URTEIL DES GERICHTSHOFES (Fünfte Kammer)
7. Januar 2004(1)
Richtlinie 85/337/EWG - Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten
öffentlichen und privaten Projekten - Nationale Maßnahme, mit der eine
Bergbaugenehmigung ohne Durchführug einer Umweltverträglichkeitsprüfung
erteilt wurde - Unmittelbare Wirkung von Richtlinien -
Dreiecksverhältnis
In der Rechtssache C-201/02
betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom High Court of
Justice (England & Wales), Queen's Bench Division (Administrative
Court) (Vereinigtes Königreich), in dem bei diesem anhängigen
Rechtsstreit
The Queen
ex parte: Delena Wells
gegen
Secretary of State for Transport, Local Government and the Regions,
vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der
Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die
Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten
Projekten (ABl. L 175, S. 40)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters P. Jann (Berichterstatter) in Wahrnehmung
der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter D. A.
O. Edward und A. La Pergola,
Generalanwalt: P. Léger,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen
- der Antragstellerin des Ausgangsverfahrens, vertreten durch R.
Gordon, QC, und J. Pereira, Barrister, beauftragt durch R. Buxton,
Solicitor,
- der britischen Regierung, vertreten durch P. Ormond als
Bevollmächtigten im Beistand von D. Elvin, QC, und J. Maurici,
Barrister,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vetreten durch X.
Lewis als Bevollmächtigten im Beistand von N. Khan, Barrister,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der mündlichen Ausführungen von Frau Wells, vertreten
durch R. Gordon und J. Pereira, beauftragt durch S. Ring, Solicitor,
der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch R. Caudwell
als Bevollmächtigte im Beistand von D. Elvin, und der Kommission,
vertreten durch X. Lewis im Beistand von N. Kahn, in der Sitzung vom
12. Juni 2003,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. September 2003
folgendes
Urteil
- 1.
- Der High Court of Justice (England & Wales),
Queen's Bench Division (Administrative Court), hat gemäß Artikel 234 EG
fünf Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom
27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten
öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) zur
Vorabentscheidung vorgelegt.
- 2.
- Diese Fragen stellen sich in einem
Rechtsstreit zwischen Frau Wells und dem Secretary of State for
Transport, Local Government and the Regions (Minister für Verkehr,
örtliche Selbstverwaltung und die Regionen, im Folgenden: Secretary of
State), in dem es um die Erteilung einer neuen Bergbaugenehmigung für
den Steinbruch Conygar Quarry geht, ohne dass zuvor eine
Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden war.
Rechtlicher Rahmen
Die Gemeinschaftsregelung
- 3.
- Mit der Richtlinie 85/337 sollen nach ihrer
fünften Begründungserwägung zur Ergänzung und Koordinierung der
Genehmigungsverfahren für öffentliche und private Projekte, die
möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben, allgemeine
Grundsätze für Umweltverträglichkeitsprüfungen aufgestellt werden.
- 4.
- Artikel 1 Absatz 2 dieser Richtlinie
definiert den Begriff Genehmigung als Entscheidung der zuständigen
Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger
das Recht zur Durchführung des Projekts erhält.
- 5.
- Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie lautet:
Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor der
Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen insbesondere aufgrund
ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen
Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Prüfung in Bezug auf
ihre Auswirkungen unterzogen werden.
Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.
- 6.
- In Artikel 4 teilt die Richtlinie 85/337 die
Projekte in zwei große Gruppen auf, solche, die ihrer Natur nach
erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben können, und solche, bei
denen dies nicht notwendigerweise stets der Fall ist. So lautet Absatz
2 dieser Bestimmung:
Projekte der in Anhang II aufgezählten Klassen werden einer Prüfung
gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen, wenn ihre Merkmale nach
Auffassung der Mitgliedstaaten dies erfordern.
Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten insbesondere
bestimmte Arten von Projekten, die einer Prüfung zu unterziehen sind,
bestimmen oder Kriterien und/oder Schwellenwerte aufstellen, anhand
deren bestimmt werden kann, welche von den Projekten der in Anhang II
aufgezählten Klassen einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10
unterzogen werden sollen.
- 7.
- Anhang II Nummer 2 Buchstabe c der Richtlinie
85/337 erwähnt folgende Projekte: Gewinnung von nichtenergetischen
Mineralien (ohne Erze), wie Marmor, Sand, Kies, Schiefer, Salz,
Phosphate, Pottasche.
Die nationale Regelung
- 8.
- Vor dem Erlass des Town and Country Planning
Act 1947 (Raumplanungsgesetz 1947) ermächtigte der Town and Country
Planning (General Interim Development) Order 1946
(Raumplanungsverordnung [Vorläufige Allgemeine Entwicklung] 1946) die
zuständigen Behörden, durch Interim Development Orders (vorläufige
Entwicklungsverordnungen) Genehmigungen für den Abbau von Mineralien
zur Befriedigung des in der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg
aufgetretenen Bedarfs an Baumaterialien (Old Mining Permissions, alte
Bergbauberechtigungen) zu erteilen.
