichern. Wir wenden uns deshalb massiv
gegen einen Kahlschlag in der Handwerksordnung. Denn was Sie von Rot-Grün und
von der Bundesregierung planen, sind in der Tat keine Nadelstiche mehr, sondern
Dolchstöße, die für das Handwerk lebensgefährlich sind.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Regierungsentwurf zur
Änderung der Handwerksordnung ist wahrlich keine Meisterleistung, sondern ein
ausgemachter Pfusch. Ich werde den Eindruck nicht los, dass Sie damit Ihren eigenen
Pfusch zum Standard erklären möchten. Ein Blick auf die LKW-Maut und das
Dosenpfand zeigen dies ganz deutlich.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Jetzt ist die Handwerksordnung dran. Meine
Damen und Herren, hierzu gibt es nur ein Fazit: Diese Bundesregierung denkt
nichts richtig an, denkt nichts richtig durch, denkt auch nicht richtig zu Ende
und denkt schon gar nicht an die Folgen. Meine Damen und Herren von der
Bundesregierung, Sie machen schon beim Denken Denkfehler.
(Lachen bei der SPD)
Sie, meine Damen und Herren, sind selbst die Fehler, die wir
in der Bundesrepublik Deutschland zu verzeichnen haben.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine
richtige Handwerksreform - ja. Ein europafester Meisterbrief - auch ja. Viele
wettbewerbsfähige Betriebe - ebenso ja. Goldener Boden für das Handwerk, wie es
früher hieß - auch ja. Aber das Kind mit dem Bade ausschütten und den
Meistertitel über Bord werfen - grundsätzlich nein.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Meine Damen und Herren, im nächsten Jahr
ist mit 43 000 Firmenpleiten mit einem neuen
Pleitenrekord beim Mittelstand zu rechnen. Darunter sind über 10 000
Handwerksbetriebe. Das ist katastrophal. Die Bundesregierung verschließt davor
die Augen. Diese 43 000 Betriebe können auch nicht mehr ausbilden. Dadurch
sind wiederum 80 000 Ausbildungsplätze flöten gegangen, wie mir Kollege
Feibel noch einmal sagte.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Leider, leider
wahr! - Klaus Brandner (SPD): Nur 30 Prozent bilden aus!)
Die Bundesregierung nimmt das einfach nicht zur Kenntnis.
Wenn Mittelständler, die vor Jahren noch zwölf Beschäftigte hatten, nunmehr nur
noch zwei haben, dann ist Feuer auf dem Dach. Der deutsche Mittelstand ist nach
über fünf Jahren Rot-Grün völlig ausgeblutet und steht mit dem Rücken zur Wand.
Jetzt geraten auch gestandene Firmen, die sich zum Teil jahrzehntelang im
harten Wettbewerb bewährt haben, in den Abwärtssog. Seit Jahren sinkt die
Eigenkapitalquote, die jetzt bei nur noch 17 Prozent und bei kleineren
Betrieben bei sage und schreibe nur noch 6 Prozent liegt. Das ist das
Problem, das unsere Betriebe haben und das unsere Wirtschaft hat, nicht die Handwerksordnung.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Meine Damen und Herren, Bundeskanzler
Schröder wäre gut beraten, den Mittelstand und das Handwerks so ins Herz zu
schließen, wie er das bei Holzmann, bei Babcock und bei Mobilcom getan hat.
Beim Mittelstand hätte er zumindest mehr Erfolg. Aber leider redet man über den
Mittelstand nur und tut für ihn zu guter Letzt nichts.
Lassen Sie mich, verehrte Kolleginnen und
Kollegen, auf die aktuelle Lage bei der Novellierung der Handwerksordnung
eingehen. Dabei geht es um das Gesetz zu den Ich-AGs und die große Novelle zur
Handwerksordnung. Beide Gesetze müssen in einem engen Gesamtzusammenhang
betrachtet werden. Deshalb begrüße ich, Herr Minister Clement, dass man bereit
ist, die beiden Gesetze, zum einen die Handwerksordnung und zum anderen das
Kleinunternehmergesetz, zusammen im Vermittlungsausschuss zu beraten. Ich gehe
davon aus, dass hier vernünftige Grundlagen geschaffen werden, die dem Handwerk
das Leben nicht erschweren, sondern ihm das Leben erleichtern, damit die
Betriebe in Zukunft besser über die Runden kommen.
