An die Zeit-Redaktion

Sabine Kalinowski, 17. 3. 2004


Sehr geehrte Damen und Herren,

als Bürgerinitiative mit c.a 1200 bergbaubetroffenen Mitgliedern, kämpfen wir seit Jahren gegen den Steinkohleabbau am linken Niederrhein.
Im Gegensatz zum rechtsrheinischen Aufstand gegen die Abbaupläne des
Bergwerkes Walsum, sind überregionale Berichte über die linksrheinische Betroffenheit durch das Bergwerk West rar gesät. 
Durch den Abbau des Bergwerkes West (Kamp-Lintfort) entsteht eine
Hochwassergefahr, die den Walsumer Problemen in nichts nachsteht.
Die Akzeptanz der Bevölkerung ist daher ebenfalls nicht mehr gegeben, 6500
Einwendungen und acht Klagen vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf sprechen eine klare Sprache.
Ein neuer bergbauverursachter Missstand hat die Bevölkerung inzwischen weiter aufgeschreckt, daher möchten wir Sie bitten, sich dieses Themas anzunehmen:

Im Dezember 2003 deckte die Schutzgemeinschaft Bergbaubetroffener (SGB)
Rheinberg e.V. auf, dass radioaktiv belastete Grubenwässer des Bergwerkes West (Kamp-Lintfort) frei zugänglich durch das Rheinberger Stadtgebiet in den Rhein geleitet werden.

Die gemessenen Werte werden in ihrer Brisanz mit dem Uranbergbau in
Ostdeutschland verglichen; dort wurde eine umfangreiche, mit Steuergeldern finanzierte Sanierung gestartet.

Eine akute Gefährdung der Rheinberger Bevölkerung soll angeblich nicht
bestehen, ein Handlungsbedarf wird jedoch eingeräumt. Zur weiteren Untersuchung wurde sofort nach der Aufdeckung ein Runder Tisch eingerichtet. Bei einem ersten Treffen wurde beschlossen, ein umfangreiches Gutachten erstellen zu lassen.
Dieses Gutachten wird jedoch erst in ca. 2 Jahren vorliegen. Bis dahin soll alles seinen gewohnten Gang nehmen.

Inzwischen liegt uns jedoch eine Dissertation aus dem Jahre 2001 und ein
Untersuchungsbericht des Landesumweltamtes aus dem Jahre 1996 vor, der sich speziell mit der Kontamination der Fossa Eugeniana und des Altrheins in Rheinberg befasst. Als Ergebnis kommt der Verfasser des Berichtes zu folgenden Schlüssen:

"Die Größe der kontaminierten Fläche mit Ortsdosisleistungen > 300 nSv/H
beträgt 25.000 m2. Werden Entscheidungskriterien aus dem Bereich des Uranbergbaus herangezogen, so ergibt sich für das Untersuchungsgebiet ganz klar ein Handlungsbedarf. "

"Bei den durchgeführten Untersuchungen wurden zwei verschiedene
umweltrelevante Kontaminationen festgestellt: Einerseits die Radionuklid-Belastung der Gewässer, Sedimente und Böden sowie zweitens eine erhebliche Salzfracht der Gewässer."

Auf dieser Grundlage fordern wir daher unverzügliche Maßnahmen. Konsequenzen sind seit 1996 nicht erfolgt. Eine weitere Verschleppung kann nicht weiter auf Kosten der Bevölkerung geduldet werden. In diesem Zusammenhang ist es auch interessant zu wissen, dass die Genehmigung des Sonderbetriebsplanes "Abfallentsorgung" für das Bergwerk West zum 01.06.2004 ansteht, in dem die Entsorgung der Sedimente geregelt wird. Bei den aktuellen Betriebsplänen hat das Problem der radioaktiven Belastung keine Rolle gespielt. Eine Genehmigung darf unserer Ansicht nach bis zur kompletten Aufklärung nicht erteilt werden.

Grundsätzliche Erkenntnisse über eine radioaktive Belastung der Grubenwässer sind mindestens seit den 70er Jahren bekannt. Dennoch ist in den Genehmigungsverfahren bisher kein entsprechendes Prüfmerkmal vorgeschrieben. Eine Notwendigkeit zur Reduzierung der Belastung ist somit bei uns nicht gegeben, in Polen wird dagegen eine Reduzierung um ca. 90% erfolgreich umgesetzt. In Deutschland werden diese Grubenwässer im Gegensatz zu anderen Ländern nicht einmal als Abwasser deklariert, entsprechend ist auch im Gegensatz zu anderen Industriezweigen keine Abwassergebühr zu entrichten.

Während sich im Kanal Fossa Eugeniana durch die höhere Fließgeschwindigkeit nur an den Einleitstellen extrem überhöhte Ortsdosisleistungen von bis zu 3800 nSv/h (zum Vergleich: 4660 nSV/h Ortsdosisleistungen im ehemaligen ostdeutschen Uranerzbergbau) feststellen lassen, weist das Naturschutzgebiet zwischen Rheinberg und Ossenberg durchweg erhöhte Werte auf, da der Altrheinarm als Sedimentfalle wirkt. Hier kommt es durch häufige Überflutungen der Ufer zu immer wieder neu stattfindenden Kontaminationen der Böden.

Für die Bevölkerung ist dieses Gebiet frei zugänglich und wird von Anglern,
Hundebesitzern und spielenden Kindern als Naherholungsgebiet genutzt.

Die Schutzgemeinschaft hat daher folgende Forderungen erhoben:

  • Kritische Überprüfung der bisherigen Entsorgung der Sedimente. Vor Jahren
    wurde die Fossa Eugeniana entschlammt, eine Aussage zum Verbleib der Sedimente ist bislang nicht erfolgt.
  • Unverzügliches Absperren des kontaminierten Gebietes "Altrhein"
  • Renaturierung des Altrheins und fachgerechte Entsorgung der Sedimente
  • Prüfung der Abluft der Bergwerksschächte. Bei Kernkraftwerken wurde eine vielfach höhere Belastung der Abluft als im Abwasser gemessen.
  • Reduzierung der radioaktiven Belastung nach dem Stand von Wissenschaft und Technik (siehe Polen)
  • Kritische Überprüfung, ob Grubenwässer als Abwasser deklariert werden
    müssen.
  • Messungen auf den Bergehalden
  • Grundwasseruntersuchungen im Bereich des kontaminierten Gebietes
Umfangreiches Hintergrundmaterial können wir Ihnen auf Wunsch gerne zukommen lassen,  als Ansprechpartner stehen wir jederzeit zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruß

Sabine Kalinowski
Schutzgemeinschaft Bergbaubetroffener (SGB) Rheinberg e.V.
www.sgb-rheinberg.de