- 9.
- Seitdem ist der Town and Country Planning Act
in seiner Fassung von 1947 und seinen späteren Fassungen das wichtigste
Rechtsinstrument im Bereich der Raumplanung im Vereinigten Königreich.
- 10.
- Dieses Gesetz sieht allgemeine Regeln sowohl
für die Erteilung von Genehmigungen im Bereich des Städtebaus als auch
für die Änderung oder die Rücknahme solcher Genehmigungen vor.
- 11.
- So können die zuständigen Behörden nach
Sections 97 und 100 des Town and Country Planning Act 1990
Genehmigungen aus planerischen Gründen zurücknehmen oder ändern. Die
Befugnis zur Rücknahme kann jederzeit ausgeübt werden, bevor die
genehmigten Tätigkeiten durchgeführt worden sind.
- 12.
- Nach Paragraphs 1 und 11 von Schedule 9 des
Town and Country Planning Act 1990 können die zuständigen Behörden
anordnen, dass die Bodennutzung für die Bearbeitung und Gewinnung von
Mineralien eingestellt wird oder nur unter bestimmten Auflagen
fortgesetzt werden darf.
- 13.
- Der Planning and Compensation Act 1991
(Raumplanungs- und Entschädigungsgesetz 1991) sieht in Section 22 eine
Sonderregelung für die Old Mining Permissions vor.
- 14.
- Nach Section 22 (3) des Planning and
Compensation Act 1991 darf dann, wenn während eines Zeitraums von zwei
Jahren, der mit dem 1. Mai 1991 endet, kein erheblicher Betrieb
durchgeführt wurde, der Betrieb erst wieder aufgenommen werden, wenn
die Auflagen, unter denen die Bergbaugenehmigung [Old Mining
Permission] erteilt wird, gemäß Section 22 (2) festgelegt und
registriert worden sind. Wurde dagegen bis zum 25. März 1992 kein
Antrag auf Registrierung gestellt, so erlischt die Old Mining
Permission (Section 22 [4] und Paragraph 1 [3] von Schedule 2 des
Planning and Compensation Act 1991).
- 15.
- Schedule 2 des Planning and Compensation Act
1991 beschreibt im Einzelnen die Verfahren zur Festlegung der Auflagen
für die Registrierung.
- 16.
- Nach Paragraphs 1 und 2 von Schedule 2 des
Planning and Compensation Act 1991 ist der Antrag auf Registrierung und
Festlegung der Auflagen für den Betrieb an die zuständige Mineral
Planning Authority (Bergbauplanungsbehörde, im Folgenden: MPA) zu
richten.
- 17.
- Weichen die von der MPA festgelegten
Auflagen von denen im Antrag aufgeführten ab, so kann der Antragsteller
den Secretary of State befassen (Paragraph 5 [2] von Schedule 2 des
Planning and Compensation Act 1991).
- 18.
- Nach Section 22 (7) des Planning and
Compensation Act 1991 haben die Bestimmungen, die die Old Mining
Permissions betreffen, die gleichen Wirkungen, wie wenn sie Teil des
Town and Country Planning Act 1990 wären. Aufgrund dieses Verweises
werden die Bestimmungen betreffend die erwähnten Auflagen Bestandteil
der allgemeinen Raumplanungsregelung, soweit im Planning and
Compensation Act 1991 keine besondere Bestimmung getroffen worden ist.
- 19.
- Die Town and Country Planning (Assessment of
Environmental Effects) Regulations 1988 (Raumplanungsverordnung von
1988 - Umweltverträglichkeitsprüfung) unterwirft die nach dem Town and
Country Planning Act 1990 erteilten Bergbauberechtigungen einer
Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß der Richtlinie 85/337. In Bezug auf
die Regelung der Section 22 des Planning and Compensation Act 1991 für
die Old Mining Permissions wurde dagegen die Ansicht vertreten, dass
insoweit keine derartige Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen
sei.
Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen
- 20.
- 1947 wurde durch Interim Development Order
gemäß der Town and Country Planning (General Interim Development) Order
1946 eine Old Mining Permission für den Steinbruch Conygar Quarry
erteilt.
- 21.
- Der Steinbruch Conygar Quarry umfasst zwei
Gelände mit einer Fläche von jeweils etwas mehr als 7,5 ha, getrennt
durch eine Landstraße, an der das Haus von Frau Wells liegt. Sie hatte
ihr Haus 1984 gekauft, also 37 Jahre nach der Erteilung der erwähnten
Betriebsgenehmigung, jedoch zu einer Zeit, zu der dieser Steinbruch
seit langem nicht mehr betrieben wurde. Im Juni 1991 wurde der Betrieb
jedoch für kurze Zeit wieder aufgenommen.
- 22.
- Unstreitig ist das Gelände unter
Umweltgesichtspunkten sehr empfindlich. Das Gebiet des Steinbruchs oder
das an diesen angrenzende Gebiet ist Gegenstand zahlreicher umwelt- und
naturschutzrechtlicher Klassifikationen.
- 23.