Ich meine, dass gerade bei den Ich-AGs darauf verwiesen werden muss, dass sie bei weitem
nicht das in sich bergen, was vielfach behauptet wird. Herr Minister Clement,
ich prophezeie Ihnen, dass wir im kommenden Jahr Tausende und Abertausende von
Ich-AGs bekommen werden, aber ich prophezeie Ihnen in diesem Zusammenhang auch,
dass sie in drei Jahren, wenn sie staatlich nicht mehr subventioniert werden,
wenn sie Steuern zahlen müssen und verschiedene andere Belastungen wie die
Normalbetriebe zu tragen haben, genauso schnell wieder von der Bildfläche
verschwinden, wie sie jetzt ins Leben gerufen werden.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ich frage Sie, verehrte Kolleginnen und
Kollegen: Wie soll zum Beispiel ein Friseur- oder ein Steinmetzmeister animiert
werden, mehr Lehrlinge auszubilden, wenn er weiß, dass diese nach der
Ausbildung als Ich-AGler seine größten Konkurrenten werden? Sie brauchen keine
Meisterprüfung mehr, werden dafür aber noch durch den Staat subventioniert.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Quatsch! Unsinn!)
Damit wird das Handwerksrecht systematisch durch die
Hintertür ausgehöhlt. Deshalb müssen die Ich-AGs auf den Bereich der bisherigen
Anlage B beschränkt werden. Bei in Anlage A befindlichen Berufen darf
es keine einfachen Tätigkeiten in Teilbereichen
geben. Denn, Herr Minister Clement: Wie wollen Sie diese Teilbereiche überhaupt
abgrenzen? Wie wollen Sie überprüfen, ob solche Arbeiten, die in Zukunft nach
drei Monaten ausgeführt werden dürfen, erlernt wurden und das Erlernte
ausreicht?
(Wolfgang Clement,
Bundesminister: Ihr wollt doch nachprüfen!)
Zudem ist klarzustellen, dass die Gewerke
des Handwerks nicht atomisiert werden dürfen. Es ist deshalb ein Kumulationsverbot bei den einfachen Tätigkeiten
erforderlich. Wenn die Position des Handwerks durch die Ich-AG systematisch
untergraben wird, dann ist die gesamte HwO-Novelle nur noch eine Farce. Unsere
Devise lautet immer: Nicht gegen, sondern mit dem Handwerk wollen wir den
modernen, dynamischen, zukunftstauglichen und europafesten Meister schaffen.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle (FDP) - Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):
Wir brauchen das Handwerk!)
Ich möchte an dieser Stelle noch einige
wenige wichtige Punkte ansprechen. Der Vorschlag der Bundesregierung, für eine
Einstufung in die Anlage A nur das Kriterium
„Gefahrengeneigtheit“ heranzuziehen, bedeutet die Abschaffung des
Meisterbriefs und das Ende seiner einzigartigen Erfolgsgeschichte. Zudem wird
einer der bedeutendsten Ausbildungsmotoren unserer Wirtschaft brutal abgewürgt
und das duale System, um das uns die ganze Welt beneidet, völlig an die Wand
gefahren. Das machen wir nicht mit.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle (FDP))
Für die Union ist es deshalb
unverzichtbar, weitere Kriterien für die Einstufung der Gewerke in die
Anlage A zuzulassen. An erster Stelle sind hier zusätzlich die Ausbildungsleistung und der Schutz wichtiger
Gemeinschaftsgüter zu nennen. - Herr Kollege Brüderle, ich bedanke mich, dass
Ihre Ausführungen in die gleiche Richtung gingen. - Nur damit ist das Handwerk
auch weiterhin noch in der Lage, die dringend benötigten Ausbildungsplätze für
unsere Jugendlichen anzubieten.
Wir dürfen doch nicht übersehen, dass das
Handwerk derzeit rund 527 000 jungen Menschen den Einstieg in ihre
berufliche Zukunft bietet. Das Handwerk ist der Ausbildungsmotor Nummer eins in
der Bundesrepublik Deutschland. Dafür sollten wir dankbar sein. Wir sollten
aber nicht das Handwerk bestrafen.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ich fordere Sie, verehrter Herr
Bundesminister Clement, und ebenso die Fraktionen von SPD und Grünen auf, im
Interesse der Ausbildung unserer Jugend den hier eingeschlagenen falschen Weg
zu verlassen und umzukehren. Noch ist es nicht zu spät. Mit einem Kahlschlag
bei den Meisterberufen, wie er bisher von Rot-Grün geplant ist, wird sich die
wirtschaftliche Talfahrt Deutschlands weiter beschleunigen. Wer glaubt, nach
einer Zerstörung handwerklicher Strukturen werde es ein höheres
Wirtschaftswachstum geben, der ist völlig auf dem Holzweg.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Das stimmt!)
Ich möchte noch einen weiteren Punkt
ansprechen, an dem sich die Bundesregierung wirtschaftspolitisch gesehen
verrennt. Es geht um die vorgesehene Sonderregelung für Altgesellen,
die sich nach zehnjähriger Berufserfahrung und fünfjähriger Tätigkeit in
herausgehobener, verantwortlicher oder leitender Stellung auch ohne
Meisterbrief in Gewerken der Anlage A selbstständig machen dürfen.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Was spricht dagegen? Es ist doch gut!)