- Anfang 1991 beantragten die Eigentümer des
Steinbruchs Conygar Quarry bei der zuständigen MPA die Registrierung
ihrer Old Mining Permission gemäß dem Planning and Compensation Act
1991.
- 24.
- Diesem Antrag auf Registrierung wurde mit
Bescheid vom 24. August 1992 mit der Maßgabe stattgegeben, dass ein
Betrieb erst dann zulässig sei, wenn ein Antrag auf Festlegung neuer
Auflagen bei der MPA gestellt werde, und vorbehaltlich der endgültigen
Genehmigung dieses Antrags (im Folgenden: Registrierungsbescheid).
- 25.
- Die Eigentümer beantragten daraufhin bei der zuständigen MPA die Festlegung neuer Betriebsauflagen.
- 26.
- Nachdem die zuständige MPA mit Bescheid vom
22. Dezember 1994 (im Folgenden: Bescheid über die Festlegung neuer
Auflagen) strengere Auflagen verfügte, als sie von den Eigentümern des
Steinbruchs Conygar Quarry vorgeschlagen worden waren, machten diese
von ihrem Recht auf Rechtsbehelf beim Secretary of State Gebrauch.
- 27.
- Der Secretary of State verfügte mit Bescheid
vom 25. Juni 1997 54 Betriebsauflagen und überließ einige Punkte der
Beurteilung durch die MPA (im Folgenden zusammen mit dem Bescheid vom
22. Dezember 1994: Bescheid über die Festlegung neuer Auflagen).
- 28.
- Diese Punkte wurden von der zuständigen MPA
mit Bescheid vom 8. Juli 1999 genehmigt (im Folgenden: Entscheidung
über die Genehmigung bestimmter Punkte der neuen Auflagen).
- 29.
- Weder der Secretary of State noch die MPA
prüften, ob eine Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß der Richtlinie
85/337 durchzuführen war. Zu keiner Zeit wurde eine förmliche
Umwelterklärung erwogen.
- 30.
- Frau Wells beantragte mit Schreiben vom 10.
Juni 1999 beim Secretary of State, geeignete Maßnahmen zu ergreifen (d.
h. die Betriebsgenehmigung zurückzunehmen oder zu ändern), um die
unterlassene Umweltverträglichkeitsprüfung im Genehmigungsverfahren
nachzuholen. Nachdem ihr Antrag unbeantwortet blieb, reichte sie beim
High Court of Justice einen Antrag auf gerichtliche Überprüfung ein.
- 31.
- Gemäß der vor diesem Gericht in der ersten
mündlichen Verhandlung eingegangenen Verpflichtung gab der Secretary of
State mit Schreiben vom 28. März 2001 eine mit Gründen versehene
Antwort auf das Schreiben von Frau Wells, mit der er es ablehnte, die
Betriebsgenehmigung zurückzunehmen oder zu ändern. Frau Wells änderte
daraufhin ihren ursprünglichen Antrag beim Sectretary of State dahin
gehend, dass er auch die Anfechtung der im Schreiben vom 28. März 2001
enthaltenen Entscheidung umfasste.
- 32.
- Der High Court of Justice (England &
Wales), Queen´s Bench Division (Administrative Court), gelangte zu der
Ansicht, dass der bei ihm anhängige Rechtsstreit eine Auslegung des
Gemeinschaftsrechts erfordert; er hat daher das Verfahren ausgesetzt,
um dem Gerichtshof gemäß Artikel 234 EG die folgenden Fragen zur
Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist die Genehmigung neuer Auflagen für eine bestehende Berechtigung,
die durch eine Interim Development Order (Old Mining Permission) nach
Section 22 und Anhang 2 des Planning and Compensation Act 1991
verliehen wurde, eine Genehmigung im Sinne der Richtlinie 85/337?
2. Kann, nachdem für eine durch eine Interim Development Order
verliehene Old Mining Permission neue Auflagen nach dem Planning and
Compensation Act 1991 genehmigt wurden, die Genehmigung weiterer
Maßnahmen, die aufgrund der neuen Auflagenregelung erforderlich sind,
eine Genehmigung im Sinne der Richtlinie 85/337 sein?
3. Ist, wenn die erste Frage zu bejahen und die zweite Frage zu
verneinen ist, der Mitgliedstaat trotzdem noch verpflichtet, seinem
Unterlassen, eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzuschreiben,
abzuhelfen und, wenn ja, auf welche Weise?
4. Kann i) ein Bürger dagegen vorgehen, dass der Staat eine
Umweltverträglichkeitsprüfung nicht vorgeschrieben hat, oder ii) kann
er dies aufgrund der Beschränkungen nicht, denen der Gerichtshof die
Lehre von der unmittelbaren Wirkung unterworfen hat, z. B. aus dem
Gesichtspunkt der horizontalen unmittelbaren Wirkung oder dem der
Privatpersonen durch eine staatliche Einrichtung auferlegten
Belastungen oder Verpflichtungen?
5. Wenn die vierte Frage unter ii) zu bejahen ist: Wie weit reichen
solche Verbote der unmittelbaren Wirkung unter den vorliegenden
Umständen, und welche Maßnahmen darf das Vereinigte Königreich
Großbritannien und Nordirland im Einklang mit der Richtlinie 85/337
ergreifen?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur zweiten Frage: Die Verpflichtung, eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen
- 33.
- Mit der ersten und der zweiten Frage, die
gemeinsam zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob
Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie
85/337 so auszulegen ist, dass im Rahmen der Anwendung von Bestimmungen
wie Section 22 und Schedule 2 des Planning and Compensation Act 1991
die Entscheidungen der zuständigen Behörden, die bewirken, dass die
Wiederaufnahme eines Bergbaubetriebs zugelassen wird, eine Genehmigung
im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 dieser Richtlinie enthalten, so dass
die zuständigen Behörden gegebenenfalls dazu verpflichtet sind, eine
Umweltverträglichkeitsprüfung in Bezug auf diesen Betrieb vorzunehmen.
Zur Qualifizierung als Genehmigung
- Zur Zulässigkeit
- 34.
- Die Kommission räumt ein, dass im
Gemeinschaftsrecht die in den Rechtsakten der Gemeinschaft verwendeten
Begriffe autonom auszulegen seien, macht jedoch geltend, dass der
Gerichtshof im Urteil vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-81/96
(Gedeputeerde Staten van Noord-Holland, Slg. 1998, I-3923) die Ansicht
vertreten habe, dass die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Genehmigung
erteilt wurde, nach nationalem Recht zu beantworten sei. Der
Gerichtshof habe seinen Standpunkt in den Urteilen vom 16. September
1999 in der Rechtssache C-435/97 (WWF u. a, Slg. 1999, I-5613) und vom
19. September 2000 in der Rechtssache C-287/98 (Linster, Slg. 2000,
I-6917) nicht geändert. Die Frage, ob bestimmte Verfahrensmaßnahmen des
nationalen Rechts Genehmigungen im Sinne der Richtlinie 85/337 seien,
sei daher unzulässig.
- 35.
- Es ist festzustellen, dass eine Vorlagefrage
eines Gerichts nur dann unzulässig ist, wenn sie sich offensichtlich
nicht auf die Auslegung des Gemeinschaftsrechts bezieht oder wenn sie
hypothetisch ist (vgl. u. a. Urteile vom 16. Juli 1992 in der
Rechtssache C-83/91, Meilicke, Slg. 1992, I-4871, Randnrn. 25 und 32,
vom 6. Juli 1995 in der Rechtssache C-62/93, BP Soupergaz, Slg. 1995,
I-1883, Randnr. 10, und vom 26. Oktober 1995 in der Rechtssache
C-143/94, Furlanis, Slg. 1995, I-3633, Randnr. 12).
- 36.
- Dies ist im Ausgangsverfahren nicht der Fall.
- 37.
- Die Frage, ob der Bescheid über die
Festlegung neuer Auflagen und die Entscheidung über die Genehmigung
bestimmter Punkte der neuen Auflagen eine Genehmigung im Sinne von
Artikel 1 Absatz 2 Richtlinie 85/337 darstellen, ist eine Frage nach
der Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Denn nach ständiger
Rechtsprechung des Gerichtshofes sind die Begriffe einer Vorschrift des
Gemeinschaftsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer
Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten
verweist, nach dem Grundsatz der einheitlichen Anwendung des
Gemeinschaftsrechts wie auch nach dem Gleichheitssatz in der Regel in
der gesamten Gemeinschaft autonom und einheitlich auszulegen, wobei
diese Auslegung unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs
dieser Vorschrift und des mit der Regelung verfolgten Zweckes zu
ermitteln ist (vgl. u. a. Urteile vom 18. Januar 1984 in der
Rechtssache 327/82, Ekro, Slg. 1984, 107, Randnr. 11, und vom 19.
September 2000, Linster, Randnr. 43).
- 38.
- Daher ist die Frage, ob der Bescheid über
die Festlegung neuer Auflagen und die Entscheidung über die Genehmigung
bestimmter Punkte der neuen Auflagen eine Genehmigung im Sinne von
Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 darstellen, zulässig.
- Beantwortung
- 39.
- Die Regierung des Vereinigten Königreichs
macht geltend, dass weder der Bescheid über die Festlegung neuer
Auflagen noch die Entscheidung über die Genehmigung bestimmter Punkte
der neuen Auflagen eine Genehmigung im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 der
Richtlinie 85/337 darstellten.
- 40.
- Bei dem Bescheid über die Festlegung neuer
Auflagen handele es sich um eine Genehmigung, die viele Jahre bestanden
habe, bevor die Richtlinie 85/337 Verpflichtungen für die
Mitgliedstaaten geschaffen habe. Die Festlegung von Auflagen nach dem
Planning and Compensation Act 1991 bedeute nur die eingehende Regelung
von Tätigkeiten, für die bereits eine grundsätzliche Genehmigung
erteilt worden sei. In Bezug auf den Bescheid über die Festlegung neuer
Auflagen und die Entscheidung über die Genehmigung bestimmter Punkte
der neuen Auflagen gelte also das Gleiche wie in den Pipeline-Fällen
(vgl. Randnr. 43 dieses Urteils). Aus Gründen der Rechtssicherheit
finde die Richtlinie 85/337 auf solche Projekte keine Anwendung.