Im Interesse des Erhalts und des Ausbaus der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und der Ausbildungsfähigkeit der
Handwerksbetriebe kann nicht auf die Forderung verzichtet werden - das ist der
entscheidende Punkt, Herr Kollege Kuhn -, dass ein solcher Geselle, der die
Voraussetzungen erfüllt, wenigstens den Nachweis erbringen muss, dass er etwas
von Ausbildung und von Betriebsleitung versteht.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr. Sie
haben Ihre Redezeit deutlich überzogen.
Ernst Hinsken (CDU/CSU):
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, dieser Gesetzentwurf,
eingebracht von der Bundesregierung, kann unter keinen Umständen unsere
Unterstützung finden.
(Fritz Kuhn (BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN): Keine Ahnung!)
Wir werden im Vermittlungsausschuss versuchen, dass die
Regierenden - momentan sind es die Roten und die Grünen -, die in diesem
Gremium sitzen, auf den Pfad der Tugend zurückgeführt werden -
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege, Sie sprechen auf Kosten Ihres
Fraktionskollegen, der nach Ihnen noch spricht.
Ernst Hinsken (CDU/CSU):
- und dass somit sichergestellt wird, dass sich das Handwerk
weiterhin behaupten kann.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nur Lobbyismus!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Nächster Redner ist der Kollege Christian Lange,
SPD-Fraktion.
Christian Lange (Backnang)
(SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich
glaube, es ist kein Zufall, dass wir heute über den Haushalt des
Bundeswirtschaftsministers sprechen und dass gleichzeitig die zweite und dritte
Lesung der Novelle zur Handwerksordnung auf der Tagesordnung steht. Im
Mittelpunkt muss dabei stehen: Was kann die aufkeimenden konjunkturellen
Besserungen unterstützen und was nicht? Verehrter Herr Kollege Hinsken, was das
Handwerk noch mehr umtreibt als die Handwerksordnung, ist die Frage: Wie können
wir die Binnenkonjunktur in Deutschland ankurbeln, damit es mehr Aufträge für das Handwerk gibt?
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren von der Opposition,
Herr Hinsken, wenn Sie schon den Wirtschaftsinstituten nicht glauben, dann
sollten Sie zumindest dem Zentralverband des Deutschen Handwerks glauben.
Lassen Sie mich deshalb eine Presseerklärung von Herrn Philipp vom 12. November
2003 zitieren. Er sagt:
Ein Scheitern der noch im
parlamentarischen Entscheidungsprozess befindlichen Reformen hätte insofern
katastrophale Folgen. Dies gilt insbesondere für das Vorziehen der
Steuerentlastungsstufe 2005 als ersten Schritt in eine grundlegende
Steuerreform mit weiteren Entlastungen und Vereinfachungen.
Ich sage Ihnen: Herr Philipp und das
deutsche Handwerk haben Recht. Deswegen hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie
hier ein klares Bekenntnis zum Vorziehen der Steuerreform ablegen.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deutschland ist zwar Exportweltmeister.
Aber um die Binnenkaufkraft zu stimulieren, müssen wir es erreichen, dass ein Familienvater
mit zwei Kindern - der Bundeskanzler hat dies in seiner Regierungserklärung
deutlich gemacht - erst ab einem Einkommen von 37 500 Euro den ersten Euro zu
versteuern hat. Sie alle wissen: Wenn wir über das Handwerk reden, dann
sprechen wir über Personengesellschaften und damit über Unternehmen, die nach
dem Einkommensteuerrecht veranlagt werden. Sie warten darauf, dass sie erst ab
einem Einkommen von 37 500 Euro den ersten Euro versteuern müssen. Das ist
Politik für das Handwerk. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie dem zustimmen.
(Beifall bei der SPD)
Sie nehmen zwar die Auffassungen der
Institute nicht zur Kenntnis; aber zumindest Folgendes muss ich Ihnen vorhalten
dürfen: Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung hat den Fokus auf das Handwerk
gerichtet und festgestellt: Die Entwicklung der Unternehmensgründungen
im Handwerk bleibt deutlich hinter der Entwicklung der
Unternehmensgründungen im Nichthandwerk zurück. Dies gilt für alle hier
betrachteten Wirtschaftszweige, unabhängig vom Technologiegrad und unabhängig
davon, ob die Branchen der Industrie oder dem Dienstleistungssektor zuzurechnen
sind. Es ist kein Zufall, dass wir im Handwerk leider nur eine Gründungsquote
von 4 Prozent und in anderen Bereichen von 13 Prozent haben. Deshalb brauchen
wir mehr Luft und etwas mehr Freiheit in der Handwerksordnung. Unsere Novelle
ist daher ein Beitrag zur Förderung des Handwerks in Deutschland und nicht das
Gegenteil.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Damit bin ich beim Kern der Novelle zur
Handwerksordnung, die wir heute in zweiter und dritter Lesung beschließen
werden. Unser Ziel ist es, die Handwerksordnung zukunftssicher und europafest
zu machen. Bei diesem Punkt muss ich mich auch einmal der kleineren Opposition
zuwenden, verehrter Herr Kollege Brüderle. Ich weiß nicht, ob Sie die
Beschlusslagen in Ihren Landesverbänden oder gar die Ihres Parteivorsitzenden
kennen. Ich will einmal mit der Beschlusslage in Hessen beginnen. Auf dem
hessischen Landesparteitag wurde am 15. November dieses Jahres beschlossen:
Die FDP Hessen schätzt den
Meisterbrief als Ausdruck hohen Ausbildungsstands und Qualität im deutschen
Handwerk. Dieses Qualitätsniveau ist so hoch, dass es keiner
wettbewerbshemmenden Vorschriften bedarf. Die FDP Hessen fordert deshalb eine
weitestmögliche Liberalisierung der deutschen Handwerksordnung. Grundsätzlich
abzuschaffen ist der Zwang zum Meisterbrief für einen selbstständigen deutschen
Handwerker, dessen in Deutschland tätiger EU-Kollege den Meisterbrief nicht
benötigt.
Genau in diese Richtung versuchen wir das
Handwerk mitzunehmen und es europafest zu machen.
(Kurt J. Rossmanith
(CDU/CSU): Das Falsche mit dem Falschen beantworten!)
Denn wenn wir das nicht täten - das wissen Sie ganz genau -,
wird der Europäische Gerichtshof beim Meisterbrief
einen Strich durch die Rechnung machen. Das wollen wir nicht; denn er hat sich
im Kern bewährt. Deshalb brauchen wir eine Novelle zur Handwerksordnung.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege Lange, einen kleinen Augenblick bitte. - Liebe
Kolleginnen und Kollegen, nach dem Kollegen Lange spricht noch ein Redner. Sie
können Ihre Gespräche also durchaus noch in die Lobby vor dem Plenarsaal
verlegen. Dann könnten wir in Ruhe dem Herrn Lange und dem Herrn Fuchs zuhören.
Christian Lange (Backnang)
(SPD):
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich hoffe, dass ich trotz des
Geräuschpegels durchdringe.
Herr Kollege Brüderle, ich will Ihnen noch ein zweites Zitat
- aus Ihrer eigenen Fraktion - vorhalten, das des Kollegen Westerwelle, der in
seiner Positionsschrift „Für die freie und faire Gesellschaft“ einen
interessanten Beitrag zum Handwerk geleistet hat. Darin schreibt er:
Es ist unfair, wenn jeder einen
Laden aufmachen kann, um Computer zu reparieren, aber derjenige, der einen
Laden aufmacht, um Schuhe herzustellen, einen Meisterbrief braucht.
Wenn das kein Widerspruch ist, dann fordere ich die
FDP-Fraktion auf, der Novelle der Handwerksordnung zuzustimmen. Genau das ist
unser Ansatz.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Der ist doch nicht ganz richtig im Kopf!)
Der Meister wird übrigens in Zukunft nicht
nur gestärkt, sondern er wird in Deutschland auch häufiger vorkommen. Kern der
Novelle der Handwerksordnung ist es, den Meisterbrief als Qualitätssiegel
Nummer eins in Deutschland zu etablieren. Das ist das Ziel dieser Novellierung.
Deshalb wird es in Deutschland durch diese Novelle am Ende mehr Meister geben
als je zuvor.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD)
Wir werden dafür sorgen, dass nicht nur
diejenigen, die unter Anlage A der Handwerksordnung fallen, einen Meisterbrief machen können, sondern auch all diejenigen,
die unter Anlage B fallen und ihn heute nicht
machen können. Der Verbraucher wartet darauf, ein Signal dafür zu bekommen, wer
gute und wer schlechte Arbeit leistet. Genau das machen wir.
(Beifall bei der SPD)
Deshalb wundere ich mich, dass Sie, Herr
Kollege Hinsken, den langjährigen Gesellinnen und Gesellen
ein solch starkes Misstrauen entgegenbringen. Verehrter Herr Kollege
Hinsken, Sie kennen offensichtlich die berufliche Praxis in Ihrem eigenen Laden
nicht. Ich weiß ja, dass Sie Bäckermeister sind.
Diejenigen, die eine mehr als 10-jährige
Berufserfahrung haben - und das womöglich auch noch in herausgehobener Stellung
- bilden das Rückgrat der kleinen Handwerksbetriebe. Diesen wollen wir es
ermöglichen, dass sie, statt ein Leben lang Angestellte bleiben zu müssen, ihr
Schicksal selbst in die Hand nehmen und sich selbstständig machen können. Diese
sind heute das Rückgrat der Meisterbetriebe.