- 41.
- Zu der Entscheidung über die Genehmigung
bestimmter Punkte der neuen Auflagen führt die Regierung des
Vereinigten Königreichs aus, dass die Entscheidung, die einen Einfluss
auf die Umwelt haben könne, bereits zuvor getroffen worden sei und dass
bei der Billigung von Einzelheiten nicht über die bei der
ursprünglichen Festlegung der Auflagen erteilten Vorgaben
hinausgegangen werden könne.
- 42.
- Hierzu ist festzustellen, dass nach Artikel
2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337 Projekte, bei denen mit erheblichen
Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, im Sinne von Artikel 4 in
Verbindung mit Anhang I oder II dieser Richtlinie vor Erteilung der
Genehmigung einer Prüfung in Bezug auf solche Auswirkungen auf die
Umwelt unterzogen werden müssen.
- 43.
- Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine
Genehmigung vor dem 3. Juli 1988, also vor dem Termin für die Umsetzung
der Richtlinie 85/337, erteilt wurde (alte Genehmigung), und in den
Fällen, in denen eine Genehmigung nach dem 3. Juli 1988 erteilt wurde,
das Genehmigungsverfahren jedoch vor diesem Zeitpunkt eingeleitet
worden war (so genannte Pipeline-Projekte) (vgl. in diesem Sinne
Urteile vom 11. August 1995 in der Rechtssache C-431/92,
Kommission/Deutschland, Slg. 1995, I-2189, Randnr. 32, und Gedeputeerde
Staten van Noord-Holland, Randnr. 23). Die Richtlinie verlangt daher,
dass die neuen Genehmigungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung
hinsichtlich der in Rede stehenden Projekte unterzogen werden.
- 44.
- Was das Ausgangsverfahren betrifft, so waren
die Eigentümer des Steinbruchs Conygar Quarry nach dem Planning and
Compensation Act 1991 verpflichtet, ihre Old Mining Permission
registrieren zu lassen und einen Bescheid über die Festlegung neuer
Auflagen sowie eine Entscheidung über die Genehmigung bestimmter Punkte
der neuen Auflagen zu beantragen, wenn sie den Betrieb des Steinbruchs
wieder aufnehmen wollten. Andernfalls wäre die Genehmigung am 25. März
1992 erloschen.
- 45.
- Wären also keine solchen neuen
Entscheidungen ergangen, wäre der Betrieb des Steinbruchs nicht mehr im
Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337 genehmigt.
- 46.
- Es stünde der praktischen Wirksamkeit der
Richtlinie jedoch entgegen, wenn der Erlass von Entscheidungen, mit
denen unter Umständen wie solchen des Ausgangsverfahrens nicht nur der
Wortlaut, sondern auch der Inhalt einer vorherigen Genehmigung wie der
Old Mining Permission ersetzt wird, als bloße Änderung einer
bestehenden Genehmigung betrachtet würde.
- 47.
- Daher stellen Entscheidungen wie der
Bescheid über die Festlegung neuer Auflagen und die Entscheidung über
die Genehmigung bestimmter Punkte der neuen Auflagen für den Betrieb
des Steinbruchs Conygar Quarry in ihrer Gesamtheit eine neue
Genehmigung eines Projekts im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 in
Verbindung mit Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 dar.
- 48.
- Hinzu kommt, dass diese Entscheidungen am
25. Juni 1997 bzw. am 8. Juli 1999 erlassen wurden und es sich daher
nicht um eine alte Genehmigung handelt, die vor dem 3. Juli 1988
erteilt worden wäre. Auch die Anträge auf Entscheidung wurden 1993 oder
1994 bzw. 1997 oder 1998 eingereicht, so dass es sich nicht um einen
Fall wie die Pipeline-Fälle handelt.
Zum Zeitpunkt, zu dem die Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist
- 49.
- Da im Rahmen eines mehrstufigen
Genehmigungsverfahrens die bloße Feststellung, dass eine Genehmigung im
Sinne der Richtlinie 85/337 vorliegt, dem vorlegenden Gericht keine
vollständige Antwort in Bezug auf die Verpflichtung der
Mitgliedstaaten, eine Umweltverträglichkeitsprüfung hinsichtlich des in
Rede stehenden Projekts durchzuführen, geben kann, muss die Frage
untersucht werden, zu welchem Zeitpunkt eine solche Prüfung
durchzuführen ist.
- 50.
- Nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie
85/337 muss die Umweltverträglichkeitsprüfung vor der Erteilung der
Genehmigung durchgeführt werden.
- 51.
- Nach ihrer ersten Begründungserwägung
bezweckt die Richtlinie 85/337, dass die zuständige Behörde die
Auswirkungen des in Rede stehenden Projekts auf die Umwelt so früh wie
möglich berücksichtigt.
- 52.
- Sieht also das nationale Recht ein
mehrstufiges Genehmigungsverfahren vor, in dem zunächst eine
Grundsatzentscheidung ergeht und sodann eine Durchführungsentscheidung
getroffen wird, die nicht über die in der Grundsatzentscheidung
festgelegten Vorgaben hinausgehen darf, sind die Auswirkungen, die das
Projekt möglicherweise auf die Umwelt hat, im Verfahren zum Erlass der
Grundsatzentscheidung zu ermitteln und zu prüfen. Nur dann, wenn diese
Auswirkungen erst im Verfahren zum Erlass der Durchführungsentscheidung
ermittelt werden können, ist die Prüfung in diesem Verfahren
durchzuführen.
- 53.
- Daher ist auf die erste und die zweite Frage
zu antworten, dass Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 4
Absatz 2 der Richtlinie 85/337 so auszulegen ist, dass im Rahmen der
Anwendung von Bestimmungen wie Section 22 und Schedule 2 des Planning
and Compensation Act 1991 die Entscheidungen der zuständigen Behörden,
die bewirken, dass die Wiederaufnahme eines Bergbaubetriebs zugelassen
wird, in ihrer Gesamtheit eine Genehmigung im Sinne von Artikel 1
Absatz 2 dieser Richtlinie enthalten, so dass die zuständigen Behörden
gegebenenfalls dazu verpflichtet sind, eine
Umweltverträglichkeitsprüfung in Bezug auf diesen Betrieb
durchzuführen.
In einem mehrstufigen Genehmigungsverfahren ist diese Prüfung
grundsätzlich durchzuführen, sobald es möglich ist, sämtliche
Auswirkungen zu ermitteln und zu prüfen, die das Projekt möglicherweise
auf die Umwelt hat.
Zur vierten und zur fünften Frage: Die Möglichkeit für den Einzelnen, sich auf die Bestimmungen der Richtlinie 85/337 zu berufen
- 54.
- Mit der vierten und der fünften Frage, die
gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich
der Einzelne gegebenenfalls unter Umständen wie denen des
Ausgangsvefahrens auf Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit den Artikeln
1 Absatz 2 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 berufen kann oder ob
der Grundsatz der Rechtssicherheit einer solchen Auslegung
entgegensteht.
Zur unmittelbaren Wirkung von Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit den Artikeln 1 Absatz 2 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 85/337
- 55.
- Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten
Königreichs würde es einen Fall des inverse direct effect (umgekehrte
unmittelbare Wirkung), in dem der betreffende Mitgliedstaat auf Antrag
eines Einzelnen wie Frau Wells unmittelbar verpflichtet wäre, einem
anderen Einzelnen wie den Eigentümern des Steinbruchs Conygar Quarry
ihre Rechte zu entziehen, darstellen, wenn dem Einzelnen das Recht
zuerkannt würde, sich auf Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit den
Artikeln 1 Absatz 2 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 85/337 zu berufen.
- 56.
- Hierzu ist festzustellen, dass der Grundsatz
der Rechtssicherheit der Begründung von Verpflichtungen für den
Einzelen durch Richtlinien entgegensteht. Gegenüber dem Einzelnen
können die Bestimmungen einer Richtlinie nur Rechte begründen (Urteil
vom 26. Februar 1986 in der Rechtssache 152/84, Marshall, Slg. 1986,
723, Randnr. 48). Daher kann dieser sich nicht gegenüber einem
Mitgliedstaat auf eine Richtlinie berufen, wenn es sich um eine
Verpflichtung des Staates handelt, die unmittelbar im Zusammenhang mit
der Erfüllung einer anderen Verpflichtung steht, die aufgrund dieser
Richtlinie einem Dritten obliegt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22.
Februar 1990 in der Rechtssache C-221/88, Busseni, Slg. 1990, I-495,
Randnrn. 23 bis 26, und vom 4. Dezember 1997 in der Rechtssache
C-97/96, Verband deutscher Daihatsu-Händler, Slg. 1997, I-6843,
Randnrn. 24 und 26).
- 57.
- Dagegen rechtfertigen bloße negative
Auswirkungen auf die Rechte Dritter, selbst wenn sie gewiss sind, es
nicht, dem Einzelnen das Recht auf Berufung auf die Bestimmungen einer
Richtlinie gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat zu versagen (vgl.
in diesem Sinne u. a. Urteile vom 22. Juni 1989 in der Rechtssache
103/88, Fratelli Costanzo, Slg. 1989, I-1839, Randnrn. 28 bis 33, WWF
u. a., Randnrn. 69 und 71, vom 30. April 1996 in der Rechtssache
C-1994/94, CIA Security International, Slg. 1996, I-2201, Randnrn. 40
bis 45, vom 12. November 1996 in der Rechtssache C-201/94, Smith &
Nephew und Primecrown, Slg. 1996, I-5819, Randnrn. 33 bis 39, und vom
26. September 2000 in der Rechtssache C-443/98, Unilever, Slg. 2000,
I-7535, Randnrn. 45 bis 52).