(Dietrich Austermann
(CDU/CSU): Das ist Körperverletzung, was Sie hier machen! Ein Brüllaffe!)
Diese sollen auch in Zukunft selbstständig sein können. Ich
glaube, auf diesem Gebiet brauchen wir in Deutschland dringend mehr Dynamik.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb ist es Sinn und Zweck unseres Gesetzentwurfes,
von den ursprünglich 94 Handwerken in Zukunft nur noch 29 der Anlage A zu
unterwerfen. Das sind 414 300 Betriebe. 62 Prozent davon sind Handwerksbetriebe
und handwerksähnliche Betriebe. Diese werden auch zukünftig der Anlage A
unterliegen.
Unserer sozialdemokratischen Fraktion ist
die Qualität der Ausbildung ein ganz besonderes Anliegen. Sie sind darauf
eingegangen.
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege Lange, der Herr Kollege Brüderle würde gerne
eine Zwischenfrage stellen.
Christian Lange (Backnang)
(SPD):
Aber gerne. Der Kollege Brüderle immer.
Rainer Brüderle (FDP):
Herr Kollege Lange, können Sie mir den Widerspruch erklären,
dass Sie beim Handwerk für Veränderungen plädieren, aber strikt gegen Öffnungsklauseln in der Tarifpolitik sind? Es bedeutet
auch ein Stück Freiheit, wenn die Mitarbeiter im Betrieb über die
Rahmenregelungen entscheiden dürfen. Denen verweigern Sie diese Freiheit.
Können Sie das erklären?
Christian Lange (Backnang)
(SPD):
Herr Kollege Brüderle, Ihre Frage zeugt davon, dass Sie die
betriebliche Wirklichkeit in Deutschland nicht kennen.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage Ihnen: Mein Bundesland
Baden-Württemberg - und allen voran die IG-Metall - sorgt dafür, dass wir für
jedes betriebliche Problem eine passgenaue Lösung finden.
(Lachen bei der FDP)
Deswegen sage ich Ihnen: Wer für immer
weniger Staat sorgen will, der muss bitte schön zur Kenntnis nehmen, dass die
Tarifautonomie Deutschland stark gemacht hat. Sie ist staatsfrei und muss
diesen Status auch in Zukunft behalten. Sie ist ein Erfolgsrezept für die
deutsche Wirtschaft.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich war beim Thema Ausbildung stehen
geblieben. Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten liegt die Qualität der Ausbildung ganz besonders am Herzen.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Das glauben Sie doch nicht wirklich!)
Deshalb ist mir wichtig, in dieser Debatte zu sagen, dass
durch die Novellierung der Handwerksordnung an der Qualität der Ausbildung
nicht gerüttelt wird.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Die bilden überhaupt nicht mehr aus! Das ist das Ergebnis!)
Das ist deshalb von so großer Bedeutung, weil die Qualität
der Ausbildung im Handwerk durch das Berufsbildungsgesetz sichergestellt wird.
Wir - das wissen Sie genau - ändern an § 76 des Berufsbildungsgesetzes,
der die Voraussetzungen für die Berechtigung zur
Ausbildung festlegt, nichts. Wir haben das auch nicht vor. Deshalb
stellen Sie bitte schön Ihre Propaganda ein. Denn die Ausbildungsbetriebe im
Handwerk werden nicht durch den Gesetzentwurf verunsichert, sondern durch Ihr
Gerede wider besseres Wissen. Ich bitte Sie in unserem gemeinsamen Interesse,
damit endlich aufzuhören.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD)
Ich sage dies auch deshalb, weil wir es in Bezug auf die
Ausbildung in den nächsten drei bis fünf Jahren mit geburtenstarken Jahrgängen
zu tun haben werden. Danach wird die Welt anders aussehen; das wissen Sie. Die
Betriebe werden um jeden Auszubildenden froh sein, weil diese dafür sorgen
können, dass der Betrieb weiterhin bestehen bleibt.
(Ernst Hinsken
(CDU/CSU): Dann habt ihr lauter Ich-AGs!)
Auszubildende sind also ein wichtiger wirtschaftlicher
Vorteil für jedes Unternehmen. Deshalb bitte ich Sie, Ihre Propaganda
einzustellen. Sie ist weder im Interesse der Jugendlichen in Deutschland, noch
der Unternehmerinnen und Unternehmer.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD)
Zum Schluss möchte ich, Herr Kollege
Hinsken, das Thema Ich-AG aufgreifen. Ich wundere
mich sehr, auf welche Weise Sie versuchen, die Kleinunternehmer in unserem Land
zu diffamieren.