- 58.
- Was das Ausgangsverfahren betrifft, so steht
die Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats, eine
Umweltverträglichkeitsprüfung des Betriebes des Steinbruchs Conygar
Quarry von den zuständigen Behörden vornehmen zu lassen, nicht in
unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfüllung einer Verpflichtung, die
nach der Richtlinie 85/337 den Eigentümern dieses Steinbruchs obläge.
Der Umstand, dass der Bergbaubetrieb bis zum Vorliegen der Ergebnisse
dieser Prüfung eingestellt werden muss, ist zwar die Folge der
verspäteten Pflichterfüllung durch diesen Staat. Diese Folge kann
jedoch nicht, wie das Vereinigte Königreich geltend macht, als inverse
direct effect der Bestimmungen dieser Richtlinie gegenüber diesen
Eigentümern angesehen werden.
Zu der Zeit, die zwischen dem Bescheid über die Festlegung neuer
Auflagen und dem Antrag von Frau Wells auf Gewährung von Rechtsschutz
verstrichen ist
- 59.
- Die Regierung des Vereinigten Königreichs
macht ferner geltend, dass wegen des beträchtlichen Zeitraums, die seit
dem Bescheid über die Festlegung neuer Auflagen 1997 verstrichen sei,
dessen Rücknahme gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstieße.
Frau Wells hätte diesen Bescheid rechtzeitig vor den zuständigen
Gerichten anfechten müssen.
- 60.
- Hierzu ist festzustellen, dass die letzte
Stufe des Verfahrens zur Erteilung der Bergbaugenehmigung noch nicht
abgeschlossen war, als Frau Wells ihren Antrag beim Secretary of State
stellte. Daher kann nicht geltend gemacht werden, dass die Rücknahme
dieser Genehmigung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen
hätte.
- 61.
- Mithin ist auf die vierte und die fünfte
Frage zu antworten, dass sich der Einzelne unter Umständen wie denen
des Ausgangsverfahrens gegebenenfalls auf Artikel 2 Absatz 1 in
Verbindung mit den Artikeln 1 Absatz 2 und 4 Absatz 2 der Richtlinie
85/337 berufen kann.
Zur dritten Frage: Verpflichtung, dem Unterlassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung abzuhelfen
- 62.
- Mit seiner dritten Frage möchte das
vorlegende Gericht wissen, welche Tragweite die Verpflichtung hat, dem
Unterlassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung des in Rede stehenden
Projekts abzuhelfen.
- 63.
- Die Regierung des Vereinigten Königreichs
führt aus, dass die zuständige Behörde unter den Umständen des
Ausgangsverfahrens nicht verpflichtet sei, die erteilte Genehmigung für
den Betrieb des Steinbruchs Conygar Quarry zurückzunehmen oder zu
ändern oder die Einstellung des Betriebes anzuordnen.
- 64.
- Nach ständiger Rechtsprechung sind die
Mitgliedstaaten nach dem in Artikel 10 EG vorgesehenen Grundsatz der
loyalen Zusammenarbeit verpflichtet, die rechtswidrigen Folgen eines
Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht zu beheben (vgl. u. a. Urteile
vom 16. Dezember 1960 in der Rechtssache 6/60, Humblet, Slg. 1960,
1163, 1185, und vom 19. November 1991 in den Rechtssachen C-6/90 und
C-9/90, Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, Randnr. 36). Eine solche
Verpflichtung obliegt jeder Behörde des betreffenden Mitgliedstaats im
Rahmen ihrer Zuständigkeiten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Juni
1990 in der Rechtssache C-8/88, Deutschland/Kommission, Slg. 1990,
I-2321, Randnr. 13).
- 65.
- Daher ist es Sache der zuständigen Behörden
eines Mitgliedstaats, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle
erforderlichen allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu treffen, damit
die Projekte im Hinblick darauf überprüft werden, ob bei ihnen
erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt zu besorgen sind und dass sie
bejahendenfalls auf diese Auswirkungen hin untersucht werden (vgl. in
diesem Sinne Urteile vom 24. Oktober 1996 in der Rechtssache C-72/95,
Kraaijeveld u. a., Slg. 1996, I-5403, Randnr. 61, und WWF u. a.,
Randnr. 70). Begrenzt durch den Grundsatz der Verfahrensautonomie der
Mitgliedstaaten, sind derartige Maßnahmen beispielsweise die Rücknahme
oder die Aussetzung einer bereits erteilten Genehmigung zu dem Zweck,
eine Umweltverträglichkeitsprüfung des in Rede stehende Projekts im
Sinne der Richtlinie 85/337 durchzuführen.
- 66.
- Ebenso ist der Mitgliedstaat verpflichtet,
alle durch das Unterlassen einer Umweltverträglichkeitsprüfung
entstandenen Schäden zu ersetzen.
- 67.
- Nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie
sind die Einzelheiten des Verfahrens Sache der innerstaatlichen
Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats, sie dürfen jedoch nicht
ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte
innerstaatlicher Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung der
von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch
unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip) (vgl.
in diesem Sinne u. a. Urteile vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache
C-312/93, Peterbroeck, Slg. 1995, I-4599, Randnr. 12, und vom 16. Mai
2000 in der Rechtssache C-78/98, Preston u. a., Slg. 2000, I-3201,
Randnr. 31).
- 68.
- Was das Ausgangsverfahren betrifft, so sind,
falls der Weiterbetrieb des Steinbruchs von Conygar Quarry einer
Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den Anforderungen der Richtlinie
85/337 zu unterziehen gewesen wäre, die zuständigen Behörden
verpflichtet, alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen zu ergreifen,
um dem Unterlassen einer solcher Prüfung abzuhelfen.
- 69.
- In diesem Rahmen ist es Sache des nationalen
Gerichts, festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit
besteht, eine bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder
auszusetzen, um dieses Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung
gemäß den Anforderungen der Richtlinie 85/337 zu unterziehen, oder aber
die Möglichkeit für den Einzelnen, wenn er dem zustimmt, Ersatz des ihm
entstandenen Schadens zu verlangen.
- 70.
- Daher ist auf die dritte Frage zu antworten,
dass die zuständigen Behörden gemäß Artikel 10 EG verpflichtet sind, im
Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle allgemeinen oder besonderen Maßnahmen
zu ergreifen, um dem Unterlassen der Umweltverträglichkeitsprüfung
eines Projekts im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337
abzuhelfen.
Die Einzelheiten des in diesem Zusammenhang anwendbaren Verfahrens sind
nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache
der nationalen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats, sie dürfen
jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die vergleichbare
Sachverhalte interner Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung
der von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht
praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren
(Effektivitätsprinzip).
In diesem Rahmen ist es Sache des nationalen Gerichts, festzustellen,
ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine bereits erteilte
Genehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen, um dieses Projekt einer
Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den Anforderungen der Richtlinie
85/337 zu unterziehen, oder aber die Möglichkeit für den Einzelnen,
wenn er dem zustimmt, Ersatz des ihm entstandenen Schadens zu verlangen.
Kosten
- 71.
- Die Auslagen der Regierung des Vereinigten
Königreichs und der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof
abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des
Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem
vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist
daher Sache dieses Gerichts.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
auf die ihm vom High Court of Justice (England & Wales), Queen's
Bench Division (Administrative Court), mit Beschluss vom 12. Februar
2002 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:
1. Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27.
Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten
öffentlichen und privaten Projekten in Verbindung mit Artikel 4 Absatz
2 dieser Richtlinie ist so auszulegen, dass im Rahmen der Anwendung von
Bestimmungen wie Section 22 und Schedule 2 des Planning and
Compensation Act 1991 die Entscheidungen der zuständigen Behörden, die
bewirken, dass die Wiederaufnahme eines Bergbaubetriebs zugelassen
wird, in ihrer Gesamtheit eine Genehmigung im Sinne von Artikel 1
Absatz 2 dieser Richtlinie enthalten, so dass die zuständigen Behörden
gegebenenfalls dazu verpflichtet sind, eine
Umweltverträglichkeitsprüfung in Bezug auf diesen Betrieb
durchzuführen.
In einem mehrstufigen Genehmigungsverfahren ist diese Prüfung
grundsätzlich durchzuführen, sobald es möglich ist, sämtliche
Auswirkungen zu ermitteln und zu prüfen, die das Projekt möglicherweise
auf die Umwelt hat.
2. Der Einzelne kann sich unter Umständen wie denen des
Ausgangsverfahrens gegebenenfalls auf Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung
mit den Artikeln 1 Absatz 2 und 4 Absatz 2 der Richtlinie 85/337
berufen.
3. Die zuständigen Behörden sind gemäß Artikel 10 EG verpflichtet,
im Rahmen ihrer Zuständigkeiten alle allgemeinen oder besonderen
Maßnahmen zu ergreifen, um dem Unterlassen der
Umweltverträglichkeitsprüfung eines Projekts im Sinne von Artikel 2
Absatz 1 der Richtlinie 85/337 abzuhelfen.
Die Einzelheiten des in diesem Zusammenhang anwendbaren Verfahrens
sind nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten
Sache der nationalen Rechtsordnung eines jeden Mitgliedstaats, sie
dürfen jedoch nicht ungünstiger sein als diejenigen, die vergleichbare
Sachverhalte interner Art regeln (Äquivalenzprinzip), und die Ausübung
der von der Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht
praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren
(Effektivitätsprinzip).
In diesem Rahmen ist es Sache des nationalen Gerichts,
festzustellen, ob nach nationalem Recht die Möglichkeit besteht, eine
bereits erteilte Genehmigung zurückzunehmen oder auszusetzen, um dieses
Projekt einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß den Anforderungen der
Richtlinie 85/337 zu unterziehen, oder aber die Möglichkeit für den
Einzelnen, wenn er dem zustimmt, Ersatz des ihm entstandenen Schadens
zu verlangen.
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 7. Januar 2004.
Der Kanzler
Der Präsident
R. Grass
V. Skouris