(Steffen Kampeter
(CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)
Die meisten Unternehmer in Deutschland haben klein
angefangen. Darüber, dass diejenigen, die aus der Langzeitarbeitslosigkeit
herauskommen wollen, es ganz besonders schwer haben, brauchen wir uns doch wohl
nicht zu unterhalten. Sie aber äußern sich über diese Menschen schlecht. In den
Redebeiträgen heute war das nicht der Fall, aber ich erinnere mich an Ihre
Veranstaltung unweit von hier. Auf dieser Veranstaltung haben Sie diejenigen,
die eine Ich-AG gegründet haben, als Unternehmerproletariat bezeichnet. Diese
Menschen haben all ihren Mut zusammennehmen müssen und Unterstützung erfahren,
um ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen zu können. Solche Sprüche sind schon
happig.
(Beifall bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich bin mir nicht sicher, ob Ludwig Erhard eine solche
Position seiner Partei unterstützt hätte. Ludwig Erhard würde sich im Grabe umdrehen,
wenn er mitbekommen würde, wie Sie mit Leuten umgehen, die den Mut aufbringen,
sich selbstständig zu machen.
(Beifall bei
Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme zum Schluss. Wir werden mit der
so genannten kleinen Handwerksnovelle sicherstellen, dass die Ich-AG auf einem
guten Weg ist. Wir werden dafür sorgen - ich greife auf, was Sie zu den
anstehenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuss gesagt haben -, dass wir bei
der großen Novelle zu einem Kompromiss kommen. Dabei haben wir immer fest im
Auge, dass wir mehr Wachstum und mehr Dynamik in der deutschen Wirtschaft
brauchen.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD
sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Dr. Michael Fuchs, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dr. Michael Fuchs (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die
heutige Debatte über den Haushalt für Wirtschaft und Arbeit kann man so
zusammenfassen: Der Haushalt ist genauso katastrophal wie die
Arbeitslosenzahlen, die Sie mit Ihren Haushalten, Herr Bundesminister,
produziert haben.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Herr Bundesminister, lieber Herr Clement,
in vielen Bereichen wollten Sie Besseres erreichen - das wissen wir -, man hat
Sie nur nicht gelassen. Das haben Sie eben in Ihrer Rede dadurch deutlich
gemacht, dass Sie mehrmals den Oppositionspolitiker Kuhn erwähnt haben. Man
sieht, wo die wahre Opposition gegen Ihre Ideen ist. Aber auch das, was Ihre
Partei seit einiger Zeit mit Ihnen macht, finde ich nicht besonders nett. Der
Juso-Vorsitzende Annen zum Beispiel hat Sie als Superankündigungsminister
bezeichnet.
Am 7. November 2002 haben Sie
gesagt: Es ist das erste große Gesetz, - es ging um Hartz I und
Hartz II -, das zu tief greifender Strukturveränderung des Arbeitsmarktes
in Deutschland führen wird. Ich muss Sie fragen: Wo sind denn die tief
greifenden Strukturveränderungen? Was hat sich denn
verändert? Was mussten wir in diesem Jahr alles erleben: Die Arbeitslosenzahlen
steigen in die Höhe. Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2004 wird mit
Sicherheit nicht einzuhalten sein. Sie haben 13,4 Milliarden Euro für die
Arbeitslosenhilfe eingeplant. Diesen Betrag werden Sie wie schon in diesem Jahr
auch im nächsten Jahr überschreiten. Es sollte 2003 keinen Bundeszuschuss zur
Bundesanstalt für Arbeit geben, jetzt wird er bei 8 Milliarden Euro liegen.
Das wird auch im nächsten Jahr so sein.
Von einer Belebung des Arbeitsmarktes
können wir nicht mehr sprechen. Die Beschäftigungsschwelle liegt nach wie vor
bei über 2 Prozent Wachstum. Es wird also keine Bewegung in den
Arbeitsmarkt kommen, schließlich wird das Wachstum, wie Sie selbst sagen, bei
1,7 Prozent liegen.
Die Situation bei der Entwicklung der Arbeitsplätze ist ziemlich dramatisch. Die Präsidentin
hat mir acht Minuten Redezeit zugestanden. In diesen acht Minuten gehen in
Deutschland acht Arbeitsplätze verloren, pro Minute einer. Das ist der Erfolg
Ihrer Politik.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Und was macht Ihre Partei, Herr Clement? Fundamental
wichtige Reformen am Arbeitsmarkt, wie die Eröffnung der Möglichkeit betrieblicher
Bündnisse für Arbeit oder ausreichende Änderungen beim Kündigungsschutz, werden
von den gewerkschaftshörigen Traditions- und Verhinderungsbataillonen bis zum
heutigen Tag blockiert.
(Beifall des Abg.
Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU))
Deswegen werden wir nicht mitmachen, falls Sie nur die
Steuerreform durchführen wollen. Nein, gerade auf dem Arbeitsmarkt müssen Sie
Veränderungen schaffen.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Permanente Ankündigungen gibt es auch beim
Thema Bürokratieabbau, das Sie als Erfolgsstory
vorhin ein wenig katalogisiert haben. Ich bin etwas tiefer hineingegangen. Bei
der Arbeitsstättenverordnung haben Sie beispielsweise etwas getan, jawohl. Sie
haben 58 Paragraphen auf zehn reduziert. Trickreich, wie Sie sind, haben Sie
den Inhalt dieser 58 Paragraphen anschließend aber ganz einfach in Verordnungen
hinübergeschoben. Es hat sich also gar nichts verändert.
(Ute Kumpf (SPD): Das
haben Sie schon vor zwei Wochen erzählt!)
Daneben wollen Sie einen Ausschuss für
Arbeitsstätten aus Vertretern der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Länder
und noch weiteren Personen bilden. Wir haben ja noch nicht genug Ausschüsse in
diesem Lande! Dieser soll Regeln für Arbeitsstätten aufstellen. Schaffen wir so
Bürokratie ab oder bauen wir neue auf? Nichts anderes, als neue aufzubauen, tun
wir.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Meine Damen und Herren, ich muss noch
einmal auf die Sparquote in Deutschland zu sprechen
kommen. Wir haben in unserem Land eine nie gekannte Privatsparquote. Sie ist
von 2000 bis 2003 von 9,8 Prozent auf 11,0 Prozent gestiegen. Zum Vergleich
sollte man sich die letzte Legislaturperiode unter Kohl anschauen; Sie tun das
sonst immer besonders gerne. Von 1992 bis 1998 ist die Sparquote von 13 Prozent
auf 10,3 Prozent gesunken. Wissen Sie, warum das so war? Das war so, weil die
Menschen damals noch Zutrauen in die Regierung hatten,
(Lachen bei der SPD)
weil sie gewusst haben, dass etwas passiert und dass sie ihr
Geld ausgeben konnten, ohne Angst haben zu müssen.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel (FDP))
Ich will Ihnen das belegen. Ich kann jeden
Bürger, jede Bürgerin, jeden Unternehmer und jede Unternehmerin verstehen, wenn
nicht investiert und kein Geld ausgegeben wird. Schauen wir uns - ich mache es
mir jetzt ganz einfach - nur die letzten vier Wochen an:
In der 43. Woche sagte Herr Eichel: Die
Renten müssen besteuert werden. In der 44. Woche sagte Herr Schily: Auch bei
Beamten wird es zu Rentenkürzungen in Form von erhöhten Pflegebeiträgen kommen.
In der 44. Woche sagte Herr Eichel: Die Mehrwertsteuer muss erhöht werden,
falls die Union im Bundesrat blockiert. In der 45. Woche beschloss die
Regierungskoalition, Rentenkürzungen in Form einer Nullrunde verbunden mit der
Erhöhung der Pflegeversicherungsbeiträge vorzunehmen. In der 46. Woche
beschloss die SPD-Fraktion, eine Ausbildungsplatzabgabe einzuführen. In der 47.
Woche sagte die Linke der SPD: Die Erbschaftsteuer muss erhöht und die
Vermögensteuer wieder eingeführt werden. In der 48. Woche waren dann die
Stromversorger an der Reihe. In dieser Woche haben wir von Frau Caspers-Merk
gehört, dass die Alkopopsteuer erhöht werden muss. Auch Herr Trittin hat sich
in dieser Woche mal wieder geäußert, und zwar zur Vermögensteuer. Das waren die
letzten vier Wochen. In diesen gab es nur Debatten und Informationen über Steuererhöhungen. Glauben Sie, dass dabei noch
irgendeiner investiert? Das ist der Grund, weshalb wir kaum noch Wachstum
haben.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP)
Sie können heilfroh sein, dass im nächsten
Jahr vier Feiertage wegfallen; denn allein dadurch
wird das Wachstum um 0,6 Prozent steigen. Nebenbei bemerkt: Das ist eine ganz
interessante Information. Diese vier wegfallenden Feiertage führen aufgrund der
Mehrarbeit zu mehr Wachstum. Das heißt, wenn wir in Deutschland mehr arbeiten,
dann wächst die Wirtschaft auch wieder. Also sollten wir umdenken und das Ganze
umstellen. Das ist natürlich eine Forderung an die Gewerkschaften, die sich bei
solchen Gedanken abwenden. Das kennen wir von Herrn Brandner. Wir müssen in
Deutschland wieder mehr arbeiten. Ohne diese Mehrarbeit kommen wir nicht aus
der Krise heraus. Das sollten wir sehr deutlich machen.
Meine Damen und Herren, es ist bekannt,
dass ich Unternehmer bin. Wenn mein Geschäftsführer Schröder und mein
Oberbuchhalter Eichel in meinem Unternehmen einen Jahreswirtschaftsplan - ein
Budget -, der so aussähe wie der vorliegende Haushaltsplan, aufgestellt und ihn
mir vorgelegt hätten, dann hätte ich die beiden sofort entlassen.
(Beifall bei der
CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Dem will ich nur noch hinzufügen: Ich hätte sie gar nicht
erst eingestellt.
(Beifall bei der
CDU/CSU und der FDP - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ein kluger Mann, der Fuchs! -
Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ein schlauer Fuchs!)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Ich schließe die Aussprache.
Für eine persönliche Erklärung nach
§ 31 unserer Geschäftsordnung gebe ich dem Kollegen Laumann das Wort.
Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach
§ 31 unserer Geschäftsordnung erkläre ich zugleich im Namen der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu unserem Abstimmungsverhalten zum Antrag der FDP
auf Drucksache 15/2088 zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Arbeit Folgendes:
Die von der Bundesregierung und den
Koalitionsfraktionen vorgesehenen Festlegungen für eine Anschlussregelung zur
Förderung der Steinkohle sind weder im Verfahren
noch in der Höhe akzeptabel. Für die festgelegte Größenordnung der
Anschlussregelung hat es weder die notwendige parlamentarische Beratung
gegeben,
(Zuruf von der SPD:
Falsch!)
noch liegen die Finanzierungszusagen der betroffenen
Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Saarland in den angegebenen
Größenordnungen vor. Wir lehnen diese Festlegungen ab und stimmen daher dem
Änderungsantrag der FDP zu.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der FDP)
Zugleich weisen wir darauf hin,
(Albert Schmidt
(Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wieso „wir“?)
dass wir selbstverständlich eine Anschlussregelung für die
Förderung der Steinkohle nach Auslaufen der derzeitigen Regelung 2005 für
notwendig halten und unterstützen.
(Lachen bei der SPD
und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Hören Sie doch einmal zu!
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Herr Kollege Laumann, Sie geben eine persönliche Erklärung
nach § 31 unserer Geschäftsordnung ab. Sie sollten sich an eine persönliche
Erklärung zur Abstimmung halten.
Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):
Genau das ist es. Es ist eine Anschlussregelung notwendig,
mit der die bisherige Degressionslinie der Förderung der Steinkohle in den
letzten Jahren auch für einen nächsten überschaubaren Zeitraum festgelegt wird.
Schönen Dank.
(Beifall bei
Abgeordneten der CDU/CSU)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne
Kastner:
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09, Bundesministerium
für Wirtschaft und Arbeit, in der Ausschussfassung. Dazu liegen persönliche
Erklärungen von 36 Abgeordneten vor.
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 15/2088 vor, über den wir zuerst abstimmen. Die Fraktion
der FDP verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den
Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.
Ich mache darauf aufmerksam, dass nach der
namentlichen Abstimmung noch weitere Abstimmungen zu tätigen sind und dass die
Kolleginnen und Kollegen zu diesen Abstimmungen dableiben mögen.
- Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und
bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.
Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich
bitte die Kolleginnen und Kollegen, ihre Plätze wieder einzunehmen.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzentwurf
zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften
auf Drucksache 15/1206. Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt unter
Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2083, den
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. -
Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung
mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP
angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? -
Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der CDU/CSU und der FDP angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den
Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/2085. Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der
Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der
CDU/CSU und bei Zustimmung der FDP abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit auf Drucksache
15/2083. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung
die Ablehnung des Antrages der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/1107 mit
dem Titel „Handwerk mit Zukunft“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? -
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen.
Unter Buchstabe c seiner
Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der
Fraktion der FDP auf Drucksache 15/1108 mit dem Titel „Meisterbrief erhalten
und Handwerksordnung zukunftsfest machen“. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der FDP und Enthaltung der
CDU/CSU angenommen.
Ich unterbreche die Sitzung, bis das
Ergebnis der namentlichen Abstimmung vorliegt.
(Unterbrechung von 13.03 bis 13.06 Uhr)
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung
ist wieder eröffnet.
Zunächst einmal gebe ich zu Protokoll,
dass die Abgeordneten Bahr, Kauch und Löning eine Erklärung zur Abstimmung zu
Tagesordnungspunkt I.12, zum Dritten Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung,
abgegeben haben, wonach sie sich der Stimme enthalten haben.
Ich gebe Ihnen nun das von den
Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung bekannt. Abgegebene Stimmen 588. Mit Ja haben gestimmt 286, mit Nein
haben gestimmt 302, es gab keine Enthaltungen. Der Änderungsantrag der Fraktion
der FDP ist somit abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den
Einzelplan 09 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 09 in der
Ausschussfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 09 ist mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP und
gegen die Stimme des Abgeordneten Hubert Ulrich, Bündnis 90/Die Grünen,
angenommen.
[Der
folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 79.
Sitzung - wird morgen,
Freitag,
den 28. November 2003,
veröffentlicht.]